Gewichtige Leut

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Dieser Blogeintrag korrespondiert mit dem Blogeintrag von H. Yuren

Gewichtige Leut

Jedes Jahr im Frühjahr werden wir überschwemmt mit Werbung jener Art, die uns mit Leichtigkeit eine Reduzierung unseres Körpergewichts verspricht. Slogans wie "10 kilo weniger in 2 Wochen" oder "8 cm weniger Bauchumfang - ganz leicht" versprechen den unkomplizierten Weg zur Bikinifigur und führen doch letztendlich nur in ein Abo der unzähligen Fitnessstudios. Zeitschriften können Seiten mit Diättipps füllen und die Politik über die adipösen Menschen schimpfen, um danach das Alltagsgeschäft fortzusetzen. Große Lebensmittelkonzerne können weiter das Geschäft der Konsumententäuschung betreiben und sind in ihrem Streben nach Profit schwer zu bremsen. Nur der futternde Mensch ist ein guter Mensch. Widersprechende Theorien und Leitlinien der Ernährungslehrer sind Bestandteile des "gordisch-oecotrophologischen Knotens". Zurück bleiben unzählige, verunsicherte Menschen, die sich letztendlich nach dem richten, was Werbung vorgibt, leider. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung ist auch nicht hilfreich. Ihr Postulat von der vollwertigen und ausgewogenen Ernährung ist Ausdruck eigener Konfusion.

H. Yuren hat in seinem Blogbeitrag auf den historisch-sozialen Aspekt zu dieser Problematik hingewiesen. Dabei möchte ich deutlich unterstreichen, dass das Nichtwissen über die Zusammenhänge bei der Ernährung die wichtigste Ursache bei übergewichtigen Menschen spielt. Nur Wissen "kann" zu anderen Handlungsweisen bei der Ernährung führen.

Mir geht es in den folgenden Sätzen darum, einmal über bestimmte Deutungsmuster nachzudenken, zu hinterfragen, kann das so richtig sein? Ein kurzes Beispiel möchte ich anführen. Viele Ernährungslehrer und Köche benutzen die Begriffe rotes und weißes Fleisch. Es kann mal jeder zum Metzger/Fleischer gehen und weißes Fleisch einkaufen. Das, was gekauft wird ist jedenfalls rot und sind Tiermuskeln. Alles andere sind fertige Braten, Weißwürste etc.. Rotes Fleisch wird nach thermischer Einwirkung dunkel oder hell.

Bei der wichtigsten Komponente der Ursachen für Übergewicht, der Regulation des Blutzuckers verhält es sich ähnlich bei den Erklärungsmustern. Allgemein bekannt ist noch, dass Insulin, ein körpereigenes Hormon, den Blutzuckerspiegel senkt. Das nächste logisch-physiologische Kettenglied wird übersprungen und es folgt die Erklärung, dass der Blutzucker zu Fett umgewandelt und für schlechte Zeiten gespeichert wird. Blutzucker ist der Energielieferant im menschlichen Körper. Also warum sollte Energie in Fett umgewandelt werden, wenn die Energie doch irgenwann benötigt wird? Dann könnte der Blutzucker doch im Blutkreislauf bis zu seiner Verwendung verbleiben. Insulin fungiert als erste Schutzstufe der roten Blutkörperchen vor Wasserverlust. Wird der Blutzuckerspiegel zu hoch, tritt der Effekt ein, den man bei einer Kirsche in Zuckerwasser beobachten kann, sie "schrumpelt" durch Flüssigkeitsentzug. Es kommt zu einer Beeinträchtigung der Funktionalität der roten Blutkörperchen. Das muss der menschliche Körper verhindern. Ab einem bestimmten Blutzuckerwert wird Blutzucker zu Fett umgebaut und in das entsprechende Fettgewebe als Fett eingelagert. Beim Mann bevorzugt im Unterhautbereich des Bauchs, bei der Frau mehr im Gesäßbereich. Es ist also so, dass die Fettgewebebildung zuerst dem Schutz der Blutkörperchen dient und nicht der Bildung von Reserven. In der Weltliteratur gibt es ein schönes Beispiel, wie ein dicker Mensch eben nicht von seinen Reserven leben kann. Ich verweise hier auf die Figur des Baloun in Hašeks Roman "Die Abenteuer des braven Soldaten Schwejk". Und es sind hagere Menschen, die Rekorde im Fasten nachweisen. Die ultima ratio des menschlichen Körpers vor einem zu hohen Blutzuckerspiegel ist das Öffnen der entsprechenden Schleusen in den Nieren. Das Ergebnis: Zucker im Urin, Diabetes mellitus. Das bisher Genannte in Bezug auf den Blutzuckerspiegel beschreibt nur einen kleinen Ausschnitt aus den komplexen Vörgängen in unserem Körper. Es soll einfach nur verdeutlichen, dass es ein "Einfach" bei der Gewichtsreduktion nicht gibt. Je besser ich die Zusammenhänge begreife, um so erfolgreicher kann ich Ziele umsetzen.

Jetzt kann jeder einmal über die Erklärung nachdenken, dass ein leerer Magen Hunger erzeugt und ein voller Magen das Hungergefühl stoppt. Ich kenne andere Zustände. Nur ich?

Warum das Geschriebene, dass doch eigentlich nicht ausreichend ist, hier in diesem Blog? Ich möchte jeden bitten, öfter und intensiver über das nachzudenken, was er an Nahrung zu sich nimmt. All zu oft ist die versprochene Wirkung nicht die wirkliche Wirkung, entsprechend dem Leitsatz: Der Mensch ist, was er isst. Falsches Ernährungsverhalten ist bedingt durch Nichtwissen und Desinformation.

Persönliche Bemerkung

Vor ca. 3 Jahren habe ich ausprobiert, wie man in relativ kurzer Zeit sein Gewicht enorm reduzieren kann. Es bringt nicht viel, weil die über die Jahre vergrößerte Haut nicht mitspielt. Es sind die eigentlichen Hautzellen, die sich verkleinern müssen und es ist das restliche Fettgewebe, dass sich noch unter der Haut befindet und das Aussehen verschlimmert. Abnehmen kann nur in langfristigen Stufen erfolgen. Fettgewebe ist lebendiges Gewebe, und es sträubt sich vor "Vernichtung". Von wegen von BMI 23 schnell mal zur Bikinifigur. Wenn, dann richtig mit langfristiger Ernährungumstellung.

Zum Schluss die Frage: Was steckt hinter dem Begriff Wohlfühlgewicht?

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

luggi

Ein Veggie, der gern Fleischtomaten futtert.Vermeidet Ärztehopping durch gesunde Ernährung.

luggi

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