Öl: To drill – or not to drill?

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Die einzige US-amerikanische Tiefseebohrung, die derzeit und unter größten Anstrengungen voranschreitet, ist die zweifache Notbohrung, die das Leck von Deepwater Horizon dicht machen soll (BP hat eine beeindruckende Infografik der Bohrung ins Netz gestellt – offenbar ist man sehr, sehr stolz auf diese technische Leistung). mh hat mir nun einen Bericht aus dem Wall Street Journal geschickt, indem steht, BP wolle mit diesen Bohrungen jetzt noch (!) schneller fertig werden, als geplant, nämlich bis zum 27. Juli anstatt bis Mitte August. Noch vor ein paar Tagen hieß es in einer Pressemitteilung von BP, es bliebe dabei, dass die Entlastungsbohrungen drei Monate benötigen. Plötzlich ist die entscheidende Aktion drei Wochen schneller möglich. Wie das?

Die kühnen Pläne hängen wohl in erster Linie mit der Bilanz zusammen, die BP am 27. Juli seinen Aktionären vorlegen wird. Ist das Loch bis dahin zu, könnte das Unternehmen tatsächlich bilanzieren und so etwas wie eine Obergrenze für die hanebüchenen Kosten benennen, die das mutwillig herbeigeführte Unglück verursacht hat. Ist der Erfolg der Operation ungefähr so absehbar wie jener der vorherigen Glanztaten (Müll reinpumpen, einen Dom drüberstülpen, den Blowout preventer reparieren, einen Schlauch anschließen), blicken die Investoren in ein schwarzes Loch, in das sie wohl ungern ihre Dollarbündel schmeißen möchten.

Merken wir uns also den Termin. Ansonsten läuft es für BP derzeit gar nicht so schlecht, denn aus für uns Europäer wohl ziemlich schwer verständlichen Gründen richten sich Schimpf und Groll der US-Anwohner am Golf von Mexiko immer weniger gegen BP denn gegen Obama. Aber klar: BP zahlt ja unbesehen jeden Claim, während Obama ein Moratorium für Tiefseebohrungen veranlasst hat, das viele Menschen für den Moment ihrer Arbeit, ihrer Einnahmequellen beraubt. 33 Bohrungen stehen nun auf Halt, aber vor Gericht zeichnet sich ab, dass es dabei nicht bleiben wird. Das rationale Argument, ein zweiter Blowout sei in der augenblicklichen Situation nicht zu bewältigen, überzeugt die Leute einfach nicht. Es wird für Obama noch schwieriger werden, wenn das Loch in zweieinhalb Wochen tatsächlich dicht ist.

Zum Schluss noch ein Aschewurf aufs eigene Haupt: Ich habe einen Fehler gemacht. Im vergangenen Ölblog, als es um Kevin und seine Zentrifugen ging. Tatsächlich können die Maschinen 60mal mehr Wasser reinigen, als ich ausgerechnet hatte. Der Faktor 60 (Eine Stunde ist zugegebenermaßen 60 Minuten lang) ist mir leider durchgerutscht. Also: Es sind um die 350 Sportpools pro Tag, sobald alle 32 Geräte in Betrieb sind. Das ist schon was. Ich bezweifle dennoch, dass die Zentrifugen sich eignen, um die Ölkatastrophe auf ein kleines Malheur zu reduzieren, weil es schwierig sein dürfte, das Wasser überhaupt richtig zu reinigen. Die Methode ist rein physikalisch und funktioniert nur dann richtig gut, wenn Öl und Wasser zwei Phasen bilden können.

Seit Beginn der Katastrophe sind nun aber bis zu 300 Millonen Liter Rohöl aus dem Leck geflossen, lediglich ein kleiner Teil wurde in den vergangenen Wochen abgefangen. Ein Liter Rohöl reicht aus, um mindestens einige Hundert Liter (ich habe irgendwo auch schon eine Million gelesen) nachhaltig zu verschmutzen und zwar eben nicht allein aufgrund der Tatsache, dass auf dem Wasser ein bisschen Öl schwimmt. Rohöl ist ein Mix aus unzähligen organischen Verbindungen, die teilweise auch in Wasser löslich sind. Ein nicht geringer Teil des Öls ist mit Dispersionsmitteln behandelt worden. Zudem verändert sich auch unbehandeltes Öl mit der Zeit, es bildet Klumpen, die auf den Meeresgrund sinken, oder an den Strand gespült werden (wie jetzt in Texas). Und letztlich ist das Gebiet, über das sich das Öl inzwischen verbreitet hat, so groß, dass man den halben Golf von Mexiko durch diese Zentrifugen jagen müsste, um mehr als Katastrophenkosmetik zu betreiben.

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Geschrieben von

Kathrin Zinkant

Dinosaurier auf der Venus

Kathrin Zinkant

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