Wo Maniok gärt, Hirse lockt und Jasmin duftet

Kolumne Die Küche in der westafrikanischen Region bietet mehr als Klischees – Zeit für einen neuen Trend!
Ausgabe 37/2023
Die Vielfalt der afrikanischen Küche ist hierzulande völlig unterrepräsentiert
Die Vielfalt der afrikanischen Küche ist hierzulande völlig unterrepräsentiert

Foto: Imago/Xinhua

Als Gastrojournalist werde ich nicht selten nach Trends in der sogenannten Food-Branche gefragt. Zur selbigen habe ich aber ein ambivalentes Verhältnis. Vermeintliche Innovationen wie „Rocket Rice“ (Milchreis mit Toppings) oder „Cookie Couture“ (Kekse mit Toppings) – um nur zwei aktuelle Beispiele aus Köln zu nennen – lassen mich kulinarisch eher kalt. Aber sie interessieren mich in ihrer kulturwissenschaftlichen Dimension. Denn Trends sind auch ein Spiegel unserer gesellschaftlichen Befindlichkeiten. Und da wird es komplex, denn nichts scheint derzeit schwieriger zu beantworten als die Frage, wie es uns eigentlich geht. Daher antworte ich nicht mit exotischen Superfoods, experimentellen Startups oder lang übersehenen Restaurants, sondern sage einfach: Westafrika!

Nicht etwa, weil die Küchen von Burkina Faso, Ghana, Senegal oder einem weiteren der 17 als „Westafrika“ zusammengefassten Länder sich am gastronomischen Horizont abzeichnen würden, sondern weil ich der Ansicht bin, dass sie ein Trend werden sollten. Ich könnte aber auch Zentral- oder Ost- oder das südliche Afrika nennen, denn hierzulande ist Wissen über die vielfältigen Küchensysteme zwischen Senegal und Somalia, Niger und Lesotho nahezu nicht existent. Während der Maghreb im Norden etwa mit Couscous, Tajine oder Ras-el-Hanout zumindest ansatzweise in unserem Horizont auftaucht, kreisen unsere kulinarischen Assoziationen südlich davon vor allem um Hungersnöte, Buschfleisch und Sundowner nach der Jeep-Safari.

Kulinarische Trends fallen nicht vom Himmel

„Der Vielvölkerkontinent lohnt kulinarische Entdeckungsreisen“, heißt es etwa im mehr als 1.000 Seiten starken „Gourmet Handbuch“ von Udo Pini unter dem Eintrag „Afrika, die Küche“. Der etwa eine Viertelseite umfassende Eintrag behandelt den gesamten Kontinent und ist dabei exakt drei Zeilen länger als der für den nachfolgenden Gelatineersatz Agar-Agar. Auch wenn das Buch inzwischen 20 Jahre alt ist, bleiben die Klischees – Buschratten, Affen, Hunde, Fisch- und Ziegenköpfe – die gleichen. Dass es kein „Afrika, die Küche“ geben kann, sollte Allgemeinwissen sein, denn wie in Europa auch, sind kulinarische Traditionen, Rezepte und Gerichte nicht nur der Ausdruck willkürlichen Geschmacks, sondern ihre Herkunft meistens auch geografisch verortbar.

Aber zurück zu den Trends, die nicht vom Himmel fallen, sondern gemacht werden – von der Industrie in Form von neuen Produkten wie etwa Proteinpudding, durch nationalstaatliche Initiativen für koreanische oder peruanische Küche oder durch eine schwer zu fassende kulinarische Avantgarde, die neue Dinge entdeckt, darüber spricht und so zu ihrer Verbreitung beiträgt. Es sind oft jüngere Menschen, die Routinen und Traditionen nicht nur in Frage stellen, sondern auch bewusst mit ihnen brechen.

Diese Vorhut ist bislang noch erstaunlich blind, was die Küchen von Subsahara-Afrika angeht. Das ist bedauerlich, weil Zutaten wie Bitterleaf oder Sorghum-Hirse, Techniken wie die Fermentation von Maniok oder Aromenkomplexe zwischen dem zarten Jasminduft der Grains of Paradise und den kräftigen Veilchennoten von Palmöl ungeahnte Bereicherungen darstellen. Und weil es an der Zeit wäre, den rund 450.000 hier lebenden Menschen aus den vier genannten Großregionen endlich eine kulinarische Sichtbarkeit zu geben. Das wäre mal ein schöner Anfang für einen gesellschaftlichen Trend.

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