Es ist ein bisschen amüsant, den Journalismus dabei zu beobachten, wie er sich in einigen seiner Spezialdisziplinen gerade mal wieder voll in den Wettkampf stürzt: Es hagelt „Pro und Contra“-Formate, steile Kolumnenthesen, große Worte und Videokommentare. Nur, wenn man dann liest, was eigentlich jetzt schon wieder passiert ist: Dann landet man bei einer eher kleinen Sache. Einer Sache, über die man zwar gewiss streiten kann, wie man über so vieles streiten kann. Aber mit halben Untergangsfantasien?
Hier vielleicht erst einmal ein paar Informationen: Die Bundesjugendspiele werden für die dritten und vierten Jahrgänge der Grundschulen verändert. Die Disziplinen Leichtathletik und Schwimmen sollen von kommendem Schuljahr an nicht mehr als leistungsorientierter Wettkampf, sondern als bewegungsorientierter Wettbewerb ausgetragen werden.
Der Unterschied besteht darin, dass nicht mehr mit dem Maßband exakt abgemessen wird, wie weit Neun- und Zehnjährige in eine Sandgrube gesprungen sind, um ihnen dann gemäß einer Norm Punkte zu geben. Sondern, dass sie auch zu Bewegung in nicht zwangsläufig olympischen Disziplinen aufgerufen sind. Die Kinder stehen nach ihren drei Weitsprüngen weniger in der Gegend herum. Es gibt keine normierten Leistungen, aber: Es gibt Leistungen. Kindgemäßer sollen die Bundesjugendspiele werden, aber nur für die Jüngeren; für die fünften und sechsten Jahrgänge ist der neue Modus nur empfohlen. Und im Geräteturnen gibt es beide Modi, Wettkampf und Bewegungswettbewerb. That’s it.
Nikolaus Blome ächzt über die „Flauschokratie“, Jan Fleischhauer über Berlin
Und damit kommen wir nun zum Weltuntergang. Nikolaus Blome schrieb in seiner Onlinekolumne auf den Seiten des Spiegel: „Wenig sagt so viel aus über das Deutschland von heute, satt und matt, wie, Achtung: die links- und gefühlsgetriebene Abschaffung der Bundesjugendspiele.“ Unsere verweichlichte „Flauschokratie“ setze nun statt auf den Leistungsgedanken offensichtlich lieber auf Wettbewerb im Wattebauschweitwurf.
Und der Kolumnist Jan Fleischhauer behauptete im Fernsehen der Welt über die Bundesjugendspiele: „In Berlin“ – in bestimmten Kreisen eine Chiffre für linksgrün, vollverplant und trottelwoke – „haben sie dieses Jahr schon nicht mehr stattgefunden; stattdessen gab es Fahrradreifenwerfen, Hüpfen auf einem Bein, und es wurde ein Slalom um Bananenkisten herum probiert.“ Kurz: Deutschland schafft sich schon wieder ab, und Berlin ist schon wieder ganz vorn dabei!
Jakob Augstein und der „taz“ sind die Bundesjugendspiele nicht abgeschafft genug
Zum ordentlichen Spektakel werden Thesenfestspiele freilich erst, wenn es harte Gegenthesen gibt; wenn die Meinungsbildung wie ein olympischer Ringkampf performt wird. So findet Blomes Meinungsgegenspieler, Freitag-Verleger Jakob Augstein, in ihrem gemeinsamen Podcast, die Bundesjugendspiele seien „ein postfaschistischer, patriarchalischer, militaristischer Unterdrückungsdreck, der endlich weg gehört“; sie seien also längst nicht abgeschafft genug. Und die taz ließ sich auch nicht lumpen, Eiken Bruhn betrachtete die Bundesjugendspiele dort als „Sonderform schwarzer Pädagogik“ und brachte den Kapitalismus als treibende Kraft ins Spiel. Von dem die Erfinder des sportlichen Wettkampfs womöglich noch gar nicht so viel wussten.
Die Frage ist halt: warum? Warum diese Aufladung? Warum diese größtmöglichen Worte?
Leiser Verdacht: Der Leistungsgedanke der Bundesjugendspiele hat sich auch im Thesenjournalismus festgesetzt, und so wollen die Besten immer wieder und wieder ihre Punkte in den Disziplinen „Reaktionen provozieren“, „Sau durchs Dorf treiben“, „Ausrufezeichen setzen“, „Die Linken verantwortlich machen“, „Den Kapitalismus verantwortlich machen“ und „Den Teufel an die Wand malen“ sammeln. Denn nur so geht’s zur Ehrenurkunde.
Man stelle sich vor, dieser Wettkampf würde einmal reformiert: wie langweilig alles wäre! Nein, das kann niemand wollen. Die Bundesthesenspiele dürfen nicht abgeschafft werden! Ausrufezeichen!
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