Das Vorgehen von Kommissionspräsident Juncker provoziert die Frage, ob das überhaupt rechtens ist oder ob es sich hier um ein selbstherrliches, wilkürliches Vorgehen von Juncker handelt, ob er Kompetenzen an sich reißt, die die im Lissabon Vertrag geregelten Kompetenzen der EU-Kommission überschreiten.
Grundsätzlich gilt: bei Angelegenheiten, die in die alleinige Kompetenz der EU fallen – dazu gehören z.B. die Wettbewerbsregeln des Binnenmarktes und die gemeinsame Handelspolitik – stimmen allein der EU-Rat und das Europäische Parlament darüber ab. Die Parlamente der -EU-Mitgliedsländer sind in diesem Fall nicht an der Abstimmung beiteiligt.
Bei geteilter Zuständigkeit müssen auch die Parlamente der Mitgliedsländer über die Vertragsteile abstimmen, die in die Zuständigkeit der Mitgliedsstaaten fallen. Das ist z.B. dann der Fall, wenn ein Handelsabkommen sozial-, kultur- oder rechtspolitische Abschnitte enthält.
Geregelt ist das in Teil zwei des 2009 in Kraft getretenen Lissabon Vertrags, dem „Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union“, Artikel 2a - 2e. Gegenüber dem Vorläufervertrag sind die Zuständigkeiten der EU im Lissabon Vertrag ausgeweitet worden.
Das CETA-Abkommen ist eines der ersten Handelsabkommen, die unter den erweiterten Zuständigkeiten der EU ausgehandelt werden. Daher gibt es noch offene Fragen im Blick auf die tatsächliche Reichweite der erweiterten Zuständigkeiten der EU.
Auf Antrag der EU-Kommission werden diese offenen Fragen derzeit im Zusammenhang mit dem EU-Handelsabkommen mit Singapur aus dem Jahre 2014 vom EuGH überprüft. Die Prüfung durch den EuGH soll bis Ende 2016 abgeschlossen sein.
Die Ausweitung der Zuständigkeiten der EU im Bereich der Handelspolitik ist also von den Mitgliedsländern der EU gewollt gewesen. Andernfalls gäbe diese Ausweitungen im Lissabon Vertrag ja nicht.
Insofern handelt Juncker als Kommissionspräsident aus formaler Sicht nicht willkürlich, wenn er das CETA-Abkommen nicht auch durch die Parlamente der Mitgliedsländer sondern nur durch den EU-Rat und das Europäische Parlament abstimmen lassen will – dass sind nach dem Lissabon Vertrag für Handelsabkommen, die nicht unter die geteilte Zuständigkeit fallen, die die vertraglich vorgesehenen Entscheidungsgremien. Es ist eine Frage der Bewertung, ob CETA der alleinigen oder einer geteilten Zuständigkeit unterzuordnen ist.
Eine andere Frage ist allerdings, ob Junckers jetziges Vorgehen angesichts des Brexits, angesichts der noch ausstehenden Prüfergebnisse des EuGH im Blick auf das EU-Handelsabkommen mit Singapur und angesichts der massiven Proteste gegen CETA und TTIP (die sich allerdings nicht auf alle Mitgliedsstaaten der EU erstrecken) politisch klug ist. Diese Frage darf man getrost mit NEIN beantworten. In der Krise, in der sich die EU gegenwärtig befindet, ist die einzig sinnvolle Option, eine größtmögliche Offenheit der Verhandlungsprozesse zu garantieren und eine möglichst breite Beteiligung an Entscheidungsprozessen sicher zu stellen.
Damit könnte sich die EU-Kommission deutlich von den Tricksereien und Betrügereien der Brexit-Kampagne absetzen.
Kommentare 5
Damit Juncker sich nicht dem Vorwurf aussetzt, willkürlich zu handeln soll CETA einfach umdeklariert werden. Dreh- und Angelpunkt ist die Beurteilung des Rechtscharakters, von CETA. Als ein "gemischtes Abkommen", dessen Verhandlung als Mandat an die Europäische Kommision erteilt wurde, würde CETA die Zustimmung der nationalen Parlamente benötigen.
Der Vorstoß, den Juncker nun im Sinne der Absicheten der EU Kommision betreibt ist, Ceta nicht als „gemischtes Abkommen“, sondern als reines EU-Abkommen einzustufen, um damit auch die Notwendigkeit einer Ratifizierung durch die nationalen Parlamente umgehen zu können. Die Kommission will Anfang Juli dazu ein Rechtsgutachten vorlegen.
So schreibt die FAZ zu diesem brisanten Punkt zwar:
»Zuletzt hatten sich die Handelsminister der Mitgliedstaaten Mitte Mai nach einem Treffen in Brüssel klar dafür ausgesprochen, das Inkrafttreten beider Abkommen von der Zustimmung aller nationalen Parlamente abhängig zu machen. Ceta sei aus Sicht der zuständigen Minister eindeutig ein „gemischtes Abkommen“, hatte die zuständige Vorsitzende des Ministerrats, die niederländische Handelsministerin Lilianne Ploumen, nach dem Treffen gesagt. Der deutsche Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel, der an dem Treffen nicht teilnahm, hat unabhängig davon mehrfach betont, dass Ceta wie TTIP als gemischtes Abkommen von Bundestag und Bundesrat ratifiziert werden müssten.«
behauptet in diesem Artikel aber auch:
»Die Mitgliedstaaten könnten am Ende auch gegen den Willen der Europäischen Kommission einen gemischten Status durchsetzen. Das müsste aber einstimmig geschehen.« ("Bundestag soll bei Ceta nicht mitreden")
Das aber bestreitet zum Beispiel der Verwaltungsjurist Wilfried Pürsten und argumentiert weitergehend in diesem Artikel: CETA – Poker: Entmachtung des Ministerrats durch die Kommission?
»Eine Bindung an den Vorschlag der Kommission zum Rechtscharakter des abgeschlossenen Vertrages besteht nicht. Diese Beurteilung steht grundsätzlich dem Organ (hier: dem Ministerrat) zu, das über die Zustimmung zum Vertrag eigenverantwortlich – wie auch sonst? - zu entscheiden hat. An den hier kolportierten Vorschlag der Kommission ist der Rat umso weniger gebunden, als dieser dem hier erteilten Mandat widerspricht. Das Mandat für CETA lautete ausdrücklich auf den Abschluss eines gemischten Abkommens (s. Vermerk des Rates zur Mandatserweiterung vom 14. 7. 11, Anlage II).«
Deutschland schafft sich ab
Dieser Titel von Tilo Sarrazin behandelt die Furcht vor den muslimischen Gebärmüttern. Dieser Titel könnte mit dem Juncker.Plan zum TTIP/CETA/TiSA aktueller sein, als mit der Fucht von Sarrazin.
Für den Fall, daß Juncker dieses CETA/TTIP/TiSA durchdrücken sollte, gibt es eine klare Stellungsnahme des deutschen Richterbundes zu den Schiedsgerichten:
StellungnahmeNr. 4/16Februar 2016Stellungnahmezur Errichtung eines Investitionsgerichtsfür TTIP–Vorschlag der Europäischen Kommission vom 16.09.2015 und 12.11.2015
Juncker und seine Lobbyisten haben also mit einer Klageflut zu rechnen. Die Rechtslage in der EU ist sowieso irgend wann einmal eindeutig zu klären, weil sich der EUGH zu Rechtsprechungen ermächtigt hat, die eigentlich in die nationale Zuständigkeit von Gerichten fällt, Vie Dieder Grimm, ehemaliger Verfassungsrichter darlegt:
Nachzulesen bei: Grimm, Dieter
Europa ja - aber welches?
Wir wissen heute schon, daß die Abkommen von TTIP/CETA/TiSA sehr stark in nationale Rechte eingreifen wird, daß die unterschiedlichen Rechtesausfassungen zwischen den USA, Kanada und europäischen Staaten nicht einfach sind und vor allem nicht einfach zu lösen.
Um hier ein Mindestmaß an Rechtssicherheit bei für alle Beteiligten Unternehmen diesseits und jenseits des Atlantik mit der Einführung dieser Abkommen zu schaffen, bedarf es gerade bei diesen Abkommen der Transparenz und der öffentlichen Debatte - und selbstverständlich der Debattenschlachten in den einzelnen Parlamenten.
- Wenn Juncker die hier auch in Deutschland geltenden Gesetze im EU.Parlament abnicken läßt, brauchen, wir keinen Deutschen Bundestag mehr.
- Wenn wir keinen Deutschen Bundestag mehr brauchen, brauchen wir auch keine deutsche Bundesregierung mehr.
- Wenn wir keine deutsche Bundesregierung mehr brauchen, brauchen wir auch kein Bundesverfassungsgericht mehr, das dem Bundestag und der Bundesregierung hin und wieder auf die Finger klopft.
- Den Ersatzkaiser brauchen wir sowieso nicht.
Damit ist die Berliner Republik Deutschland BRD abgeschafft.
Deutschland zerfällt in seine Länder, Freistaaten und Stadtstaaten. Die gemeinsamen Angelegenheiten erfüllt dann ein ZweckVerbund Deutschland ZVD und die Länder, Freistaaten und Stadtstaaten werden eigenständige Nationen in der EU.
Mit seiner Hinterzimmer.Geheim.Verhandlung schafft Juncker kein Vertrauen, sondern verspielt das.
Eines wird langsam klar: Wenn die EU-Mitgliedsstaaten darüber abstimmen wird CETA eventuell garnicht abgeschlossen. Als heimlicher Wirtschaftsliberaler (Stichwort Luxleaks) ist dem Luxemburger Jean-Claude Juncker CETA aber wohl viel wichtiger als er zugeben würde, schließlich wird damit erzliberale Politik zementiert. Womöglich will er selber nach seiner politischen Karriere in das Schiedsgericht für die Konzerne berufen werden, wo es vermutlich bei jedem Streitfall goldene Fallschirme in der Platinversion für die ausgesuchten Anwäl..ehh..Richter hagelt.
Überigens, ein Zusammenhang zwischen diesen "Juristen-Honigtopf-Schiedsgerichten" und dem Umstand das 40% der Parlamentarier Anwalt "gelernt" haben, gibt es natürlich garnicht.
Eine Scheindebatte! Tatsächlich ist es völlig egal, ob der Bundestag damit befasst wird oder nicht. Oder glaubt jemand, die GroKo-Mehrheit würde sich inhaltlich und erst recht bei der Abstimmung danach richten, was die Menschen mehrheitlich von solchen Abkommen halten?
Überigens, ein Zusammenhang zwischen diesen "Juristen-Honigtopf-Schiedsgerichten" und dem Umstand das 40% der Parlamentarier Anwalt "gelernt" haben, gibt es natürlich garnicht.
Da sehen Sie was falsch. Die angeblich 40% Parlamentarier-Anwälte haben erstens selbst allenfalls marginale Chancen, an den Honigtöpfen der Schiedsgerichte zu sitzen zu kommen. Und zweitens sind sie gewiss nicht darauf erpicht, den Spezialisten in den vornehmen Groß-Kanzleien, aus denen die Schiedsrichter kommen, zuzuarbeiten. Zwischen den Abgeordneten und den nämlichen Spezialisten gibt es definitiv keine Querverbindungen. Richtig ist jedoch, dass sich die hochbezahlten Schiedsrichter bei ihren Entscheidungen einen Kehricht um die Interessen der Verbraucher kümmern. Da gilt das knallharte Prinzip: Wes Brot ich ess', des Lied ich sing. Das ist der eigentliche Skandal bei solchen Abkommen: dass die Verbraucher nicht einmal mehr die freilich sehr geringe Chance haben werden, dass sich ein Abgeordneter um ihre Interessen kümmern könnte und dass die ordentlichen Gerichte selbst dann nichts mehr zu sagen haben, wenn die Verbraucher wie Schweine gehalten werden, die aus Trögen Kraftfutter fressen.