Wer soll und wer darf über CETA entscheiden?

CETA und Juncker EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker will CETA nicht durch die Parlamente der EU-Mitgliedsstaaten abstimmen lassen. Das sorgt derzeit für großen Ärger

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Ist Junckers jetziges Vorgehen angesichts des Brexits politisch klug?
Ist Junckers jetziges Vorgehen angesichts des Brexits politisch klug?

Bild: Axel Schmidt/Getty Images

Das Vorgehen von Kommissionspräsident Juncker provoziert die Frage, ob das überhaupt rechtens ist oder ob es sich hier um ein selbstherrliches, wilkürliches Vorgehen von Juncker handelt, ob er Kompetenzen an sich reißt, die die im Lissabon Vertrag geregelten Kompetenzen der EU-Kommission überschreiten.

Grundsätzlich gilt: bei Angelegenheiten, die in die alleinige Kompetenz der EU fallen – dazu gehören z.B. die Wettbewerbsregeln des Binnenmarktes und die gemeinsame Handelspolitik – stimmen allein der EU-Rat und das Europäische Parlament darüber ab. Die Parlamente der -EU-Mitgliedsländer sind in diesem Fall nicht an der Abstimmung beiteiligt.

Bei geteilter Zuständigkeit müssen auch die Parlamente der Mitgliedsländer über die Vertragsteile abstimmen, die in die Zuständigkeit der Mitgliedsstaaten fallen. Das ist z.B. dann der Fall, wenn ein Handelsabkommen sozial-, kultur- oder rechtspolitische Abschnitte enthält.

Geregelt ist das in Teil zwei des 2009 in Kraft getretenen Lissabon Vertrags, dem „Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union“, Artikel 2a - 2e. Gegenüber dem Vorläufervertrag sind die Zuständigkeiten der EU im Lissabon Vertrag ausgeweitet worden.

Das CETA-Abkommen ist eines der ersten Handelsabkommen, die unter den erweiterten Zuständigkeiten der EU ausgehandelt werden. Daher gibt es noch offene Fragen im Blick auf die tatsächliche Reichweite der erweiterten Zuständigkeiten der EU.

Auf Antrag der EU-Kommission werden diese offenen Fragen derzeit im Zusammenhang mit dem EU-Handelsabkommen mit Singapur aus dem Jahre 2014 vom EuGH überprüft. Die Prüfung durch den EuGH soll bis Ende 2016 abgeschlossen sein.

Die Ausweitung der Zuständigkeiten der EU im Bereich der Handelspolitik ist also von den Mitgliedsländern der EU gewollt gewesen. Andernfalls gäbe diese Ausweitungen im Lissabon Vertrag ja nicht.

Insofern handelt Juncker als Kommissionspräsident aus formaler Sicht nicht willkürlich, wenn er das CETA-Abkommen nicht auch durch die Parlamente der Mitgliedsländer sondern nur durch den EU-Rat und das Europäische Parlament abstimmen lassen will – dass sind nach dem Lissabon Vertrag für Handelsabkommen, die nicht unter die geteilte Zuständigkeit fallen, die die vertraglich vorgesehenen Entscheidungsgremien. Es ist eine Frage der Bewertung, ob CETA der alleinigen oder einer geteilten Zuständigkeit unterzuordnen ist.

Eine andere Frage ist allerdings, ob Junckers jetziges Vorgehen angesichts des Brexits, angesichts der noch ausstehenden Prüfergebnisse des EuGH im Blick auf das EU-Handelsabkommen mit Singapur und angesichts der massiven Proteste gegen CETA und TTIP (die sich allerdings nicht auf alle Mitgliedsstaaten der EU erstrecken) politisch klug ist. Diese Frage darf man getrost mit NEIN beantworten. In der Krise, in der sich die EU gegenwärtig befindet, ist die einzig sinnvolle Option, eine größtmögliche Offenheit der Verhandlungsprozesse zu garantieren und eine möglichst breite Beteiligung an Entscheidungsprozessen sicher zu stellen.

Damit könnte sich die EU-Kommission deutlich von den Tricksereien und Betrügereien der Brexit-Kampagne absetzen.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

klute

Jürgen Klute, Mitglied des Europäischen Parlaments von 2009 - 2014. Theologe, Sozialpfarrer, Publizist & Politiker aus dem Pott.

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