„Hart aber fair“ mit Louis Klamroth: Wo ist der Beat von Frank Plasberg?

Kulturkommentar Noch bevor die erste Folge von „Hart aber fair“ mit Louis Klamroth lief, wurde dem neuen Moderator eine links-grüne Agenda unterstellt. Zur Premiere war davon nichts zu merken
Ausgabe 02/2023
Louis Klamroth ist neuer Moderator, nur das Logo ist noch das gleiche
Louis Klamroth ist neuer Moderator, nur das Logo ist noch das gleiche

Foto: Imago / Future Image

Die Talksendung hart aber fair hat einen neuen Moderator, einen 33-jährigen Mann mit einem sauber geshavten Bart, der vorher bei n-tv gearbeitet hat. Er heißt Louis Klamroth. Und weil es sich dabei um den Partner einer bekannten Klimaaktivistin handelt, hatten einige von Deutschlands lustigsten Meinungsonkels direkt eine hochbrisante Frage aufgeworfen, noch bevor er loslegen konnte: Darf ein linksgrüner Ideologe das wichtigste Politstrategie-Panel unseres ausgewogenen Vaterlands moderieren?

Sie hätten besser mal die Premierensendung abgewartet. Klamroths Privatleben stellte sich im Praxistest nicht als die entscheidende Frage heraus. Viel wichtiger war diese: Haben die bei hart aber fair den Personalwechsel von Techno-Altstar Frank Plasberg, 65, zu Klamroth wirklich genutzt, um an den Beats zu sparen? Oder wo ist er hin, der unverwechselbar treibende Dancetrack von Faithless, mit dem die Sendung jahrelang begonnen hatte?

Der Track mag unpassend gewirkt haben, solange er lief. Aber jetzt: Jetzt fehlt er irgendwie doch. Man war immerhin stets orientiert, wenn man ihn hörte. Wenn es in der ARD zu stampfen begann, wusste man jahrelang genau: Aha, die wöchentliche Diskussions-Kirmes beginnt. „Bitte einsteigen, alles festhalten, es geht los-los-los-los-los… Und jetzt rückwärts!“

Hart und fair? Eher harmlos und vorhersehbar

Wo aber ist man nun, wenn man hart aber fair einschaltet? Was sich nach nur 75 Minuten mit Klamroth dazu sagen lässt, ist: Man weiß es noch nicht so genau. Er fragte erst ordentlich voran und garnierte das Gespräch dann mit ein paar Flapsigkeiten. Er baute sich einmal vor dem Gästetisch auf, wie früher Plasberg. Er ließ seine Gäste reden und rammte auch mal forsch einen Themenwechsel in die Diskussion. Aber er tat nichts Freches oder Wildes in einer Sendung, die so unoriginell vor sich hinplätscherte wie eine Fußballbundesliga-Saison.

„Ein Land wird ärmer: Wer zahlt die Krisenrechnung?“, das war ihr Thema. In ihrem Verlauf fielen die Worte „Inflation“, „Gutverdiener“, „Reichensteuer“, „Bürgergeld“, „Lenkungswirkung“ und „Sachverständigenrat“. Lars Klingbeil von der SPD legte ein paar Parteiklassiker auf. Die sogenannten Wirtschaftsweisen waren repräsentiert. Ein Metallarbeiter erzählte aus seinem Leben als Familienvater mit wenig Geld bei steigenden Lebensmittelpreisen. Es gab den obligatorischen Einspieler aus der obligatorischen Düsseldorfer Fußgängerzone. Und weil mit Jens Spahn auch ein Vertreter der CDU zu den Gästen gehörte, fielen zudem die Begriffe „Mittelstand“, „Familienunternehmen“ und „Erbsensuppe mit Bockwurst“.

Klamroth fragte nicht sonderlich hart auf die Zwölf. Er provozierte keinen unseriösen Zweikampf zwischen zwei gezielt nebeneinander platzierten Gästen. Und, besonders wissenswert für Welt- und NZZ-Abonnent:innen, er genderte auch nicht. Klamroth nutzte nicht einmal die Gelegenheit, das provokante Wort „Klimawandel“ zu sagen, als es an einer Stelle angebracht gewesen wäre – als der rechts sitzende Spahn nämlich seine Freude darüber bekundete, dass wir derzeit so gutes Wetter hätten. Es war, alles in allem, eine harmlose, dramenfreie Premierensendung.

Dass er auch eine Geisterbahn lenken kann, das wird Klamroth erst noch beweisen müssen. Er wird die Chance gewiss kriegen, denn wenn es Deutschland an einem nicht mangelt, dann an Talkausgaben. Es wird also der Tag kommen, an dem er Locken auf Glatzen drehen muss, und auch der, an dem er Äpfel als Melonen zu verkaufen hat. Und dann wird sich zeigen, wie gut Louis Klamroth in der Unterhaltungsschiene der ARD aufgehoben ist.

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