Wer sich eine Klimakarte der Welt anschaut, die wir in 50 Jahren bewohnen werden, sieht einen breiten Gürtel extremer Temperaturen um die Mitte des Planeten. Aktuelle Klimamodelle sagen voraus, dass 2070 etwa 30 Prozent der Weltbevölkerung an Orten mit einer Durchschnittstemperatur von mehr als 29 Grad leben werden. Das ist unerträglich: Derzeit ist nicht mehr als ein Prozent der Landoberfläche so heiß, und dabei handelt es sich hauptsächlich um unbewohnte Teile der Sahara.
Diese Aussicht ist deshalb so dramatisch, weil die von der Erderwärmung am stärksten betroffenen Regionen – vor allem die Länder in Subsahara-Afrika – in den nächsten Jahrzehnten wohl auch das stärkste Bevölkerungswachstum verzeichnen werden. Doch se
n. Doch selbst wenn ihre Einwohnerzahl stark wächst, werden diese Länder trotzdem am wenigsten zu den Emissionen beigetragen haben, die die Klimakatastrophe verursachen. Diese Ungleichheit ist enorm: Die ärmere Hälfte der Weltbevölkerung – vier Milliarden Menschen – verursacht zwölf Prozent der Gesamtemissionen. Malis CO₂-Emissionen pro Kopf betragen etwa ein Fünfundsiebzigstel derjenigen der USA. Und selbst wenn das einkommensschwächste Drittel der Weltbevölkerung über die Armutsgrenze von 3,2 Dollar pro Tag käme, würde dies die globalen Gesamtemissionen nur um fünf Prozent erhöhen.Die reichere Hälfte der Weltbevölkerung, angeführt von den obersten zehn Prozent der Einkommensverteilung, betreibt ein globalisiertes Wirtschaftssystem, das die Umwelt für alle zerstört. Die schlimmsten Folgen treffen die Ärmsten, und diese Folgen werden künftig immer extremer werden. Wegen ihrer Armut sind sie aber de facto machtlos, sich davor zu schützen. Das ist die dreifache Ungleichheit der Klimakrise: die Ungleichheit der Verantwortung für ihre Entstehung, die Ungleichheit der Betroffenheit von den Auswirkungen und die Ungleichheit an verfügbaren Ressourcen für den Schutz vor den Folgen und die Anpassung an die Erderwärmung.Nicht jeder, der in der Gefahrenzone des Klimawandels lebt, ist arm und machtlos. Der Südwesten der USA hat die Ressourcen, sich selbst zu helfen. Indien ist ein relativ gut ausgestatteter Staat. Fragile Staaten wie zum Beispiel der Irak hingegen könnten von ihrem derzeitigen Zustand des Irgendwie-noch-Zurechtkommens in die völlige Überforderung kippen, wenn sie nicht mehr in der Lage sind, Wasser und Strom für Klimaanlagen bereitzustellen – das Allerlebensnotwendigste bei extremer Hitze.Dreifache Klima-Ungleichheit ist etwas radikal NeuesMan könnte sagen: Es ist ein altes Lied, die Armen leiden, die Reichen gedeihen. Aber die Folgen der dreifachen Klima-Ungleichheit sind radikal und neu. Es ist eben nicht „nur“ Ungleichheit: Die Lebens- und Wirtschaftsweise der reichen Welt untergräbt systematisch das Überleben von Milliarden von Menschen in der Klimagefahrenzone. Sie werden nicht im herkömmlichen Sinne ausgebeutet oder übervorteilt: Sie sind die Geschädigten der klimatischen Auswirkungen des Wirtschaftswachstums, das anderswo stattfindet. Diese gewaltförmige indirekte Verflechtung ist neu.Gewaltsamen Beziehungen zwischen Gruppen ist in der Regel ein gewisses Maß an Interaktion eigen, was heißt: Widerstand ist möglich. Arbeitnehmer können zum Beispiel streiken. Bei der strukturellen ökologischen Schädigung über Tausende Kilometer gibt es aber keine solche Beziehung und entsprechend wenige Möglichkeiten des Widerstands. Klar, man könnte aus Protest Pipelines in die Luft jagen, die Energie aus armen Ländern zu reichen Verbrauchern bringen. Aber was wäre eine konstruktivere Reaktion auf die dreifache Klima-Ungerechtigkeit?Über die Bedeutung der COP28Das ist die Frage, die globale Klimakonferenzen wie die COP28 jetzt in Dubai so bedeutsam macht. Sie mag eine bürokratische, langweilige Angelegenheit sein. Aber sie ist immer noch der Ort, an dem der tödliche Zusammenhang zwischen fossiler Rohstoffförderung, dem Konsum der reichen Welt und den tödlichen Risiken für die Menschen in der Klimagefahrenzone politisch artikuliert werden kann. Hier ist die Bühne, auf der Aktivisten und Regierungen die Weigerung der reichen Länder anprangern können, einen echten Klima-Entschädigungsfonds für die am stärksten gefährdeten Länder einzurichten. Dessen Notwendigkeit wurde auf der COP27 in Ägypten prinzipiell anerkannt. Doch seither hat sich der Widerstand der US- und EU-Unterhändler verhärtet, die Finanzierung des Fonds ist noch immer ungeklärt.Ein solcher Fonds ist keine Lösung für das Problem der dreifachen Ungleichheit. Dafür brauchte es eine echte Energiewende und neue Modelle wirklich nachhaltiger Entwicklung. Aber ein Entschädigungsfonds leistet trotzdem einen wichtigen Beitrag. Er erkennt an, dass die Klimakrise nicht länger ein Problem der Zukunft ist. Sondern dass schon jetzt das Versäumnis, die Krise anzugehen, zu einem aktiven Prozess wird, der den Menschen in den ärmsten Ländern Schaden zufügt. Es ist eine krasse Benachteiligung, die nach einem Eingeständnis der Verantwortung und einem angemessenen Ausgleich schreit.Placeholder authorbio-1