Als afrikanische Sklavinnen und Sklaven von den surinamischen Plantagen entkamen, die vom 17. bis zum 19. Jahrhundert von niederländischen Kolonialherren betrieben wurden, hatten einige Frauen eine geniale Idee: Auf ihrer Flucht versteckten sie Reiskörner in ihren Haaren, um sie später an ihrem Zufluchtsort im Amazonas-Regenwald wachsen zu lassen. Heute, Jahrhunderte später, arbeitet eine Genbank daran, die seltenen Reissorten Surinams zu retten. Und so die Gemeinden im Kampf mit einem gewaltigen Feind zu unterstützen: dem Klimawandel.
Im Hinterland von Suriname, in der Nähe des Ortes Brokopondo, läuft Albertina Adjako vorsichtig mit Flipflops durch ihre noch zarten Reispflänzchen. Sie ist eine Nachfahrin jener Afrikanerinnen, die damals entkamen und als Maroons in die Geschichte eingingen. „Wir sind besorgt, weil wir eine lange Dürreperiode hatten“, sagt Adjako und begutachtet ihre Pflanzen. Da die Auswirkungen der Klimakrise weltweit zu spüren sind, sind ländliche Bauerngemeinschaften besonders anfällig für extreme Klimaereignisse wie Trockenperioden und starke Regenfälle.
In einer Studie der Weltbank aus dem Jahr 2021 heißt es, Surinam sei „besonders anfällig für Überschwemmungen, Dürre und starke Winde“. Die Erhaltung einer Vielzahl von Pflanzenarten und Saatgut kann diesen Gemeinschaften helfen, ihren Nahrungsmittelbedarf zu decken.
Einige Reissorten sind bei Adjako als „Sonnenanbeter“ bekannt, während andere „Wasseranbeter“ sind. Nicholaas Pinas, ein surinamischer Experte für Reisarten, sagt: „Es gibt Sorten, die bei trockenem Wetter gut gedeihen und weniger Wasser benötigen als andere. In einem Jahr mit wenig Niederschlag haben die natürlich einen viel höheren Ertrag als die Sorten, die mehr Wasser brauchen.“ Durch den Anbau einer großen Artenvielfalt wird das Risiko gestreut und die Widerstandsfähigkeit gegenüber externen Schocks, wie etwa klimabedingten Ereignissen, erhöht.
Die Stadt New York (damals New Amsterdam) wurde im 17. Jahrhundert von den Niederländern im Tausch gegen Surinam an die Briten abgetreten. Im Rahmen des transatlantischen Sklavenhandels brachten die Niederländer versklavte Afrikanerinnen und Afrikaner nach Surinam, um auf den Plantagen an der Küste zu arbeiten. Dort war Brutalität und gewaltsame Unterdrückung an der Tagesordnung. Auf den Schiffen transportierten die Händler auch afrikanische Feldfrüchte, darunter Reis.
In Surinam entstand durch die Vermischung der afrikanischen Kulturen eine neue Gemeinschaft: die heutigen Saamaka, ein Volk der Maroons. Auf der Flucht vor der Sklaverei gründeten sie verborgene und autonome Gemeinschaften, in denen sie eine eigene, im Streben nach Freiheit verwurzelte Identität pflegten und sich von den unterdrückerischen Plantagen fernhielten. Ihr Grundnahrungsmittel ist Reis, aber sie bauen auch Maniok und Kochbananen an.
2022: Ein Dammbruch zerstört viele Reissorten für immer
Albert Aboikoni, der Stammesführer der Saamaka, erklärt, dass Reis für die Maroons von jeher eine überlebenswichtige Pflanze war. „Woher sollten wir nach der Flucht von den Plantagen unsere Nahrung zum Überleben nehmen?“, fragt er. Dann erzählt er die Geschichte einer Vorfahrin namens Ma Paanza, die im 18. Jahrhundert Reiskörner in ihrem Haar versteckte und sie zu den neu gegründeten Gemeinschaften im Amazonas brachte. Die Saamaka kultivieren noch immer eine Reissorte namens Ma Paanza. „Reis ist leicht anzubauen. Er war damals und ist bis heute ein ideales Nahrungsmittel für uns“, sagt Aboikoni. Doch Jahrhunderte nach ihrer Flucht von den Plantagen sehen sich die Saamaka in ihrem angestammten Land mit neuen Bedrohungen konfrontiert. Der Feind hört auf den Namen: Klimawandel.
Im Jahr 2022 wurde Suriname von heftigen Regenfällen heimgesucht, was zu weitreichenden Überschwemmungen im Landesinneren führte. Als Reaktion auf den zunehmenden Druck, der durch die extremen Regenfälle auf den Brokopondo-Stausee in der Mitte des Landes ausgeübt wurde, öffnete die staatliche Öl- und Gasgesellschaft Staatsolie die Schleusen des Afobaka-Damms. Folge: Die Felder standen monatelang unter Wasser, was zum unwiderruflichen Verlust einiger Reissorten führte. „Sie konnten nichts mehr retten“, sagt Adjako.
Albertina Adjako schlendert über das ausgedörrte Gelände ihrer kleinen landwirtschaftlichen Parzelle. „Ich wusste gar nicht, dass es so viele Reissorten gibt“, sagt sie lachend und streicht über einen Reishalm. Sie experimentiert mit Varianten, die ihr von Surinams staatlichem Reisforschungszentrum SNRI/ADRON zur Verfügung gestellt werden. Viele der Samen stammen ursprünglich von den Saamaka-Gemeinschaften.
Die meisten Reissamen sind für Grundnahrungsmittel bestimmt, aber einige, wie die schwarzen, die Adjako in ihrer Handfläche hält, sind für traditionelle Zeremonien, Beerdigungen und rituelle Opfergaben reserviert. Das SNRI/ADRON hat sich mit Crop Trust zusammengetan, einer gemeinnützigen Organisation, die sich für den Erhalt der Pflanzenvielfalt durch das Sammeln und Schützen von Saatgut einsetzt. Die NGO hat Saatgut aus Surinam in einem großen landwirtschaftlichen Tresor auf der norwegischen Insel Spitzbergen untergebracht.
„Man kann die Folgen der Klimakrise sehen“
Laut einer Datenbank sind dort 183 einzigartige Reissorten surinamischen Ursprungs gelagert. „Maroon-Reis ist stark bedroht“, sagt Beri Bonglim, Wissenschaftlerin bei Crop Trust. „Wir sahen das als Chance, dieses wertvolle Material an die Maroon-Gemeinschaften zurückzugeben und die Gemeindemitglieder aktiv einzubeziehen, um das Bewusstsein für die Notwendigkeit ihrer Erhaltung zu fördern.“
Es gehe nicht nur darum, den Maroon-Reis schützen. Sondern auch darum, die lokalen Gemeinschaften zu befähigen, eine entscheidende Rolle bei seiner Erhaltung zu spielen. Einheimische wie Aboikoni sollen mit dem Saatgut handeln können und befähigt werden, die Vielfalt der Kulturen zu erhalten.
Jerry Tjoe Awie, Direktor des SNRI/ADRON, sagt, sein Ziel sei es, die Widerstandsfähigkeit der Gemeinschaft gegen externe Schocks zu stärken, insbesondere gegen solche, die mit der Klimakrise zusammenhängen. Im heißen und feuchten Inneren des surinamischen Amazonasgebiets guckt Adjako mit Besorgnis zurück auf das Jahr 2023, als der Regen ausblieb. „Man braucht die Sonne, weil wir bei Regen nicht ernten können“, sagt sie und lacht – aber sie betont auch, dass die Auswirkungen der Klimakrise in ihrer Gemeinde stärker ins Bewusstsein gerückt werden müssen. Die Folgen sind allgegenwärtig, sagt sie. „Man kann es sehen.“
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