"Weiterhin süße Träume"?

#FridayForFuture Schüler und Studenten in Europa gehen für Klimaschutz auf die Straße und schwänzen dafür die Schule. Ist dieser zivile Ungehorsam beunruhigend für das Establishment?

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"Weiterhin süße Träume", schreibt Lethe in einem Kommentar zu Elisa Nowaks Behauptung: "Die Generation der Alten hat Angst vor der jungen Aktivistin Greta Thunberg."

Ich neige gewiss nicht zu politischer Euphorie, dafür gab es ja die letzten 20 Jahre kaum Anlass, aber in den Aktionen von #FridayForFuture sehe ich seit langer Zeit wieder einmal das Potenzial für eine Bewegung, die etwas verändern kann.

Was könnte der "Generation der Alten" wirklich Angst machen? Zur Beantwortung zunächst ein Zitat aus einem Beitrag von Gunther Moll auf NEUE DEBATTE :

Aus meiner Generation ist das geworden, was der große Erich Kästner in seiner Rede an die Erstklässler schon 1961 geschrieben hatte: Aus Früchtchen soll Spalierobst werden. Der größte Teil meiner Generation ist angepasstes, normiertes und „untertäniges“ Spalierobst. Bleibt ihr bitte – oder werdet es wieder – Früchtchen!

Das ist der Punkt! Warum kommt die Politik mit ihrer Hinhaltetaktik beim Klimaschutz - so wie bei allen drängenden Fragen der Zeit - immer wieder durch? Weil die Mehrheit angepasst, normiert, untertänig ist und nichts dagegen unternimmt. Seit den 68ern und den großen Tagen der Friedensbewegung in den 70er/80er Jahren gab es doch nicht im Ansatz Aktionen, die es geschafft hätten, die Politik vor sich herzutreiben und zum Handeln zu zwingen. Warum könnten nun ausgerechnet die Schülerproteste es schaffen?

1. Die Proteste wecken Sympathie und Solidarität in allen Schichten der Gesellschaft. Sie kommen nicht ideologisch rüber, es gibt keine politisch ambitionierten Wortführer. Bis jetzt haben sich keine Randalierer stark machen können, alles läuft friedlich ab. Und vor allem: die jungen Leute verlangen nichts, was nicht jeder verantwortungsbewusste Mensch unterschreiben würde, sie fordern nur ihr Existenzrecht in einer lebensfähigen Zukunft.

2. Die Demonstranten setzen, so wie die Initiatorin Greta Thunberg, bewusst auf Zivilen Ungehorsam. Deshalb gehen sie eben nicht am außerhalb der Unterrichtszeit auf die Straße. Da würde es nämlich niemanden interessieren, aber durch den Ungehorsam des Schulschwänzens wird das Establishment unter Druck gesetzt. Schuldirektoren und Bildungspolitiker werden von Woche zu Woche unruhiger - ein gutes Zeichen! Wie realitätsfern die sind, berichtet sehr schön ein Beitrag in der Süddeutschen Zeitung wo der Rektor eines Gymnasiums wie folgt zitiert wird:

Der Energieaufwand um nach München zu fahren, könne seiner Meinung nach auch anders investiert werden. Schüler könnten jederzeit ihre Lehrer ansprechen und gemeinsam Klimaschutzprojekte auf die Beine stellen.

3. Schon die ersten Proteste haben große Resonanz bei der "Generation der Alten" gefunden. Die Presse ist voll von Zustimmung. Stellvertretend hier die Meinung von Benjamin Hahn (Energieagentur Ebersberg-München, zit. im eben genannten Beitrag):

"Die Jugendlichen haben die Diskussionen satt. Sie sehen, dass getroffene Absprachen und Abkommen letztendlich nicht eingehalten werden." Ein paar mehr Schulprojekte werden die Schüler nicht zufriedenstellen, betont Hahn, das müsse in dieser Deutlichkeit gesagt werden. "Die Arbeit vor Ort wird nur dann funktionieren, wenn sich auch auf politischer Ebene, und zwar landesweit, bundesweit und weltweit, etwas tut."

Wie können wir die Aktionen dieser jungen Menschen unterstützen? Ich denke, jedes positive Signal zur moralischen Stärkung ist wichtig, damit nicht Einschüchterung und Desinteresse alles im Sande verlaufen lassen. Sagen wir den jungen Leuten, dass sie der "Generation der Alten" keine Angst machen, sondern dass uns ihre Proteste mit Stolz und Zuversicht erfüllen!

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Klaus Fürst

Es ist die unüberwindliche Irrationalität, die dem Menschen den Ausgang aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit versperrt.

Klaus Fürst

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