Botschaften und Offenbarungen

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Am Wochenende überraschte uns die Kanzlerin mit einer Botschaft, die als Großanzeige in allen Tageszeitungen, selbst in der unseres abseitigen Ländchens, geschaltet war (Kosten ca. zwei Mio. Euro) - sie bedankt sich artig bei uns Bürgerinnen und Bürgern, die wir die Lasten der Krise und des Aufschwungs geduldig getragen haben ... Wir sind ja brav wie die Lämmer ...

Dies alles wie im Märchen, nur daß der Schnee noch fehlt: die ganze Welt, so die Kanzlerin, die vor rauchblauem Hintergrund abgebildet ist, blicke jetzt auf Deutschland, das so vorbildlich (weil belämmert) sich und die Bankenwelt kuriere, wie es weiland in Griechenland geschehen, und nun auch in Irland, wo die gesamte EU-Bürgerschaft erneut für die Schuld der Banken einstehen darf.

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Das sind so Botschaften, die man erst einmal schlucken muß, ich entdeckte sie am Montag, als wir in der Redaktionsstube über unserem Kritikerblättchen saßen und über den Inhalt der nächsten Ausgabe berieten ...

Überhaupt hat es den Anschein, daß je mehr die CDU auf das Christliche in ihrem Namen insistiert, wie z.B. gestern wieder gelegentlich der zweiten Lesung des Haushaltsentwurfs, oder auch in Bezug auf den Wertekanon unserer Republik, um so weniger davon in der praktischen Politik dieser Partei zu finden ist ...

Aber auch der 2. Buchstabe im Parteikürzel scheint in Auflösung begriffen - wer friedlichen Protest und die Wahrnehmung des Bürgerrechts auf zivilen Ungehorsam als Klamauk oder extremistisch denunziert, wie desöfteren in Bezug auf Stuttgart und Gorleben geschehen, kann mit Demokratie nicht viel am Hut haben oder hat deren Funktionsweise noch nicht begriffen.

So hatte denn auch der CDU-Abgeordnete Axel E. Fischer gestern eine Botschaft zu verkünden, die eher einer Offenbarung glich. Während der zweiten Lesung des Haushaltsentwurfs der Bundesregierung, Einzeletat Arbeit und Soziales, zitierte er aus einem Brief, den er als Abgeordneter in seinem Wahlkreis bekommen. Die Unterzeichner könnten es nicht nachvollziehen, daß Alg II-Bezieher über die Maßen alimentiert würden und in Stuttgart oder Gorleben demonstrierten, statt sich um Arbeit zu bemühen ...











Fischer distanzierte sich natürlich von der Art der Darstellung, die sehr drastisch ausgefallen sei (klingelt da was?), aber so dächten immerhin viele Leute im Lande, da laufe doch was schief und sei schließlich die Politik gefragt ...

Zu Recht stellte sich aus den Reihen der Opposition die Frage, warum er diesen Brief hier im Plenum vorgetragen habe; aus den Bänken der Koalition heraus kein Kommentar ...

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Geschrieben von

jayne

beobachterin des (medien-) alltags

jayne

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