Die blöde AfD befindet sich seit Wochen im Höhenrausch der Umfragen, und ausgerechnet jetzt soll auch die altehrwürdige Bundeszentrale für politische Bildung (bpb) bei Christian Lindners unerfreulich ambitionierten Haushaltsplänen behilflich sein. Der Haushaltsentwurf des Innenministeriums (BMI) unter Nancy Faeser sieht vor, die Mittel für die Bundeszentrale im kommenden Jahr um etwa 20 Millionen auf 76 Millionen Euro zu kürzen. Und weil es kurzfristig schwieriger sein wird, bei den Verwaltungsausgaben anzusetzen, also zum Beispiel in den Landeszentralen Personal einzusparen, bangen jetzt die vielen von der bpb geförderten NGOs um ihre Finanzierung.
Sind Faesers Budgetpläne deshalb politisch fatal und falsch, womöglich – nach der Debatte um den Umgang mit sogenannter Clan-Kriminalität – nur ein weiteres Profilierungsmanöver der SPD-Spitzenkandidatin bei der Landtagswahl in Hessen? Fest steht, wie stets, außer freilich bei Kürzungen des Militäretats, die öffentliche Kritik ist oft auch dann groß, selbst wenn Einsparungen sinnvoll erscheinen, so wie zuletzt der Vorschlag von Familienministerin Lisa Paus, die Einkommensgrenze für Sehrgutverdienende beim Elterngeld zu kappen. Da war erstaunlich, wie viele das Elterngeld als Meilenstein der Gleichberechtigung verteidigten, die Lobby dabei verräterisch laut, argumentativ bestens gerüstet und selbstverständlich besser gekleidet als die Interessenvertreter:innen der Kindergrundsicherung.
Das Juste Milieu verwirklicht sich selbst
Noch schwerer zu ertragen scheint es, wenn nicht nur Zustimmung, sondern offene Genugtuung von der hässlichen Seite kommt, die AfD einen weiteren Etappensieg davonzutragen droht. Denn seit Jahren hinterfragt die AfD leider sehr zu Recht die Strukturen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks und stellt dessen Arbeit oder Überparteilichkeit in Frage. So auch bei der Bundeszentrale. Vor kurzem sollen zwei AfD-Vertreter sogar Dienstaufsichtsbeschwerde gegen den Präsidenten der Bundeszentrale Thomas Krüger eingereicht haben, schrieb Peter Laudenbach in der Süddeutschen Zeitung. Für den Kulturjournalisten könnten Faesers Einsparpläne kurzsichtiger und dramatischer nicht sein. Er kennt sich aus. In seinem Buch Volkstheater (Wagenbach, 2023) dokumentiert der Autor über hundert rechte Übergriffe auf Institutionen von Kunst und Kultur. Und natürlich hat Laudenbach recht, dass es im (Kultur-)Kampf gegen die Rechte ordentlicher Geschütze bedarf.
Was der Autor nicht sieht, dass in diesem Kampf sich nur allzu oft das Juste Milieu selbst bestätigt (und künstlerisch verwirklicht), die berühmten Eulen nach Athen getragen werden, während man die längst verloren hat und weiter verliert, die man eigentlich gewinnen will, etwa Menschen, die im Internet ächzen, dass der Kampf gegen rechts ein „Selbstbedienungsladen für NGOs“ geworden sei oder „unzählige steuerfinanzierte Pöstchen“ geschaffen habe.
Apropos Pöstchen. Ich habe in Bonn in den 1990er-Jahren Politikwissenschaften studiert und kenne die Bundeszentrale noch als die kleine, irgendwie damals schon leicht angestaubte Institution der alten Republik mit ihrem Sitz in der Adenauerallee, fußläufig von der Uni. Ab und an ging man rein und fühlte sich danach intellektuell schwergewichtiger, wozu die kostenlosen, verlässlich fundierten, ideologisch zeitlosen Hefte in der Tasche beitrugen, die man dann aber natürlich doch nie vollumfänglich studierte. Eine befreundete Kommilitonin ergatterte seinerzeit einen der heiß begehrten Studentenjobs bei der bpb, der in eine Festanstellung überging. Auf der Homepage findet man ein von ihr verfasstes Dossier darüber, wie die bpb politikferne Schichten erreichen oder den Herausforderungen im Zeitalter sozialer Medien gerecht werden will. In den 1990ern hätte man – nicht böse sein, – akademisches Geschwafel dazu gesagt, das sich wie ein pflichtschuldiger Arbeitsnachweis liest. Der Text stammt aus dem Jahr 2009, ist also auch schon recht alt, weshalb es unfair wäre, daraus zu zitieren und überhaupt die spürbare Hilfslosigkeit darin nur zu verständlich, „wir“, die Medien, sind seit Jahren mit einer fragmentierten, auseinanderdriftenden, ungeduldigen Öffentlichkeit konfrontiert.
Seit 1952 gibt es die Bundeszentrale für politische Bildung. In ihrem Leitbild kann man noch heute stilistisch bundespräsidialhaft über den Demokratieauftrag, den sie hat, lesen. Der Etat hat sich seit 2012 verdreifacht. Thomas Krüger erklärt dies mit den politischen Entwicklungen der letzten Jahre, wie wir sie alle selbst aufsagen können: Rechtsextremismus, Flüchtlingspolitik, Ukrainekrieg, Corona-Pandemie sowie einem wachsenden Stadt-Land-Konflikt. Reicht das als Erklärung, wenn man bedenkt, dass große politische und historische Ereignisse und Verwerfungen ja natürlich auch schon vor 2012 stattfanden?
Bundeszentrale sollte sich auf Kernkompetenzen zurückbesinnen
Die Arbeit der Bundeszentrale wird kontrolliert von einem Kuratorium aus Bundestagsabgeordneten. Marc Henrichmann (CDU) ist der stellvertretende Vorsitzende. Zu den Kürzungsplänen sagt er: „Wir müssen kritisch hinterfragen, was seinen Zweck erfüllt und was nicht.“ Und es ist ja leider so: Nur weil das Henrichmann von der CDU das sagt, muss er ja nicht falsch liegen. Mir erschließt sich zum Beispiel nicht, warum irgendjemand das Interview mit irgendjemandem von Fridays for Future über das fünfjährige Bestehen von Fridays for Future lesen sollte. Das Interview ist streng genommen ein journalistisches Format, weshalb es zusätzlich deplatziert wirkt oder affirmativ.
Kai Gehring (Grüne), seit Jahren Mitglied im Kuratorium, liegt jedenfalls falsch, wenn er sagt, dass die Bundeszentrale gegen Rechtsextremismus und Fanatismus „immunisiert“ habe. Das Gegenteil ist der Fall, breite Teile der Gesellschaft wirken wie infiziert, fast unheilbar, extrem allergisch gegenüber politischer Bildung. Was sollen also Eulen nach Athen bewirken, zum Beispiel ein kostenloser Filmabend in der Bubble Berlin-Kreuzberg mit anschließender politischer Diskussion unter Gleichgesinnten?
Richtig ist (und allseits bekannt), dass rechte Propaganda aggressiver geworden ist, teilweise aus dem Ausland gesteuert wird, Fake News und Desinformation grassieren. Die Frage ist nur, ob die Bundeszentrale diesen neuen Anforderungen gewachsen ist. Muss und sollte sie das überhaupt? Sie könnte sich stattdessen auf ihre „Kernkompetenzen“ (und Zielgruppen) zurückbesinnen, auf analoge Formate setzen, zum Beispiel auf die tollen, fundierten, zeitlosen Hefte der 1990er, sich mit der Neubearbeitung von so mancher Publikation beschäftigen, der Neubewertung zum Beispiel der Osteuropapolitik, damit Schulen und Universitäten versorgen, statt das Geld in digitalen, „hippen“ Formaten zu versenken. Die Materialien irgendwo hinbringen, damit sie gelesen werden, statt die Zielgruppen planlos irgendwo abzuholen.
Denn es ist doch mitnichten so, dass noch mehr tolle, politisch informative Podcasts oder Youtube-Formate gebraucht würden. Eine kurze Evaluation würde all das klären und vielleicht nebenbei das erodierte Vertrauen in demokratische Institutionen, zum Beispiel der Bundeszentrale für politische Bildung oder des ÖRR, stärken. Das muss nicht teuer sein, damit weiterhin Geld an die wichtigen NGOs, die um ihre Existenz fürchten, die ja meist nicht von Berlin-Kreuzberg aus operieren, verteilt werden kann.
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