Die Frau für alle seine Leben

Nachruf Sie war nicht nur seine große Liebe, sondern auch seine erste Leserin. Nun ist Margrith Nay Suter verstorben

Bei diesem Beitrag handelt es sich um ein Blog aus der Freitag-Community.
Ihre Freitag-Redaktion

Margrith Nay Suter mit ihrem Mann Martin Suter und ihrer gemeinsamen Tochter, Ana
Margrith Nay Suter mit ihrem Mann Martin Suter und ihrer gemeinsamen Tochter, Ana

Foto: Familie Ong, Singapur

Man denke, man könne eine solche Situation nicht überleben, sagte Martin Suter 2017 in einer Reportage. Er meinte damit den Unfalltod seines Sohnes Antonio im Jahr 2009. Suter und seine Frau, zusammen mit ihrer Tochter Ana, haben diesen furchtbaren Schicksalsschlag gemeinsam überlebt. Das ist wahrlich kein Automatismus; es ist ein Signet einer überaus reflektierten, gereiften Beziehung.

Martin Suter war in gewisser Weise vom Erfolg geküsst. Auch wenn ein paar geschäftlich-organisatorische Dinge in seiner Werberkarriere misslangen, so surfte er doch auf der Welle der immerwährenden Kreativität, die ihm einen glänzenden Ruf einbrachte. Mit beinahe fünfzig kam er dann dort an, wo er immer hinwollte: Als Schriftsteller zum Diogenes Verlag. Immer an seiner Seite eine einzige Frau: Margrith Nay Suter. Die Modedesignerin und Architektin war immer die Konstante seines Lebens. Ob auf Rundreise durch Afrika, in Vietnam, Guatemala oder Ibiza. Man mag mutmaßen, dass zum Erfolg erreichen und bewahren können, immer eine weitere Person gehört, die der in der Öffentlichkeit stehenden Person beisteht, und dabei doch eine Individualität bewahrt. Nay Suter war so ein Mensch. Sie stand hinter ihrem Mann, sie gönnte ihm den Erfolg - auch das ist keine Selbstverständlichkeit. Und sie kannte ihn. Denn, so erzählte Suter selbst, beim Kennenlernen mit Verleger Daniel Keel, fügte sie an, ihr Mann wolle kein Autor werden. Er wolle Bestsellerautor werden. Er nehme ihr das immer noch ein klein wenig übel, so Suter verschmitzt in dem 2022 erschienenen Kinofilm über ihn. Wenn etwas in den gemeinsamen Filmaufnahmen des Ehepaars auffiel, war es die positiv-symbiotische Beziehung, die die beiden sich über Jahrzehnte bewahrt hatten.

Ihr Leben blieb ihr eigenes und doch ihr gemeinsames

Suter hatte sie wegen eines vergessenen Honigtopfes erst kennen und dann lieben gelernt. Nay Suter schuf und bewahrte sich auch ihre eigene berufliche Existenz. Erst als Modedesignerin (in deren Boutique sie Suter nach einem ersten Anruf wegen des Honigtopfes traf) und dann als Architektin, die sämtliche Wohnsitze der Familie gestaltete. Ob in Guatemala oder auf Ibiza. Oder das Riad in Marrakesch. Die Finca auf Ibiza schaffte es sogar in die renommierte Architectural Digest (AD). Das Haus war ein wunderbarer Fluchtort vor der technischen Welt mit einem wahrhaft exquisiten und dabei gleichzeitig leisen Geschmack – ihrem Geschmack. Durch diese Fähigkeit zur abgegrenzten Existenz, konnte sie ihrem Mann auch in seiner schriftstellerischen Tätigkeit konstruktiv unter die Arme greifen. Sie war seine erste Leserin. Sie war es auch, die bei seinem nie erschienenen Roman „Die Gedächtnislagune“ von einer Veröffentlichung abriet. Ursula Baumhauer, Suters langjährige Lektorin, fragte zuerst wie es Margrith gefalle – und dann erst, ob das Typoskript Suter selbst gefalle. Margrith Nay Suter war sein Resonanzraum, sein ruhiges Regulativ und wohlwollende Rückendeckung in dieser kompetitiven Welt.

Wie eine Beziehung so lange funktionieren könne, wurde Suter gefragt und er antwortete, ganz im Stil seiner stark destillierten Form: Es helfe, wenn man sich liebe.

Heute, am 09. Mai, ist Margrith Nay Suter verstorben.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden