Intrigen und Misstrauen

Machtkampf Die Nerven liegen blank: Wer soll die Berliner SPD in eine neue Ära führen?
Ausgabe 20/2014

Es läuft nicht gut für Klaus Wowereit. Seit 13 Jahren ist er im Amt – länger als jeder andere deutsche Regierungschef – und es scheint, als hätten die Berliner ihn nun endgültig satt. Das Debakel um den Hauptstadtflughafen scheint das letzte bisschen Energie aus ihm gezogen zu haben. Seine Umfragewerte sind abgestürzt. Die Mehrheit der Berliner will nicht, dass er bei der nächsten Wahl noch einmal antritt. In dieser Situation müsste eigentlich die Stunde der Partei schlagen – doch auch die Berliner SPD gab in letzter Zeit ein desolates Bild ab. Wochenlang liebäugelte Fraktionschef Raed Saleh damit, auf dem bevorstehenden Parteitag gegen den Landesvorsitzenden Jan Stöß anzutreten. Es folgte ein Machtkampf, der selbst Veteranen der in diesen Fragen traditionell wenig zimperlichen Landes-SPD durch seine Heftigkeit überraschte. Am Ende erklärte Saleh seinen Verzicht. Nicht einmal für den Landesvorstand will er wieder kandidieren – wohl aus Angst vor einem schlechten Ergebnis. Denn der Partei hat das Gerangel geschadet. In Umfragen liegt sie bei 23 Prozent – abgeschlagen hinter der CDU, die in der Hauptstadt selbst eine lange Geschichte von Machtkämpfen und Intrigen vorweisen kann.

Suche nach Geschlossenheit

„Diese zwei Wochen haben der Partei sicherlich nicht genützt“, sagt Jan Stöß. Trotzdem ist der Vorsitzende gut gelaunt. Kein Wunder: Seine Wiederwahl auf dem Landesparteitag ist jetzt sicher. Wenn er seine Karten richtig spielt, hat er gute Chancen, der nächste Regierende Bürgermeister zu werden. Stöß denkt deshalb schon einmal groß. Seine Vorstellungskraft endet nicht an der Stadtgrenze. Zwar seien Wohnungsbau und die steigenden Mieten für die SPD die wichtigsten Themen für Berlin, doch schon zwei Sätze später kommt Stöß auf die ganz großen Fragen – die Neuordnung des Länderfinanzausgleichs, den Fiskalpakt, das Zinsrisiko. „Wir müssen im Bund erkennbar sein“, sagt er.

Es sind solche Töne, deretwegen Stöß die Partei noch lange nicht komplett hinter sich hat. Er kümmere sich zu wenig um die Anliegen der Menschen vor Ort, heißt es bei seinen Kritikern. Während des Machtkampfs gegen Saleh habe er zudem Parteifreunde unter Druck gesetzt. „Die letzten Wochen haben bewiesen, dass man ihm die Stadt nicht anvertrauen kann“, so ein Fraktionsmitglied im Abgeordnetenhaus. Sollte Stöß es nicht schaffen, die inneren Gräben bald zuzuschütten, droht der SPD bei der nächsten Wahl 2016 eine schwere Niederlage. Seit einem vierteljahrhundert regiert sie die Stadt nun schon in wechselnden Koalitionen. „Die Stadt hat sich in den vergangenen 25 Jahren mit der SPD gut entwickelt“, so die Berliner Bundestagsabgeordnete Eva Högl. „Ich hoffe, dass wir auf dem Parteitag mit einem guten Ergebnis für Jan Stöß und einem guten Team die Grundlage dafür legen, dass noch einige dazukommen.“ Doch ob das allein reichen wird, ist mehr als unsicher. Die SPD wird sich auch inhaltlich neu aufstellen müssen. Ein Wahlkampf wie 2011, als Wowereit Schwarz-Weiß-Fotos von sich mit dem Slogan „Berlin verstehen“ plakatieren ließ, wird nicht mehr funktionieren. Auf dem Parteitag will die SPD deshalb beschließen, die Mitglieder wieder stärker in die Programmarbeit einzubeziehen. Um die Berliner wieder von der Partei zu überzeugen, könnte das zu wenig sein.

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Geschrieben von

Julian Heißler

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