Auf einer Starbucks-Kaffeefarm in Costa-Rica: Wie viel ist das Label „Ökotourismus“ wert?
Costa Rica Das Land ist weltweit bekannt für seinen Ökotourismus. Besonders beliebt ist eine Farm, wo Starbucks nach dem „Kaffee der Zukunft“ sucht. Der Trip wird als grünes Reiseziel vermarktet. Ist Nachhaltigkeit nur Marketing in dem Küstenstaat?
Touristen in Muelle San Carlos (Costa Rica) fotografien Affen in den Bäumen
Foto: Imago/ Zuma Wire
Vor dem Ausgang des Flughafengebäude von San José treffen sich die Passagiere des Flugs LH 518 aus Frankfurt am Main wieder, um auf die Shuttlebusse zu den Autovermietungen zu warten. Auf ein eigenes Fahrzeug wollen die meisten nicht verzichten – auch wenn man die längeren Strecken im Land durchaus mit dem Bus zurücklegen könnte. Aber Busse stehen eben oft im Stau, es gibt vergleichsweise wenige Straßen und nicht alle sind im besten Zustand. Rund um die Hauptstadt geht es in der Rushhour nur im Schritttempo voran. Aber die dünne Infrastruktur hat, zumindest für die Urlauber und Urlauberinnen, auch ihre schönen Seiten.
Kurz nach Sonnenaufgang hört man auf dem Land das Rascheln der Kapuzineraffen im dunklen Laub der Mangobäume, das
;ume, das Gekreische der hellroten Aras-Papageien auf dem Weg zum Meer und den melodisch-wehleidigen Gesang der Tukane. Leuchtend grüne Kolibris schwirren durch die roten Blüten der Helikonien. Ein Leguan verschwindet zwischen trockenen Bananenblättern.Bis zu sechs Prozent der weltweiten Tier- und Pflanzenarten sind hier zu finden, mehr als ein Viertel des Landes sind Nationalpark oder Naturschutzgebiet. Derzeit werden rund 99 Prozent des Strombedarfs durch erneuerbare Energien gedeckt. Seit 1948 herrschen stabile politische Verhältnisse. Das Auswärtige Amt bezeichnet Costa Rica als „demokratischen Stabilitätsanker“ in Zentralamerika. 2019 wurde das Land, dessen Fläche etwas größer als die von Niedersachsen ist, von den Vereinten Nationen zum „UN Champion of the Earth“ erklärt – für seine Vorreiterrolle im Klimawandel. Eine Menge Stoff für die touristische Vermarktung also.„Die Bewohner verstehen die Bedeutung der Erhaltung ihres Anteils am tropischen Paradies“, heißt es in der Einleitung eines Reiseführers. Das erzeugt einen gewissen Druck. Denn die „Parks von Weltklasse“, die „intensiven Bemühungen im Umweltschutz“ und die „geradezu unglaubliche Biodiversität“ sind nicht nur die Kür, sondern vielmehr die Pflicht, um den Tourismus als Einnahmequelle zu binden. Durchgehend ökologisch und sozial verträglich ist dieses Urlaubsparadies dann noch nicht.Dass eine Reise zur Hacienda Alsacia als „nachhaltiger Tourismus“ gilt, ist mehr als ironischDurch enge Kurven geht es hinauf auf eine Höhe von knapp 1.000 Metern. Über den Parkplatz weht der Duft von frisch gerösteten Bohnen. Die Farm „Hacienda Alsacia“ gehört dem US-amerikanischen Unternehmen Starbucks, das hier seit 2013 auf der Suche nach dem „Kaffee der Zukunft“ ist. Es gehe darum, den Anbau rentabler zu machen, resistente Pflanzen zu entwickeln und die Erkenntnisse mit Farmern auf der ganzen Welt zu teilen, heißt es auf der Homepage. „Buchen Sie hier Ihre Tour.“Dass eine Reise hierher als „nachhaltiger Tourismus“ gelabelt ist, birgt eine gewisse Ironie. Denn großflächig abgeholzt wird der Regenwald hier erst seit dem Beginn des Kaffeeanbaus in der Hälfte des 19. Jahrhunderts. Aber auch, wenn der Waldbestand seit den 1980er Jahren von 26 auf 55 Prozent aufgeforstet wurde, bleiben die Plantagen problematisch, etwa durch die Wasserverschmutzung in der Verarbeitung der Kaffeekirschen oder durch die Erosion von landwirtschaftlichen Flächen.Plötzlich fängt es an zu regnen und man hört nur noch das Trommeln auf dem Wellblechdach und das Rauschen des nahen Wasserfalls. Am Empfang bekommen die Teilnehmenden der englischsprachigen Tour grüne Regenschirme überreicht. Der Tourguide erklärt zunächst den Lebenszyklus einer Kaffeepflanze. Auf seiner Regenjacke ist das Logo der Hacienda zu sehen, „Starbucks“ ist dabei so klein geschrieben, dass man es kaum lesen kann. Dann geht es durch den Regen in die benachbarte Plantage und weiter in die Verarbeitung, wo gerade ein paar Arbeiter Kaffeekirschen abliefern.Rund 70 Prozent der Pflücker und Pflückerinnen kommen aus Nicaragua, wo der Mindestlohn weniger als ein Drittel von dem in Costa Rica beträgt. „Die Unterbringung, Gesundheitsversorgung und Beschulung sind staatlich reguliert“, erklärt der Guide ganz nonchalant, aber der Satz klingt ein wenig auswendig gelernt. Die Arbeiter und Arbeiterinnen werden nicht nach Stunden oder Gewicht bezahlt, sondern nach Volumen. Das soll sie anspornen, nur die großen, vollreifen Früchte zu ernten.Carlos (*Name geändert) ist 30 und stammt aus einer Familie von Kaffeebauern, rund 80 Kilometer von hier. „Mein Großvater hat am Tag vier Säcke Kaffee gepflückt, ich schaffe nicht mal einen“, scherzt er, „deshalb mache ich die Touren.“ Doch dann wird er ernster und erzählt, dass seine Familie die Farm nicht weiterführen wollte. „Man verdient nur einmal im Jahr Geld“, erklärt er, „damit muss man dann auskommen.“ Nach der Schule studierte er Ökotourismus und arbeitete ein paar Jahre als freier Tourguide. „Anstrengend und schlechte Arbeitsbedingungen“, so sein Fazit. „Man ist ständig unterwegs und vielleicht einmal im Monat zu Hause.“ Da verliere man schnell den Kontakt zu seinen Freunden.„Wir brauchen den Ökotourismus, auch wenn es Leute gibt, die sagen, dass nicht alles wirklich nachhaltig sei.“ Dann ermahnt ihn sein Vorgesetzter, dass er nicht zu viel reden soll, und er verschwindet hinter der Kasse des Souvenirshops. Dort gibt es Nippes rund um den Besuch auf der Hacienda. Zum Beispiel Ansteckpins mit Kaffeemotiven, im Viererset für 18.000 Colones (umgerechnet 31 Euro). Der durchschnittliche Monatslohn in Costa Rica liegt für ungelernte Kräfte derzeit bei rund 352.000 Colones. Die zehnminütige Fahrt zur Sea Turtle Station an der Pazifikküste kostet hingegen weniger als zwei Euro. Aus Artenschutzgründen: Der Verkauf von Schildkröteneiern wird staatlich kontrolliert in Costa RicaIm atemberaubenden Tempo geht es auf der offenen Ladefläche eines zerbeulten Trucks durch das Unterholz und auf den Strand. Dort wartet ein mittelalter Mann in dunklen Shorts und einem gestreiften T-Shirt. Milo sorgt hier seit neun Jahren für den Schutz der Meeresschildkröten. Mit seinen Helfern und Helferinnen gräbt er die Eier aus, die die Tiere nachts in den Sand legen. Danach haben sie bis zu 60 Tagen Zeit, unter seinem wachsamen Auge zu schlüpfen.Heute werden 73 kleine Oliv-Bastardschildkröten ins Meer entlassen, die ungeduldig in einer roten Plastikkiste übereinander krabbeln. Matteo ist ein 18-jähriger Volunteer aus London, der gerade mit der Schule fertig geworden ist. „Ich wollte was Freiwilliges machen“, erzählt er. „Eigentlich wollte ich nach Peru, aber da ist alles so teuer. Also der Flug und der Ausflug nach Machu Pichu sind teuer.“ Costa Rica war da billiger.Eine Woche wird er hier sein, um bei der Auswilderung der Schildkröten zu helfen. Danach kommt ein Kumpel und es geht weiter nach Los Angeles. Er kippt die Kiste mit den Schildkröten vorsichtig auf die Seite und die Tiere laufen instinktiv Richtung Wasser. Rund 100.000 von ihnen werden hier jedes Jahr ausgewildert, geschätzte 400 überleben.Die Oliv-Bastardschildkröte gilt, wie alle Meeresschildkröten, als bedroht. Die Gründe sind vielfältig: Müll im Wasser und Mikroplastik in den Mägen, der Anstieg der Wassertemperatur, der mehr weibliche Tiere schlüpfen lässt als männliche – und letztendlich der Handel mit Schildkrötenpanzern, -leder, -fleisch und -eiern. Der Verzehr der letzteren ist in Costa Rica eine traditionelle Angelegenheit. „Hay Huevos de Tortuga“ steht auf einem blauen Schild in der Markthalle von Heredia, einem Vorort von San José, „Wir haben Schildkröteneier“.Die Verkäuferin zeigt die runden, weißen Eier, die an zerbeulte Tischtennisbälle erinnern. Außen klebt noch ein bisschen dunkler Sand. Vorsichtig öffnet sie die ledrige Hülle und lässt den Inhalt in ihre Hand gleiten. Nachdem sie das Eiweiß behutsam abgewaschen hat, legt sie den Dotter in ein kleines Glas mit scharfem Tomatensaft. Kein prägnanter Eigengeschmack, aber die Konsistenz ist überraschend fest und cremig.Die junge Frau lacht über die Frage, ob sie selbst die Eier mag. Sie schüttelt den Kopf. Die Spezialität gilt als ein Aphrodisiakum und ist eher eine Sache für ältere Männer. Dass man sie hier offen erstehen und verzehren kann, hat wiederum mit dem Schutz der Tiere zu tun. Sammlung und Verkauf werden staatlich kontrolliert und mit dem Erlös werden Projekte wie das von Milo finanziert.Ein Hotelbesitzer sammelt MüllGut 45 Kilometer die Küste hinauf hat Franklin Jiminez vor gut einem Jahr den Betrieb des Hotels La Sirena in Esterillos Oeste von seinem Großvater übernommen: Dreißig Zimmer, ein Restaurant, ein Pool – und direkten Zugang zu einem mit Kokospalmen bewachsenen Strand. „Ich habe eine Menge Dinge angestoßen“, erzählt der 25-Jährige und blickt auf das Meer. Der Sonnenuntergang hinter ihm erinnert an eine kitschige Fototapete aus den 1980er Jahren. „Als ich ein Kind war“, sagt Jiminez und zeigt auf die nasse Linie, die die Wellen vor seinen Füßen hinterlassen, „da war dieser Strand ein paar Meter breiter.“ Dabei ist er erst 25 und seine Kindheit noch nicht so lange her.Placeholder image-1Der steigende Meeresspiegel macht auch vor Costa Rica keinen Halt.Jiminez will trotzdem alles Menschenmögliche tun, um den Strand vor negativen Umweltauswirkungen zu schützen. „Wir wollen die Leute am Müllsammeln beteiligen. Dafür schaffen wir eine Maschine an, mit der man angeschwemmten Kunststoff zu Plastic Wood verarbeiten kann. Das können wir dann zur Herstellung von Tischen, Stühlen oder Mülltonnen verwenden. Der Strand muss immer sauber sein.“ Ein gutes Projekt, an dem man sich Europäer und Amerikaner freiwillig beteiligen können. Vielleicht mal für eine Woche. Bevor es dann weiter nach Los Angeles oder London geht, an einen anderen Strand oder zurück nach Hause.
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