Bergung des Atommülls gefährdet: Beunruhigende Fakten über das Endlager Asse II
Radioaktive Abfälle Die Schachtanlage Asse II hätte nie als Endlager genutzt werden dürfen. Der dort eingelagerte Atommüll muss wieder raus. Ob die Bergung klappt, ist offen. Was ist passiert?
Prüfung im Stollen der Schachtanlage Asse II (Archivbild)
Foto: Thomas Trutschel/Photothek/Imago Images
Das Salzbergwerk Asse II liegt im Landkreis Wolfenbüttel in Niedersachsen. Ein Fördergerüst aus Stahl ragt an der Oberfläche empor, umgeben von Rapsfeldern und Ackerland. Früher kamen Arbeiter:innen hierher, um unter Tage zu gehen. Heute steht das Werk still, doch die Debatte darüber läuft seit Jahren auf Hochtouren. „Die größte Gefahr Europas“ nannte Sigmar Gabriel, ehemaliger Umweltminister, Asse II einst. Der aktuelle Umweltminister Niedersachsens nennt es ein „Atomdesaster“. Denn tief unter der Erde, wo Bergarbeiter:innen einst Schächte gruben, liegt heute tonnenweise Atommüll.
Das Problem: Die Außenwände des Werks sind marode, seit Jahrzehnten dringt Wasser ein. Nur mit Pumpen konnte der Betreiber
Betreiber bisher verhindern, dass es den Atommüll erreicht. Vor ein paar Wochen entdeckten Ingenieure jedoch, dass mehr Wasser ins Innere dringt als angenommen. Der Spiegel berichtet über Pläne, das Mülllager deswegen gezielt zu fluten. Die Folgen für Umwelt und Mensch wären verheerend. Was ist in der Asse II passiert? Das ehemalige Salzbergwerk Asse II befindet sich hunderte Meter tief unter der Erde, umgeben von Wasser. In 13 Kammern, auf unterschiedlichen Höhen, liegen 126.000 Fässer Atommüll eingeschlossen. Täglich dringt Wasser durch die maroden Außenwände des Bergwerks. Damit es die 13 Kammern im Inneren nicht erreicht, wird es in Behältern aufgefangen und an die Oberfläche gepumpt.Vor ein paar Wochen haben Ingenieure der Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE) – der Betreiber des Lagers – entdeckt, dass weniger Wasser in der Hauptauffangstelle landet als bisher. Man geht deshalb davon aus, dass mehr Wasser in die Schachtanlage sickert. Bis zu sechs Kubikmeter könnten seitdem täglich in die Asse gelangen, die vorher aufgefangen und hochgepumpt wurden, wie der Spiegel berichtet. Im schlimmsten Fall könnte die Asse deshalb absaufen. Eine Bergung des Mülls wäre in diesem Fall nur noch schwer möglich, die Folgen für Umwelt und Mensch verheerend. Geschichte der Asse: Vom Versuchs-, zum End- zum umstrittenen ZwischenlagerDass Wasser in das ehemalige Salzbergwerk fließt, beschäftigt die Öffentlichkeit schon seit Jahrzehnten. 1965 kauft der Bund das stillgelegte Salzbergwerk Asse II, um aus ihr ein Versuchslager für Atommüll zu machen. In den Folgejahren werden 126.000 Tonnen schwach- und mittelradioaktiver Müll in den Bauch der Schachtanlage gekippt. Während dieser Zeit wird Asse offiziell als Endlager deklariert. Schon damals ist bekannt, dass Wasser in das Bergwerk fließt. Der damalige Staatssekretär aus dem Bundeswirtschaftsministerium, Klaus von Dohnanyi, sagt 1972 dennoch: „Das Eindringen von Wasser kann mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden.“ Das Bundesamt für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung (BASE) sagt heute: „Die Asse ist eine atomare Altlast, die nie als Endlager hätte genutzt werden dürfen“. Nachdem 1976 das Atomgesetz geändert wird, verliert Asse II den Status als Endlager. Fortan gilt es nur noch als Zwischenlager für die 126.000 Tonnen Atommüll. In den Achtzigern werden Expert:innenstimmen lauter, die eingebrochene Zwischendecken und eine allgemeine Einsturzgefahr diagnostizieren. Auch die Gefahr durch einströmendes Wasser wird erneut kritisiert. Der Bund reagiert und lässt Hohlräume mit Haldensalz aufschütten, um künftig Einbrüche zu verhindern. Ohne Erfolg. Gegen die 12.000 Liter Wasser, die im Schnitt täglich in das Salzbergwerk strömen, werden Pumpen errichtet.Es entstehen stetig neue Risse im Deckgebirge Doch langfristig werden die Pumpen nicht reichen, um die Schachtanlage vor dem einströmenden Wasser zu schützen. Denn im Deckgebirge der Asse entstehen stetig neue Risse. Dadurch dringt potenziell immer mehr Wasser ein. Grund dafür ist die Spannung, unter der das Gestein steht. Das Leipziger Institut für Gebirgsmechanik (IfG) beobachtet das Deckgebirge seit Jahren. Es kommt zu dem Schluss, dass die Risse irgendwann zu groß werden, um das Wasser zu kontrollieren. Es ist also nur eine Frage der Zeit, bis die Asse absäuft.Warum die Bergung so lange dauert Im Jahr 2008 leitet der Bund die Schließung von Asse II ein. Der Betrieb geht in die Verantwortung des Bundesamts für Strahlenschutz über (BfS). Dieses soll die Grube schließen und die sich darin befindenden Fässer bergen. 2013 wird das Vorhaben im Bundestag per Gesetz, dem sogenannten „Lex Asse“, besiegelt. Das Vorhaben soll allerdings erst 2033 beginnen und bis in die 60er andauern. Unter anderem, weil man bisher kein Zwischen- oder Endlager gefunden hat, wo der Müll aus der Asse stattdessen hin könnte. Generell ist das Bergen von Atommüll ein komplexes Unterfangen, das in Asse, sollte es dazu kommen, weltweit das erste Mal durchgeführt wird. Die Betreiber der Asse graben beispielsweise einen neuen Schacht, um den Atommüll sicher abtransportieren zu können. Die Kosten für die Bergung werden auf 4,5 Milliarden Euro geschätzt. Heinz Smital, Atomexperte bei Greenpeace, hält die Summe auf Nachfrage des Freitags für zu niedrig angesetzt. Außerdem sind weitere Kostenpunkte, etwa die Suche und der Bau eines neuen Lagers, noch gar nicht inbegriffen. „Die Asse zeigt, wie sich ursprüngliche behördliche Einschätzungen als falsch erweisen und nun ein Schaden bis weit in die Zukunft entsteht.“Jetzt könnte es zu spät sein Ob eine Bergung noch möglich ist, angesichts des eindringenden Wassers, ist im Moment offen, wie das Umweltministerium in einem Pressestatement erklärt. Laut Heinz Smital hängt der Erfolg einer Bergung aktuell davon ab, wo das Wasser eintritt und ob es bereits radioaktiv kontaminiert ist. „Die aktuelle Situation zeigt, dass die Prozesse, um die Bergung vorzubereiten, unbedingt beschleunigt werden müssen.“ Alternativ bleibt nur noch eine gezielte Flutung. Unter der Berufung auf Informant:innen berichtet der Spiegel darüber, dass die Behörden über eine solche Flutung bereits nachdenken. Warum die Flutung eine schlechte Lösung ist Expert:innen befürchten, dass die verstrahlten, giftigen Stoffe aus den Fässern der Asse langfristig ins Grundwasser gelangen, sollte man die Grube fluten. Durch das Gestein entsteht ein Auflastdruck. Dieser könnte für eine Wanderung der Stoffe ins Grundwasser sorgen. Die Folgen wären verheerend. 104 Tonnen strahlendes Uran befinden sich in den Fässern, ebenso wie 81 Tonnen Thorium und 29 Kilogramm Plutonium, das besonders kritisch beobachtet wird, da es schon in kleinen Mengen tödlich ist.Wie massiv die radioaktive Belastung für die Umwelt bei einer Flutung wäre, lasse sich nicht verlässlich vorhersagen, erklärt Smital. Allerdings gelte in jedem Fall: „Atommüll muss eine Million Jahre von einer Freisetzung in die Umwelt geschützt werden. Das ist bei einer Flutung nachweisbar nicht möglich“.
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