Noch Chancen zu überleben?

Missratene Zivilisation: Clever und naiv, hilfsbereit und gewalttätig, innovativ und vernichtend, pflegend und plündernd – immer ohne Weitsicht. Noch Substanz für eine Zukunftsperspektive?

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Die Menschheit beendet gerade ihre herausragende Stellung in der Weltgeschichte. Trotz oder wegen aller technischen Errungenschaften vernichten wir im Eiltempo unsere Lebensgrundlage. Wie ein Meteorit, der in der Erdatmosphäre eintaucht, befinden wir uns in der Phase des Verglühens. Viel wird nicht mehr übrig bleiben vom Homo sapiens.

Der Einstieg in die Phase des Verglühens

Die Erde ist 4,5 Milliarden Jahre alt. Der Homo sapiens taucht vor rund 300.000 Jahren auf. Vor 12.000 Jahren begannen die Menschen, als Siedler mit Ackerbau in die Natur einzugreifen. Vor 6.000 Jahren wurden erstmals aus kleinen Gemeinschaften Stadtstaaten – der Beginn der "Hochkulturen", sie wollen sich die Erde untertan machen. Hier beginnt die missratene Zivilisation.

Aus Sicht von Mutter Erde sind die letzten 6.000 Jahre ein Wimpernschlag. Wenn die Sekunden eines Jahres dem Alter der Erde entsprechen, dann belegen die letzten 6.000 Jahre rund 40 Sekunden. Zu Beginn der 40 Sekunden versuchten die Menschen sich von der Natur freizuschwimmen. Eine Erfindung reihte sich an die andere. Vor 250 Jahren der scheinbare Durchbruch, die industrielle Revolution brach sich Bahn. Maschinen übernahmen die Arbeit der Menschen. Wir befinden uns in den letzten 2 Sekunden.

1960 startet die letzte halbe Sekunde - die Phase des Verglühens. Hier die Symptome:

Die Weltbevölkerung reduzierte sich vor 75.000 Jahren durch einen Vulkanausbruch weltweit unter 10.000 Menschen. Vor 10.000 Jahren lebten dann etwa 5 bis 10 Millionen Menschen weltweit. Nach dem Ende der letzten Kaltzeit wuchs die Weltbevölkerung, obwohl Seuchen wie die Pest immer wieder für Dezimierung sorgten. Vor 2000 Jahren waren es dann etwa 300 Millionen. Vor 1.000 Jahren waren es dann wenig mehr, die UNO nimmt 310 Millionen an. Vor 500 Jahren sind es dann gemäß UNO rund 500 Millionen. Um das Jahr 1800 überschritt die Weltbevölkerung eine Milliarde Menschen, die industrielle Revolution wirkt. 2011 sind es 7 Milliarden lt. Wikipedia.

Die steile Verlaufsskurve zeigt die tabellarische Darstellung:

> vor so vielen Jahren lebten so viele Menschen weltweit
> 10.000 ..…..…. 10.000.000
> . 2.000 ..…… 300.000.000
> . 1.000 ...…… 310.000.000
> .... 500 ..…… 500.000.000
> .... 200 ..… 1.000.000.000
> ..... 110 ..… 2.000.000.000
> ...... 60 ….. 3.000.000.000 (1960)
> ...... 45 ….. 4.000.000.000
> ..... 20 ….. 6.000.000.000
> ........ 8 ….. 7.000.000.000

In vielen Bereichen unseres Lebens gibt es diese explosive Mischung: Wirtschaftswachstum, CO2-Ausstoß, Erdöl-Ausbeute und Artensterben sind Beispiele dafür.

Die Weltwirtschaft hat sich seit 1960 pro Kopf um das 20-fache vergrößert (in 60 Jahren). In der gleichen Zeit hat sich die Bevölkerung mehr als verdoppelt, also ein Wachstum über dem 40 fachen. Siehe Wikipedia.
Die Jahre davor hat der britische Ökonom Maddison ab dem Jahr 1 zusammengetragen mit deutlich kleineren Werten (im Jahr 1 liegt die Leistung um 1/80 geringer als 1960):

Der CO2-Ausstoß - Folge der Verbrennung fossiler Brennstoffe - lag in der Geschichte des Homo sapiens bis zum Beginn der Industrialisierung (1750) immer unter 280 ppm (parts per million). Zunächst stieg der Wert bis 1960 auf 315 (Beginn systematischer Messungen). Im Jahr 2015 sind es dann schon 401 ppm. Siehe Wikipedia.
Der CO2-Ausstoß trägt erheblich zur Erderwärmung bei und diese lässt die Meere ansteigen. 2018 stieg der Meeresspiegel nach Angaben der Weltorganisation für Meteorologie erneut um durchschnittlich etwa 3,7 Millimeter – das sind ohne Beschleunigung in 10 Jahren 3,7 und in hundert Jahren fast 40 cm. Pro Grad Celsius Erwärmung steigt der Meeresspiegel um 20 bis 40 cm. Die dramatische Beschleunigung der letzten Jahre zeigen die „Warming Stripes“ – ein farbiger Strichcode für die Erdüberhitzung. Verstärkende Prozesse könnten weiter beschleunigen wie Mikroben, sie setzen CO2 frei, wenn es wärmer wird.
Mit anhaltender Beschleunigung der Erwärmung erreichen wir in einem Jahrhundert einen 1 Meter höheren Meeresspiegel. Bei einem Anstieg um 1 m werden weltweit 150.000 km² Landesfläche überschwemmt, davon 62.000 km² küstennaher Feuchtgebiete. 180 Millionen Menschen müssen dann migrieren. Siehe Wikipedia.

Erdöl wurde schon vor 500 Jahren gefördert. Auch hier änderte die Industrialisierung ab 1860 den Bedarf - erst gefragt als Lampenöl, dann als Treibstoff. Die großtechnische Förderung begann in Amerika. Es folgten Russland und schließlich Asien (zuerst in Persien).
Die Entwicklung der Ölförderung in Millionen Tonnen hat folgenden Verlauf:
> 1861 ............... 0,3
> 1900 ............. 9,9
> 1940 ......... 294,0
> 1960 ....... 1.153,7
> 1980 ...... 3.091,9
> 2000 ..... 3.618,2
> 2010 ...... 3.976,5
> 2016 ...... 4.382,4
Ölvorräte werden bis zu 800 Milliarden Barrel geschätzt. Das sind rund 110 Mrd. Tonnen Öl. Beim Verbrauch von 2016 recht der Vorrat dann noch für rund 25 Jahre. Siehe Wikipedia. Das Institut für Wärme und Oeltechnik e. V. (IWO), eine Einrichtung der deutschen Mineralölwirtschaft, ist optimistischer und kommt auf 243 Mrd. Tonnen Ölvorräte (technisch und wirtschaftlich gewinnbar). Aber das reicht dann auch nur 55 Jahre beim Verbrauch von 2016. Wie versorgen wir uns in 100 Jahren mit mehr Menschen weltweit?

Auch das Artensterben beschleunigt sich gewaltig. Studien zeigen, seit 1970 sind rund 50% der Wirbeltiere verschwunden. Weitere gespenstige, von Menschen getriebene Vernichtungsszenarien sind in Wikipedia dargestellt.
Mittlerweile sterben laut dem Bericht der Vereinten Nationen zur Artenvielfalt bis zu 130 Tier- und Pflanzenarten täglich. Die Ursachen sind der rasanten Flächenverbrauch in der Landwirtschaftbei und damit verbundener Waldvernichtung und Bodendegeneration. Weiterhin steigern der Klimawandel und die chemische Belastung von Umwelt und Böden das Artensterben. Siehe Wikipedia.

Warum geht die "missratene Zivilisation" das Problem nicht an?

Da ist zum einen eine seltsame Denke bei den "Wissenden" an verantwortlicher Stelle: Wir haben verstanden, aber die Reaktion bleibt aus. Und dann noch die Verdränger an leitender Stelle; sie ignorieren das Problem: Was sind ihre Fakten?

Da müsste eine Revolution angezettelt werden, damit die Lethargie der Verantwortlichen beendet wird. Wie viele Greta Thunbergs benötigen wir dafür?

Das unrühmliche Erbe und der letzte Hoffnungsschimmer der "missratenen Zivilisation" im Teil 2.

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Geschrieben von

kritikaster

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