Beim umstrittenen Handel mit Erdgas hatte es gerade Zeichen der Entspannung zwischen Brüssel und Moskau gegeben. Die EU-Kommission konnte dem Monopolisten Gazprom eine Zusage abringen: den Widerstand gegen einen Weiterverkauf von russischem Erdgas durch Dritte aufzugeben. Zugleich wollte sich der Konzern auf eine Preisbindung einlassen und von Preisdiktaten gegenüber Abnehmern aus Osteuropa absehen. Im Gegenzug konzedierte Brüssel, dass die Kapazitäten der bereits vorhandenen Ostsee-Trasse Nord Stream 1 so weit ausgeschöpft werden, wie sich das aus der jeweiligen Nachfrage in Europa ergibt. Ein sinnvoller Kompromiss, weil klassisches Junktim.
Was davon nach den vom US-Kongress beschlossenen und von Präsident Trump dekretierten Russland-Sanktionen noch Bestand h
Bestand hat, bleibt abzuwarten. Jedenfalls hat sich die EU-Kommission in der Person ihres Präsidenten Jean-Claude Juncker bemerkenswert energisch dagegen verwahrt, dass über Energievorsorge und -sicherheit einer Mehrheit von EU-Staaten in Washington entschieden wird. Man sollte ergänzen, ebenso wenig kann das in Warschau, Talinn oder sonst wo in Osteuropa der Fall sein. Polen und die baltischen Staaten mögen Einsprüche formulieren gegen die Ostseetrasse Nord Stream 2, um Interessen geltend zu machen und sich den Amerikanern anzudienen. Eine sich darauf gründende Vetomacht gegen deutsch-russische wie europäische-russische Kooperationen haben sie nicht.Sollte es anders sein, wären die Adressaten ohnehin nicht allein die Regierung in Berlin oder die EU-Zentrale in Brüssel, sondern Hochkaräter der Energiebranche wie Uniper, Wintershall, OMV, Royal Dutch Shell und der französische ENGIE-Konzern, die sich bei den Gesamtkosten für Nord Stream 2 von 9,5 Milliarden Euro mit 50 Prozent – also mit 4,75 Milliarden Euro – exponiert haben. Diese Unternehmen sind auch gemeint, wenn es unter Passus 232 des US-Sanktionsverdikts heißt, wer mit Investitionen von mehr als einer Million Dollar Russland beim Bau von Pipelines unterstütze, müsse mit Strafen rechnen. Aber welchen? Vor US-Gerichten werden sich die Konzerne kaum verantworten müssen, schon gar nicht Subunternehmer wie Materiallieferanten und Baudienstleister. Freilich sind für die Großen wie Uniper & Co. Störmanöver bei US-Geschäften denkbar. Das Repertoire reicht von verwehrten Krediten bis zum verweigerten Marktzugang. Die Folie dafür liefert die Embargomanie, wie sie US-Regierungen seit Mitte der 1990er mit dem Helms-Burton-Gesetz ausleben konnten. Es erlaubte, Firmen aus Drittstaaten zu reglementieren, wenn sie Geschäftskontakte mit Kuba unterhielten. Der Rückgriff auf diese Praxis offenbart die konfrontative Obsession, die den US-Kongress und in dessen Sog die Trump-Regierung antreibt, um Russland – und die EU – zu treffen. Es zeigt sich erneut, wie integrative Normalität im transatlantischen Verhältnis zusehends schwindet.Historischer GlücksfallWar die missionarische Hybris des republikanischen Präsidenten George W. Bush noch von der Überzeugung getragen, der Gebrauch amerikanischer Macht sei nicht nur gut für sein Land, sondern auch für die Welt, definiert Donald Trump amerikanische Interessen eng nationalistisch. Der Ausstieg aus dem Pariser Klimavertrag zeigt, welche Konsequenzen das hat. Der Präsident glaubt sich diese Alleingänge schuldig, um seine Anhänger zu bedienen und der Aura des Provokateurs zu genügen. Seinen Machtinstinkt solle Amerika als einen historischen Glücksfall empfinden.Peinlich nur, wie dieser Instinkt ausgerechnet in der Russland-Politik außer Dienst gestellt ist. Repräsentantenhaus und Senat haben mit ihrer Sanktionsorder das Weiße Haus disziplinieren wollen und genau das erreicht. Trump blieb keine andere Wahl, als das Gesetz zu unterschreiben. Ein Veto hätte ihn mehr denn je dem schwelenden Verdacht ausgesetzt, auf eine „Special Relationship“ mit Wladimir Putin bedacht zu sein. Der allerdings scheint darauf keinen Wert mehr zu legen. Warum sonst wurde in Moskau mit der Ausweisung von US-Diplomaten harsch und entschieden auf die Sanktionen reagiert?Noch klammern sich die EU, die deutsche Regierung wie die Nord-Stream-2-Investoren an die Aussage im US-Sanktionsdekret, alle in Frage kommenden Maßnahmen würden mit den Verbündeten abgestimmt. Bis zum Beweis des Gegenteils dürfen die EU-Staaten annehmen, damit gemeint zu sein. Doch wären sie gut beraten, nicht darauf zu vertrauen, dass die USA demnächst von multilateralen Einsichten übermannt werden und sich als berechenbarer Partner empfehlen. Für die Dauer der Amtszeit von Donald Trump lassen sich solche Erwartungen getrost in einem schwarzen Trichter entsorgen. In Washington bürgen dafür Exekutive wie Legislative gleichermaßen.Placeholder link-1