Weltmarktproduktion ist seit der Kolonialzeit mit Menschenrechtsverletzungen verbunden. Was früher als normal erachtet wurde, wird aktuell mit den Debatten um Unternehmensverantwortung und Lieferkettengesetz leicht zum Imageschaden. Umso erstaunlicher ist es, wie die in Hamburg beheimatete Neumann Kaffee Gruppe mit der Historie ihrer Kaweri-Kaffeeplantage in Uganda umgeht. Diese konnte nur durch eine brutale Vertreibung der dortigen Siedler und Landraub vor mehr als 20 Jahren entstehen. Doch der weltweit führende Rohkaffeedienstleister meint, er könne das Problem aussitzen.
Das Logo der Neumann Kaffee Gruppe auf dem Auto
„Ich bin im September in Hamburg gewesen, die Evangelische Akademie hatte Neumann vorab um ein Gespräch gebeten, aber das Unternehmen reagierte nicht einmal“, so Peter Kayiira. Der ehemalige Schulleiter in Mubende, etwa 200 Kilometer westlich der Hauptstadt Kampala gelegen, ist ein Sprecher der Vertriebenen. „Tatsächlich waren Leute von Neumann schon zu Jahresbeginn 2001 in Mubende. Sie haben sich Kaffeepflanzen angeschaut, Bodenproben genommen und waren überrascht, wie hoch unsere Erträge ohne Chemieeinsatz waren“, erinnert sich Kayiira. „Damals waren wir uns noch nicht darüber im Klaren, was es mit diesem Unternehmen auf sich hat, aber wir haben das Logo auf den Autos gesehen und später wiedererkannt.“
Die Neumann Gruppe wusste also nicht nur, dass es eine ideale Gegend für den Kaffeeanbau, sondern auch eine besiedelte Region war, als sie dann einen Pachtvertrag über 99 Jahre für die gut 2.500 Hektar mit der ugandischen Regierung abschloss. Der Rest erschien irrelevant. Im August 2001 kam das Militär, räumte das Land, zerstörte Häuser und Ernten, ohne dass die Anwohner wenigstens ihr Eigentum hätten retten können. Bis heute haben die betroffenen Familien – es sind gut 400 – keine Entschädigung erhalten, bis heute klagen sie vor Gericht gegen Neumann und die ugandische Regierung. „Es ist ein Skandal, dass die Vertriebenen bislang keinerlei Wiedergutmachung erhalten haben“, empört sich Gertrud Falk von der internationalen Menschenrechtsorganisation FIAN, die den Fall von Anfang an begleitet hat. „Dass sich ein Gerichtsverfahren über 20 Jahre hinzieht, haben wir noch nie erlebt.“
Ein UN-Ausschuss kritisierte die Regierung in Kampala
Kayiira verweist auf den Wert internationaler Aufmerksamkeit durch Medien, NGOs oder die Vereinten Nationen. So hatte der UN-Ausschuss für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Menschenrechte 2015 das Vorgehen der Regierung in Kampala nachdrücklich kritisiert. Kayiira: „Unser Widerstand hat sich insofern gelohnt. Seit es den Neumann-Fall gibt, geht die Regierung nicht mehr derart rücksichtslos vor, wenn externe Investoren nach Land suchen.“
Natürlich gab es auch Resignation bei den Vertriebenen. Viele wollten eine bescheidene Entschädigung durch die Regierung – vereinbart bei einer Mediation im Februar 2022 – annehmen. Erhalten haben sie das zugesagte Geld jedoch nie. Folglich ging der juristische Prozess weiter. Nun, Anfang September, erstmals vor dem neuen High Court in Mubende. Das erspart nicht nur die Reise in die ugandische Hauptstadt, sondern bringt auch alle Betroffenen vor Ort zusammen. Für Anfang November hat der Richter zur finalen Anhörung geladen. „Eigentlich müssen wir auf unser Land zurückkehren dürfen, denn das ist unser verfassungsmäßiges Recht“, sagt Peter Kayiira. „Auf jeden Fall muss jede Familie vier Hektar Land und eine Entschädigung für die Zerstörungen erhalten. Letztlich wäre das weniger, als wir einst verloren haben.“ Die dafür notwendige Summe läge unter dem durchschnittlichen jährlichen Nettogewinn der Neumann Gruppe.
Besuch bei der Parlamentariergruppe Östliches Afrika im Bundestag
Das Familienunternehmen mit etwa 2,3 Milliarden Euro Jahresumsatz rühmt sich auf seiner Homepage, „ein nachhaltiges Farmmanagement, eingebettet in das lokale Umfeld“ in Uganda zu praktizieren, das „auch zu sozialen und ökologischen Vorteilen führt“. Fragt sich: Für wen? So richtig Appetit auf den Gourmet-Kaffee, welchen Neumann aus Mubende bezieht, macht der Fall nicht. Die Firma beliefert alle bekannten Marken in Deutschland.
Neben dem anhaltenden Engagement der Opfer vor Ort und dem neuen juristischen Anlauf kann auch eine sich scheinbar langsam wandelnde Haltung der deutschen Politik, die bislang die Neumann Gruppe von jedweder Verantwortung freigesprochen hat, verhaltenen Optimismus aufkommen lassen. Peter Kayiira konnte bei seinem Besuch in Berlin die Mitglieder der Parlamentariergruppe Östliches Afrika im Bundestag treffen. „Die Abgeordneten waren sehr interessiert, mehr über den Konflikt zu erfahren. Sie planen für das kommende Jahr eine Reise nach Uganda und ein Treffen mit den Vertriebenen, möglichst vor Ort in Mubende. Das wäre für uns eine wichtige Motivation.“ Endgültige Entscheidungen sind hierzu noch nicht getroffen, doch werde man das Thema in jedem Fall „weiterverfolgen“, heißt es aus der Parlamentariergruppe. Es ist genau dieses Wort, das dazu beigetragen hat, dass eine solche Menschenrechtsverletzung für unseren Kaffeegenuss nicht dem Vergessen anheimgefallen ist.
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