Porträt Anton Janizewski ist gerade mal 30 Jahre alt und betreibt schon eine Galerie in Berlin-Charlottenburg – mit zunehmendem Erfolg. Über einen der interessantesten Galeristen Berlins
Man könnte ihn den Galeristen nennen, dem die Gen Z vertraut. Gerade mal 30 Jahre alt ist er. Seine Künstlerinnen und Künstler auch so in die Richtung. Aber jung zu sein, darum geht es gar nicht nur. Es geht darum, dass die Kunst, die Anton Janizewski in seiner Galerie in Berlin zeigt, einen Weltzugang ermöglicht, der für viele Galeriebesucher und Käufer vielleicht neu ist. Wie auf der letzten Ausstellung. Schwarze Leinwände, weiße Schrift darauf gemalt. Schreiend: KINDER MALEN SONNEN WEIL SIE DIE WELT BRENNEN SEHEN WOLLEN. Auf einem anderen steht: KURT COBAIN WAS MURDERED. In der Mitte des Raumes Monobloc-Stühle im Kreis, auf denen Motorrad-Kutten hängen. COMING OF RAGE steht da drauf oder GOD HATES FACTS.
Die Bilder sind von Nicholas Warbu
olas Warburg, Jahrgang 1992. KÖNNEN WIR JETZT ENDLICH WIEDER HOLLYWOODSTARS UMBRINGEN UND DEATH TO PIGS MIT BLUT AN DIE WAND SCHMIEREN? steht auch noch auf einem. Titelbilder heißt die Ausstellung, mittlerweile läuft bei Anton Janizewski schon wieder eine neue. Aber Warburgs Titelbilder sind ganz exemplarisch für die Ausrichtung des Galeristen, dessen Künstlerinnen und Künstler oft mit den Unzumutbarkeiten des Jetzt hantieren. Sich im popkulturellen Kontext bewegen. Die etwas sagen wollen. Oder fragen.Da ist zum Beispiel Rebekka Benzenberg, die Pelze beschriftet oder Jeansstoffe – und damit bestimmte Milieus aufruft, die vergoldete Ecstasy-Pillen in Medusa-Form zeigt, zur tratschenden Frau in der Kunstgeschichte forscht. Zu Karnevalsmasken und Hexenverbrennung. Oder Emma Adler, die sich in ihren Arbeiten oft mit Verschwörungserzählungen auseinandersetzt. Die Kunst, die Janizewski vertritt, müsse gesellschaftlich relevant sein, sagt er. Sie müsse eine Aussage haben. „Einfach nur schöne Kunst interessiert mich nicht so.“Wer ist denn jetzt eigentlich Anton Janizewski? Einer der interessantesten Galeristen in Berlin. Das kann man sicher sagen. Und das hat einmal mit der Auswahl seiner Künstlerinnen und Künstler zu tun, die sehr nah am Trend sind, allerdings ohne belanglos zu sein. Aber auch mit seiner Art, sich selbst nicht zu wichtig nehmend, eher zurück. Nicht mal einen privaten Instagramaccount hat er. Geht lieber ins Eck-Lokal als ins Grill Royal. Und es hat mit seiner Berufsauffassung zu tun. Er wolle eine Plattform für seine Künstlerinnen und Künstler bieten, sagt er im Gespräch zu Zimtschnecken und Kaffee aus der Presskanne. Und den Künstlern für ihre Arbeit alles ermöglichen, darum geht es, sagt er. „Dabei geht es nicht so um mich.“ Und das ist ja eine ganz andere Galeristen-Persönlichkeit als das Klischee, das man im Kopf hat. Mit teurer Uhr und Tesla und großem Blabla. Er spricht eher leise, nicht zu laut, nicht zu schnell, nicht unüberlegt, vorsichtig, aber er entwickelt dabei eine beeindruckende Autorität, weil er sich in der Sache so sicher scheint.Fürsprecher der KunstAnton Janizewski hat in Berlin Kunstgeschichte studiert. Früh Praktika bei verschiedenen großen und kleinen Galerien gemacht. Und durfte dort alles mitmachen: Am Tag war er im Studio mit den Künstlerinnen und Künstlern, am Abend hat er ihre Arbeiten verkauft, zwischendurch bei der Hängung geholfen. Das war seine Ausbildung.2019 hat er seine Berliner Galerie eröffnet, eigentlich vor allem, weil dort etwas frei war, in dem Haus in der Goethestraße 69. Eine Gelegenheit. Und das in Charlottenburg, feine Gegend. Die Kunstkritikerin Ingeborg Wiensowski hat früher in dem Haus mit imposantem Treppenaufgang gewohnt und hier einst wilde Kunstpartys gefeiert. In den ersten Jahren hat Janizewski nebenbei noch bei anderen Galerien gearbeitet. Er kommt nicht aus einem reichen Elternhaus, das ihm die Galerie finanziert hat. Nicht kunstfern, aber auch nicht reich. Auch das ist schon etwas, das ihn unterscheidet. Und seit etwa anderthalb Jahren kann er von der Galerie leben. Ohne Mitarbeiter noch, aber trotzdem.Etwa sechs Ausstellungen macht der junge Galerist im Jahr, plus Performances. Er hat viel Zeit auf Hochschulrundgängen verbracht, dort Künstler angesprochen. Rebekka Benzenberg und Nicholas Warburg hat er so gefunden. Und hat beide aufgebaut. Ganz klassisch. Benzenberg zeigt gerade auf hippen Hauptstadt-Ausstellungen, aber auch im Kunstmuseum Bonn. Sie ist 1990 in Duisburg geboren, studierte an der Akademie in Düsseldorf. Ein wichtiges Thema in ihren Arbeiten ist Macht und Missbrauch. Der Kunstpalast Düsseldorf hat zwei Arbeiten von ihr gekauft und sie hat den Förderpreis der Kunstakademie Düsseldorf bekommen.Janizewski hat so ein interessantes, weil prägnantes Portfolio zusammengestellt. Neben Nicolas Warburg ist auch der Maler Ferdinand Dölberg, Jahrgang 1998, dabei. Im weitesten Sinne geht es bei Dölberg um Fragen zu Identität und Geschlecht. Große Ölbilder. Ganz eigener Stil. Bisschen Sowjet-Kubismus. Bunt. Er bemalt auch schon mal eine Schultafel. Mit Dölberg hat Janizewski 2019 eine erste Ausstellung gemacht, jetzt zeigt der junge Künstler in London oder Peking. Und in der Arte-Mediathek läuft gerade eine Doku über ihn.Und dann gibt es noch Emma Adler, einst Meisterschülerin an der Kunsthochschule Weißensee, sie macht vor allem material- und objektfixierte Skulpturen, die in allen angesagten Off-Space-Galerien gezeigt werden, aber auch in Institutionen wie dem Zeppelin-Museum in Friedrichshafen. Eine Installation aus zusammengehängten Retro-Waschbecken war gerade bei einer Gruppenshow bei OOW Architekten in Berlin zu sehen. Muscheln vielleicht oder weibliche Primärgeschlechtsteile?Auch wichtig in Janizewskis Gang: Olga Hohmann. Sie hat an der Ernst-Busch-Schule Regie studiert. Ist Perfomance-Künstlerin, Autorin, deren viertes Buch In deinem rechten Auge wohnt der Teufel aktuell im Korbinian-Verlag erschienen ist. Im Dezember plant er mit ihr ein paar Dinner-Performances. Vanitas Fair heißt das Format, bei dem Werke aus der Abteilung Third Floor des Auktionshauses Villa Grisebach mit zeitgenössischen Positionen ergänzt und konterkariert werden sollen. Versteigert wird auch.Alle von Janizewski vertretenen Künstlerinnen und Künstler eint ein politisches Interesse. Grob gesagt. Vermutlich typisch für eine jüngere Generation. Zumindest die Selbstverständlichkeit, mit der Themen in der Kunst verhandelt werden. Machtfragen, Identitätsfragen. Popkulturelle Themen, Queerness. Und diese Inhalte sind es, die auch Anton Janizewski in seiner Arbeit interessieren, die ihn für die Arbeit motivieren. Das merkt man, wenn er begeistert von der inhaltlichen Zusammenarbeit berichtet. „Es gibt Künstler, die den Dialog wichtig finden. Andere sind schon komplett fertig mit ihrer Arbeit“, erzählt er. Und wie wichtig es sei, sich wirklich mit deren Arbeit zu befassen: „Es geht immer um die Künstler. Um die Kunst“. Deren Vermittler will er sein, Fürsprecher nennt er das. Und dafür müsse man die Bücher lesen, die die Künstler lesen, deren „Recherchen nachvollziehen, um auf ihrem Wissensstand zu sein“. Caliban und die Hexe von Silvia Federici für Rebekka Benzenberg oder BRD Noir von Frank Witzel und Philipp Felsch für Nicholas Warburg.Käufer zwischen 20 und 70Was er daran mag, Galerist zu sein, sei die Kommunikation auf vielen Ebenen, sagt Janizewski, mit den verschiedensten Menschen. Käufern, Museen, Künstlern, Handwerkern. Sammlern natürlich. Schmunzelnd beschreibt er die verschiedenen Sammlertypen. Ganz genau und mit Respekt. „Aber das nicht in den Artikel schreiben“, bittet er. Dass heute noch Handschlag-Deals im Kunstbusiness gemacht werden, das können wir aber schon schreiben.Die Käuferinnen und Käufer in seiner Galerie sind Mitte 20 bis 70 Jahre alt. Mit leuchtenden Augen berichtet er von den leuchtenden Augen, die manche bekommen, wenn er mit ihnen über die Ausstellungen spricht. „Und es ist wirklich auch toll, etwas zu verkaufen. Die Kunst zu verbreiten.“ Was das Geheimnis beim Kunstverkauf sei, verrät er auch: „Man muss es irgendwie schaffen, die Inhalte des Werks zu vermitteln.“ Kunst verkaufe man in Gesprächen, sagt Janizewski, in denen man die unteren Ebenen des Werks aufblättere. „Das Werk öffnen“, nennt er das. Kunst alleine als Wertanlage zu kaufen, das funktioniere nicht.Aber er habe auch schon etwas verkauft an Menschen, die Interesse an Positionen haben, weil ihr Freund etwas aus der Ausstellung gekauft hat. Hat er auch nichts gegen. „Aber schön wird es, wenn die Leute sich mit der Kunst beschäftigen.“ Den Künstlern schreibt er nach Verkauf ihrer Arbeit sofort eine Nachricht. Und irgendwie wirkt das doch angenehm sympathisch.Jetzt zum Schluss des Gesprächs noch eine kritische Frage: Wie ist denn das eigentlich mit der politischen Kunst heutzutage, verliert die ihr aktivistische Kraft? Das will man ja jetzt von den jungen Leuten schon gern wissen, wie die das sehen. Hat Feminismus noch Wums, wenn er zum Verkaufsschlager wird? Da überlegt Janizewski natürlich erst mal. „Der Verkauf erhöht ja auch die Sichtbarkeit“, sagt er. Und da hat er ja recht. „Selbst wenn etwas im privaten Besitz landet, kann Kunst, die politische Inhalte vermittelt, auch Energie entwickeln.“Und zu Janizewski in die Galerie zu gehen ist nicht nur so schön, weil die Kunst hier und der Galerist noch gar nicht so abgefuckt wirken, eher idealistisch, es ist auch immer so interessant, weil es auch ein Lesen in einer jüngeren Generation ist, zu der man als ein bisschen älterer Mensch vielleicht nicht vollkommen die Verbindung verloren hat, über die man aber hier trotzdem etwas herausfinden kann. Etwa, dass da oft ein angenehmer Humor ist in der Kunst. Zum Beispiel in dem Schiebebild von Ferdinand Dölberg, der hatte in seiner Ausstellung bei Janizewski, die den Titel Am Ende die Leerstelle trug und sich mit dem Sterben, dem Totsein, der Trauer befasste, unter anderem ein zwei Meter mal fast drei Meter großes Bild gezeigt, das aus verschiebbaren Leinwandteilen bestand. Wie ein Kinderpuzzle. Nur schwer zu sagen, ob da irgendwas zusammenpasste.Oder wie bei den Titelbildern von Nicholas Warburg. IM KRIEG UND IM FRIEDEN IST ALLES ERLAUBT steht auf einem weiteren Bild. Das ist doch auch lustig, bei all den Schrecklichkeiten, die uns so blühen.
×
Artikel verschenken
Mit einem Digital-Abo des Freitag können Sie pro Monat fünf Artikel verschenken.
Die Texte sind für die Beschenkten kostenlos.
Mehr Infos erhalten Sie
hier.
Aktuell sind Sie nicht eingeloggt.
Wenn Sie diesen Artikel verschenken wollen, müssen Sie sich entweder einloggen oder ein Digital-Abo abschließen.