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Meinung Beim Nachrichtenmagazin DER SPIEGEL erfand ein hochdekorierter Journalist Geschichten. Nun flog er auf – die Antwort des SPIEGEL ist eine Geschichte für sich

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Strahlende Demut in dunkler Stunde
Strahlende Demut in dunkler Stunde

Foto: Patrick Lux/Getty Images

Als über Twitter vermeldet wurde, dass der SPIEGEL etwas zu verkünden hätte, war zu erahnen, dass da was richtig schiefgegangen ist. Aber wie schief, war gar nicht zu erahnen. Gegen 13:00 Uhr wurde dann ein sehr lange, erklärende „Rekonstruktion in eigener Sache“ von Ullrich Fichtner veröffentlicht.

Das ist alles sehr löblich, doch gleichzeitig legen sich bei genauem Lesen dieser Rekonstruktion, stilistische Schatten auf diese. Klar, man kann im Reportage-Stil umgangssprachlich „Geschichten erzählen“, aber das ist auch gleichzeitig die Gefahr. Wenn es zu schmackig, zu glitschig in den Überleitungen wird, muss man kritisch sein, nachfragen. Der generellen Vertrauenskrise wird dieser Betrugsfall ganze Wasserfälle auf die Mühlen kippen.

Es wird die Vertrauenskrise des Journalismus nähren

„The harder they come, they harder they fall“, zitiert ein Freund von mir gerne ein Sprichwort. Für den Reporter Claas Relotius passt das wie die Faust aufs Auge. Denn er wurde mit Journalistenpreisen überschüttet, gelobt aller Orten und es passte scheinbar immer alles so gut. So gut, dass auch nach ersten Kritiken an seinen Rechercheweisen der Hinweisgeber abgetan wurde. Mit Compliance und Hinweisgebersystem scheint es im SPIEGEL noch nicht weit her zu sein. Da stehen sie dann den eigenen Rechercheobjekten wohl leider nicht so viel nach, wie sie gerne würden.

Alles was zu gut ist, ist nicht gut

Verstehen Sie mich nicht falsch. Ich ehre den Spiegel. Und es ist immer einfach, danach zu sagen: Das hätte man wissen müssen. Aber vielleicht ist die generelle Haltung des "erzählenden Journalismus" eine Gefahr der Verleitung, Übergänge und Inhalte allzu erzählerisch aufzubereiten. Denn wir sprechen gerne von "Geschichten", aber die zu vermittelnden Informationen dürfen keine Geschichten sein.

Es ist gerade für den Spiegel und seiner klaren Kante im Sinne des Eintritts für die Gegenkontrolle von Fakten hochnotpeinlich, dass eine junger Reporter alle an der Nase herumführte. Doch die Rekonstruktion von Fichtner gibt nun auch wieder Anlass zur Kritik. Denn es ist stilistisch eine typische Spiegel-Schreibe, die sich da findet. Die Aussagen von Relotius klingen wie aus Verhören mit hochgestellter Schreibtischlampe gezogen. Die Investigative hart am Limit. Aber das war sie intern ja eben nicht.

Das ist nicht gut.

Das ist nicht richtig demütig, nicht demütig genug.

Klar, Flucht nach vorne, alles offenlegen, deutlich machen, dass man getäuscht wurde. Aber bitte, doch nicht den Sprech wie in den Offenlegungsstories über andere. Das ist ein ganz wichtiger Unterschied. Es geht um einen Fall im eigenen Haus, dem es gebührt, nicht so darüber zu schreiben, als wenn man bei anderen etwas aufgedeckt hätte. Hier wäre es für den Spiegel an der Zeit gewesen, einen fast schon spröden, sachlichen Text zu formulieren und nicht wieder in eine Haltung der rechtschaffenen, moralisch überintegeren Selbstverliebtheit zu verfallen, der man anlasten kann, dass grade diese Haltung zum Erfinden von runden Geschichten verführt.

Eine Karriere hätte Relotius anstreben sollen. Die als Autor von Romanen. Vielleicht lesen wir ihn wieder.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
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