Costa Rica: Migrantische Arbeiter werden wie Sklaven behandelt

Ausbeutung Faire Ananas, faire Bananen? Verbraucherinnen in Europa liegen falsch, wenn sie von guten Produktionsbedingungen in Costa Rica ausgehen. Die Missachtung von Menschenrechten steht in einem krassen Kontrast zum Image des Landes
Ausgabe 50/2023
Schwerste körperliche Arbeit unter härtesten Bedingungen: Arbeiter:innen bei der Ernte von Ananas in Costa Rica
Schwerste körperliche Arbeit unter härtesten Bedingungen: Arbeiter:innen bei der Ernte von Ananas in Costa Rica

Foto: Randall Campos/AFP/Getty Images

Das kleine Costa Rica ist der weltweit größte Lieferant von Ananas und relevanter Bananenexporteur. Oft als „Schweiz Mittelamerikas“ bezeichnet, steht die Missachtung von Umweltschutz und Menschenrechten auf den Plantagen in einem krassen Kontrast zum Image des Landes. Die Androhung einer Klage aufgrund des deutschen Lieferkettengesetzes ermöglicht nun einen ersten Dialog lokaler Gewerkschaften mit Unternehmen vor Ort sowie den Handelsketten Aldi und Lidl.

Ananasplantagen sehen wie Wüsten aus

„Eine Ananasplantage ist eine Wüste, kein Baum, kein Schatten, nur Sonne und Staub. Deshalb sind hier die Gesundheitsschäden für die Arbeiter gravierender als auf den Bananenplantagen. Zumal bei der Ananasproduktion noch mehr Pestizide eingesetzt werden. Der Wind treibt sie schnell dorthin, wo Menschen arbeiten“, erläutert Didier Leiton, Generalsekretär der Plantagen-Gewerkschaft SITRAP.

Bananen werden besonders von großen US-Multis wie Chiquita, Del Monte und Dole seit mehr als hundert Jahren in Mittelamerika angebaut. Der Begriff „Bananen-Republiken“ beschreibt ihre Macht gegenüber staatlichen Strukturen, die bis heute wirksam ist. Nach ersten Experimenten in den 1980ern entwickelten die gleichen Unternehmen seit 1995 die Ananas als lukratives Produkt mit einem Exportwert von mehr als einer Milliarde Dollar pro Jahr.

Europas Ananas kommen zu 80 Prozent aus Costa Rica

Etwa 50.000 Menschen arbeiten heute in Costa Ricas Bananenindustrie, gut 60.000 beschäftigt die Ananasproduktion. „Die Unternehmen geben oft niedrigere Zahlen an, da die vielen Migranten aus Nicaragua, die über Subunternehmen eingestellt sind, nicht mitgezählt werden“, so Leiton. Ihre soziale Lage sei zumeist auffallend prekär.

Costa Rica mit seinen nur fünf Millionen Einwohnern ist wegen des Erfolgs im globalen Agrobusiness – das Land deckt bei Ananas 70 Prozent des Welt- und mehr als 80 Prozent des EU-Marktes ab – am Einsatz billiger migrantischer Arbeit interessiert, nicht anders als die EU- und US-Landwirtschaft. Die Gewerkschaft SITRAP stieß kürzlich in der Plantage Freeman auf skandalöse Bedingungen. Die Beschäftigten wurden unter falschem Namen geführt, waren nicht sozialversichert, bekamen kaum Urlaub und mussten Gebühren an Arbeitsvermittler zahlen. Sie verdienten damit weniger als den gesetzlichen Mindestlohn.

Freeman gehört zur Acon-Gruppe, einem nationalen Agrobusiness mit mehr als 30 Bananenhainen, fünf Ananasschlägen und 13.000 Beschäftigten. Und sie bedient den deutschen Markt. „Was Gewerkschaftsrechte und Tarifverträge angeht, gibt es eine Übereinkunft unter den Unternehmen in Costa Rica, diese möglichst nicht zuzulassen. Es werden religiöse Beratungsfirmen gegen gewerkschaftlichen Einfluss engagiert. Diese stärken den Solidarismo, eine Philosophie, die besagt: Gewerkschaften seien nicht nötig, Solidarismo hingegen das Werk Gottes“, so Didier Leiton, der 1982 mit 15 Jahren begann, Bananen zu ernten.

Als Gewerkschafter gekündigt

Er geriet selbst in Solidarismo-Strukturen, die keinerlei Rechte verhießen, weshalb er sich bald der Gewerkschaft anschloss und sich die Kündigung einhandelte. „Gewerkschaften sind in Costa Rica erlaubt, doch Entlassungen weitverbreitet, und es ist nicht einfach, in unserem Justizsystem Recht zu bekommen.“ In der Konsequenz sind gerade sieben Prozent der Beschäftigten auf den Plantagen gewerkschaftlich organisiert, in der Ananas- noch weniger als in der Bananenindustrie. Wegen der internationalen Kritik haben Unternehmen in Costa Rica „die Wichtigkeit von Zertifizierungen“ entdeckt, wie es ihr Verband CANAPEP formuliert. Skeptisch sieht das der SITRAP-Generalsekretär: „Viele Zertifizierer begünstigen Menschenrechtsverletzungen, das haben wir im Juni bei Freeman von der Acon-Gruppe aufgedeckt, wo Nicaraguaner wie Sklaven gehalten wurden. Erst im April hatte die Rainforest Alliance ihren Audit dort gemacht – und nichts gefunden. Sie verliehen ihnen das Zertifikat“, empört sich Leiton.

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