Familienrechtsreform: Besser für lesbische Mütter, schlechter für heterosexuelle Paare
Meinung Das Bundesjustizministerium will das Abstammungsrecht neu regeln. Auf dieser Basis soll noch in diesem Halbjahr ein Gesetzentwurf ausgearbeitet werden. Doch wem nützt die Reform und wem nicht? Ein Kommentar
Die Mutterschaft ist geklärt, aber wer wird wohl der zweite Elternteil?
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Angesichts des Eckpunktepapers zum Abstammungsrecht, das am Dienstag vom Bundesjustizministerium veröffentlicht wurde, dürften vielerorts die Sektkorken knallen.
Ein Grund für den Sekt könnte die Angleichung der Rechte lesbischer Paare an das Recht des verheirateten Vaters sein: Sind zwei Frauen miteinander verheiratet und wird eine der beiden schwanger, wird dem Kind nun automatisch die Ehepartnerin als zweiter Elternteil zugewiesen – so wie auch der Ehemann einer schwangeren Frau in Deutschland die zweite Elternposition einnimmt.
Auch jenseits der Ehe kann die Partnerin der Mutter, mit deren Zustimmung, künftig die Mutterschaft anerkennen können. Für die Gleichstellung lesbischer Ehefrauen bei der Eltern-Kind-Zuordnung war im Rahmen der Noadoption I
der Noadoption Initiative lange gekämpft worden. Bislang war es der Partnerin der Geburtsmutter lediglich über eine Adoption des Kindes möglich, den rechtlichen Mutterstatus zu erlangen. Das Adoptionsverfahren wiederum war zeit- und kostenintensiv und mit rechtlichen Unsicherheiten verbunden, da dies eine Eignungsprüfung im privaten Umfeld der Mutter voraussetzte. Zu Recht kann man hier von einer Diskriminierung der Mitmütter gegenüber Vätern sprechen.Irritierend ist dennoch für viele der bloße Fakt, dass das Abstammungsrecht entlang politischer Kriterien variabel ist. Grund dafür ist die falsche, aber dennoch weit verbreitete Annahme, die Abstammung von Kindern würde über das Biologische begründet. Eine Annahme, die auch aus einer historischen Perspektive grundsätzlich falsch ist. Denn die erste Elternposition, die der Mutter, begründet sich zwar über die Geburt. Diese muss aber nicht unbedingt mit der genetischen Abstammung des Kindes übereinstimmen. So zum Beispiel, wenn die Eizelle von einer anderen Person stammt. Begründet wird die Mutterschaft also über die soziale Bindung, die während der Schwangerschaft zwischen Gebärender und dem Kind entsteht. Weiterhin bleibt der erste Elternteil durch die Gebärende belegt – auch wenn die FDP im Zuge ihrer Forderungen nach einer altruistischen Leihmutterschaft hier Reformbedarf sieht.Veränderung der VaterschaftDie Zuordnung des zweiten Elternteils ist historisch ein Zankapfel. Aus gutem Grund: Die Biologie spielte seit jeher und bis zum Eckpunktepapier aus dem Hause des Bundesjustizministers eine nachrangige Rolle. Vater eines Kindes ist der Mann, der zum Zeitpunkt der Geburt des Kindes mit der Mutter des Kindes verheiratet ist, der die Vaterschaft mit Zustimmung der Mutter anerkannt hat oder dessen Vaterschaft gerichtlich festgestellt wurde.Vorschläge zur Reform des Abstammungsrechts betreffen die Frage, wer die zweite Elternposition einnimmt. Denn neben der Gleichstellung lesbischer Mütter sieht das Eckpunktepapier auch eine Veränderung bei der Frage der Vaterschaftszuordnung vor.Ist ein Mann verheiratet, galt bislang seine Einwilligung in die Ehe als Verantwortungsübernahme für alle Kinder, die seine Frau während der Ehe gebiert.Die Position des Erzeugers gegenüber dem Vater stärkenHier sieht das Eckpunktepapier drastische Veränderungen vor, die insbesondere die Rechte des Kindeserzeugers gegenüber dem Kindsvater und der Mutter stärkt. Wer glaubt, ein Kind gezeugt zu haben, soll die Vaterschaft eines anderen Mannes künftig selbst dann anfechten können, wenn eine sozial-familiäre Beziehung des Kindes zu seinem Vater besteht. Neben der offenen Frage, wie die Gerichte entscheiden, wenn die zweite Elternstelle durch eine Frau belegt ist, werden hier intakte Familienverhältnisse zugunsten von Besitzansprüchen gefährdet, die auf nichts anderem als der Biologie zu begründen sind. Ein klares DON'T im bisherigen Familienrecht.Das Eckpunktepapier möchte darüber hinaus die Rechte des Erzeugers gegenüber sozial familiären Beziehungen durch kleinteiligere Regelungen stärken. So soll im Zuge von Gerichtsverfahren, in denen anhand biologischer Kriterien eine Vaterschaft festgestellt wird, künftig keine andere Person die zweite Elternstelle für das Kind einnehmen dürfen. Über die Frage, ob es zur Anerkennung eines Kindes weiterhin die Zustimmung der Mutter braucht, macht das Eckpunktepapier keine Aussagen. Zu befürchten ist aber, dass sich über die Stärkung der Rechte des Erzeugers gegenüber den Eltern das Vetorecht der Mutter unterwandert wird.Insgesamt wird die Ehe als primärer Bezugsrahmen der Eltern-Kind-Zuordnung geschwächt. So kann im Zuge einer Dreierkonstellation zukünftig die Anerkennung des zweiten Elternteils auch dann außerhalb der Ehe vorgenommen werden, wenn die gebärende Kindsmutter verheiratet bleibt. Sprich: Eine verheiratete Frau, die in einer intakten Ehe ein Kind mit einem anderen Mann zeugt, kann diesem die Vaterschaft übertragen, ohne eine Scheidung einreichen zu müssen. Dafür müssen aber nun alle drei Parteien, also die Mutter, der Ehepartner oder die Ehepartner*in sowie der Erzeuger zustimmen. Der Erzeuger soll dabei die Vaterschaft bis spätestens acht Wochen nach der Geburt des Kindes anerkennen können, ohne dass ein Anfechtungsverfahren durchzuführen ist.Das Kind soll wissen, von wem es gezeugt wurdeDarüber hinaus sollen mit der Einführung sogenannter „Elternschaftsvereinbarungen“ bereits vor der Zeugung eines Kindes die zweite Elternstelle festgelegt werden können. Relevant sind solche Vereinbarungen etwa in Fällen privater Samenspenden, wenn der Samenspender keine Verantwortung für das Kind übernehmen und diese direkt an den zweiten Elternteil abgeben möchte. Um das Recht des Kindes auf Kenntnis der Abstammung zu stärken, soll das Samenspenderregister zu einem allgemeinen Spenderdatenregister erweitert werden, das auch Altfälle, Embryonenspenden und private Samenspenden erfasst. Das Kind soll zukünftig durch einen gerichtlichen Beschluss feststellen lassen können, von wem es gezeugt wurde – ohne dass sich zugleich die rechtliche Elternschaft ändert.Jedoch bleibt das Zwei-Elternprinzip von den Reformvorschlägen im Eckpunktepapier unberührt. Auch wenn mehr als zwei Erwachsene de facto Elternpositionen einnehmen, wie es in Patchworkfamilien ja häufig der Fall ist. Dennoch können zwei weitere Erwachsene von den Eltern bestimmt werden und ihnen sorgerechtliche Befugnisse, wie etwa dem Kind eine Entschuldigung für die Schule zu schreiben, übertragen werden. Neben der Stiefelternschaft ist diese Regelung relevant, wenn sich ein lesbisches Paar mit einem schwulen Paar zusammentut, um eine Familie zu gründen, die rechtliche Elternschaft aber lediglich die Geburtsmutter und der an Zeugung beteiligte Vater erhalten.Unterm Strich werden die Sektkorken also nicht in allen Haushalten knallen. Während der Sekt in lesbischen Haushalten in Litern fließen dürfte, weil für sie der Ehestatus nun endlich auch eine Eltern-Kind-Zuordnung begründet, müssen heterosexuelle Paare um diesen Status bangen, weil die Vaterrechtsbewegung mit der FDP einen streitbaren Vertreter in der Regierung gefunden hat. Für andere wiederum wird sich nichts ändern. Es wird weiterhin keine Zweivaterfamilien geben, weil der Gebärenden weiterhin die erste Elternstelle, die der Mutter, zugeschrieben wird und sich auch nach wie vor trans*, inter* und nicht-binäre Gebärende mit der Position der ersten Elternstelle als Mutter abfinden müssen.
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