Assange will NSA-Ausschuss helfen

Wikileaks Selektoren Die Whistleblower Plattform veröffentlicht wieder regelmäßig brisante Dokumente, nun bietet Assange dem deutschen Ausschuss einen unzensierten Zugang an.

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Wikimedia Commons: CC BY-SA 2.0

Einige Zeit lang war es still geworden um Wikileaks und seinen Gründer Julian Assange. Die Enthüllungsplattform war dabei sich selbst zu zerfleischen, bzw. neu zu orientieren, ihr Gründer steckt seit Jahren in der ecuadorianischen Botschaft fest. In den letzten Monaten hat Wikileaks aber vor allem auch in Deutschland wieder von sich Reden gemacht.

Im Mai wurden die offiziellen stenografischen Protokolle des NSA Unterschungsausschusses veröffentlicht, die eigentlich noch mehrere Jahre unter Verschluss gehalten werden sollte. Dabei waren auch einige Passagen aus internen Sitzungen enthalten, die zeigten, wie Zeugen Ihrer öffentlichen Aussage widersprachen.

Im Juni wurden 17 Dokumente zum TISA Handelsabkommen zwischen den USA und weiteren Staaten zugänglich gemacht, ein Gewinn für die Proteste gegen das Freihandelsabkommen TTIP.

Seit Juli findet sich sich auf Wikileaks eine Liste mit 69 deutschen Telefonummern, die als Selektoren von den amerikanischen Geheimdiensten genutzt wurden und zeigen, dass die USA deutsche Politiker:innen abgehört haben. Knapp eine Woche zuvor war durch die Entüllungsplattform bekannt geworden, dass ebenfalls die französische Staatsspitze von der NSA massiv abgehört wurde.

Zuletzt wurden dann NSA-Protokolle zu abgehörten Gesprächen von Angela Merkel und anderen hochrangigen Politiker:innen veröffentlicht die Einblick in ihre politische Arbeit geben.

Die Macher:innen von Wikileaks sind wieder in Fahrt und scheinen auf einer Fülle von Dokumenten zu sitzen. Aber sie setzen auch wieder auf Zusammenarbeit mit anderen Medien und veröffentlichen nicht schlicht alles was sie erhalten.

Wikileaks macht Politik

An dem Beispiel zu den französischen Leaks kann man gar ablesen, dass eine Chance genutzt wurde, direkten politischen Einfluss nehmen zu können. Die Enthüllungen über das Abhören der französischen Führung, hatte erwartungsgemäß große Empörung unter den Politiker:innen ausgelöst. Dennoch entschieden sie sich knapp 24 Stunden später, ein zuvor eingebrachtes Gesetz zur massiven Ausweitung der Überwachung der eigenen französischen Bürger:innen zu verabschieden. Der tatsächliche Einfluss durch Wikileaks blieb also gering, zumindest aber konnten sie die Doppelmoral der Entscheidungsträger vorführen.

Die Medien, die an den Veröffentlichungen mitarbeiteten hatten offensichtlich unzensierten Zugang zu den Dokumenten, dadurch waren ihnen genauere Zuordnungen der Suchbegriffe möglich. In den veröffentlichten Papieren sind die Telefonnummern aus den Selektorenlisten allerdings nicht vollständig, die letzten 4 Stellen fehlen jeweils.

Das diente unter anderem dem Geheimdienstkoordinator Klaus Dieter Fritsche dazu, auf eine schritfliche Anfrage des Grünen Abgeordneten Ströbele nicht antworten zu müssen:

Zu den Bezeichnungen [..] liegen dem BND keine Erkenntnisse vor.
Die 15 von Wikileaks veröffentlichten Telefonnummern können nicht eindeutig zugeordnet werden, da jeweils die letzten vier Ziffern durch „X“ ersetzt wurden.

Offensichtlich gab es aber auch kein Interesse, Einsicht in die unzensierten Unterlagen zu bekommen. Schon zuvor hatte der Generalbundesanwalt Harald Range das Verfahren um das abgehörte Kanzlerinnen-Handy eingestellt, da er das in den Medien veröffentlichte Dokument als nicht gerichtsfest gewertet hatte.

Assanges Hilfsangebot

Nun macht aber Julian Assange dem NSA Ausschuss das Angebot genau diese Lücke zu füllen:

"Ich würde mich freuen, wenn die Abgeordneten zu mir kämen, um ihre Fragen zu stellen"

Er bietet an, die veröffentlichten Listen unzensiert zur Verfügung zu stellen, "Wir ertrinken im Material" sagt Assange dem Spiegel. Damit will der gewohnheitsgemäß nicht medienscheue Australier natürlich auch seine eigene Person wieder ins Rennen schicken. Seit mehr als 3 Jahren sitzt er nun im Exil der ecuadorianischen Boschaft mitten in London. Schweden will ihn wegen Vergewaltigungs-vorwürfen anklagen, verweigerte aber bis vor kurzem eine Befragung in der Botschaft. Bald könnten die Vorwürfe verjähren, ob Assange sein Exil dann ungefährdet verlassen kann ist aber sehr ungewiss. Er fürchtet seit Jahren, wegen seiner Aktivitäten an die USA ausgelilefert zu werden.

Ob und wie der deutsche Untersuchungsausschuss auf das Hilfsangebot reagieren wird, ist ebenfalls völlig unklar. Die Positionen dazu dürften wahrscheinlich innerhalb des Gremiums sehr gespalten sein. So wie auch schon in der Forderung, Edward Snowden als Zeugen zu laden.

Eigentlich könnten den Abgeordneten aber auch die kompletten Selektorenlisten schon ohne Hilfe von außen vorliegen, denn sie lagern gut gesichert in einem Tresor des Bundeskanzleramts. Dieses will aber nicht, dass der Kontrollausschuss Einsicht in die Listen bekommt, zu geheim. Nach Ansicht der Opposition ist das ein Skandal und ein Verstoß gegen demokratische Grundsätze. Daher wollen sie auf eine direkte Einsicht klagen.

Ansteckendes Geheimtum

Wahrscheinlich wird auch das Angebot Assanges daher mit dem gleichen Argument ausgeschlagen werden: zu geheim. Wie ansteckend dieses Geheimtum ist, zeigt sich auch regelmäßig in der Verhandlungen des Ausschusses. Dort dürfen Abgeordnete Sachverhalte, die längst öffentlich diskutiert werden nicht ansprechen, weil sie noch als geheim eingestuft sind. Teilweise nimmt es lächerliche Ausmaße an, wenn ein BND Programm beispielsweise nicht GLOTAIC sondern nur GLO... genannt werden darf, weil die letzten 3 Buchstaben den amerikanischen Kooperationspartner nennen.

Wahrscheinlich weiß auch Assange, dass sein Angebot keine Aussicht auf Erfolg hat. Aber vielleicht dient es auch nur wieder einmal, um die Entscheidungsträger vorzuführen.

Diese haben aber in den letzten zwei Jahren nach den Snowden Enthüllungen allerlei kreative Energie bewiesen um sich jeglichen ernsthaften Ermittlungen zu entziehen. Zwar treibt der Untersuchungsausschuss tatsächlich Erkenntnisse, die vorher niemand erwartet hätte. Aber welche Konsequenzen daraus erwachsen werden ist äußerst fraglich, wie der deutsche Rechtshistoriker Josef Foschepoth vor kurzem auf einer Veranstaltung mit hochrangigen Whistleblowern im Hinblick auf die Geschichte anmahnte:

"Die Geheimdienste gingen bisher aus jeder Krise gestärkt hervor. Es gab mehr Personal, mehr Haushaltsmittel [..] und gesetzliche Regelungen die genau das verstärkten was vorher kritisiert worden ist".

Update: Inzwischen ist das ganze Interview mit Julian Assange auf Spiegel Online veröffentlicht worden

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