Schneller als gedacht wird das deutsche Bekenntnis zu Griechenlands Verbleib in der Eurozone politisch ausgepreist. Der Fall der Großschuldners verweist auf die Notwendigkeit einer Fiskalunion – Finanzminister Schäuble auf deren mögliche Hierarchien. Wenn er dem EU-Währungskommissar und damit der EU-Kommission in Gänze ein haushaltspolitisches Interventionsrecht gegenüber jedem Eurostaat einräumen will, hat man es mit dem zu tun, was gewöhnlich als „klare Ansage“ gilt: Die Fiskalunion soll ohne Souveränitätsverzicht der beteiligten Staaten nicht zu haben sein. So jedenfalls die deutsche Position. Und die hat bekanntlich Gewicht beim Euro-Krisenmanagement. Sollte passieren, was Schäuble vorschwebt, würde die Integration der Europartner gehörig Fahrt aufnehmen. Fragt sich nur, unter welchen Vorzeichen und mit welchem Ziel? Nationale Parlamente wären zu Statisten degradiert und dürften ihr Haushaltrecht bestenfalls im Schrein für historische Relikte bewundern.
Ohne Berufungsinstanz
Es geht nicht allein darum, dass EU-Instanzen ein Vetorecht bei Staatshaushalten, also der nationalen Finanzpolitik zugestanden wird. Die Frage lautet, was wird – was will diese Brüsseler Oberaufsicht mit solchen Interventionen bewirken? Wird die Euro-Stabilisierung weiter so betrieben wie bisher, setzt sich der oligarchische Staatsstreich gegen die sozialen Besitzstände der Völker in der Eurozone fort. Steuerrecht, Haushaltsplanung und Haushaltrecht werden mehr denn je in die Hände von Bürokraten gelegt, die sich an die Interessen der Gläubigerkartelle halten. Und das sind vorzugsweise Banken- und Banken-Kartelle. Wir hätten eine Gratwanderung zwischen Fiskalregime und Fiskalautokratie im Namen des Euro und der Euro-Rettung. Es entfiele die Berufungsinstanz für die Bevölkerung in den Euro-Staaten, die unter der Sparfuchtel zu leiden haben. An wen sollen sie sich wenden? Ihre Regierungen und Parlamente können sich auf das möglich Veto aus Brüssel berufen und kommen als Klagemauer nicht mehr in Betracht.
Es ist doch höchst aufschlussreich, dass Schäuble die Disziplinierung von Staaten vorantreiben will, während die Disziplinierung von Banken zeitlich weiter gestreckt wird. Erst hieß es aus dem Mund von EZB-Präsident Mario Draghi, man werde 2013 auf jeden Fall der Bankenunion und somit europäischen Bankenkontrolle nähertreten. Inzwischen kommt aus gleicher Quelle der Bescheid, frühestens (!) 2014 könne damit gerechnet werden. Also die Staaten und deren soziale Verantwortung an die Kandare nehmen, aber den Banken bei Risikotransaktionen weiter freie Hand lassen. Auch die ab Januar 2013 in Teilen umgesetzten Auflagen von „Basel III“ werden daran zunächst nicht ändern, gelten sie doch einer aufgestockten Eigenkapitalvorsorge, nicht jedoch der Legitimation von Eingriffen in die Geschäftspolitik von Geldhäusern.
Sicher, vorerst werden Schäubles Ideen Widerspruch, Abwehr und den Hinweis ernten, sie seien für die Euro-Staaten nicht verfassungskonform. Aber was ist zuletzt – zum Wohle des Euro – nicht schon alles an geltendem Verfassungsrecht vorbei lanciert worden? Der jüngste Beschluss des Bundesverfassungsgerichts zum Europäischen Stabilitätsmechanismus und zum Fiskalpakt spricht Bände. Aber es ist letzten Endes sekundär, ob Schäuble den EU-Währungskommissar als obersten Sparpatron der Gemeinschaft in Stellung. Worauf es aus deutscher Sicht offenbar ankommt, dass alle Partner wissen, wie die Fiskalunion gedacht ist. Der Minister hat seinen Vorstoß gewiss nicht zufällig kurz vor dem nächsten EU-Gipfel unter die Leute gebracht.
Kommentare 4
Richtig erkannt! Der Sozialstaat soll, wo er denn noch vorhanden ist, weiter abgebaut werden während die Banken mit weiteren Milliardenhilfen rechnen dürfen! Das ist die neue europäische Demokratie a la Merkel (Schäuble wird das nicht ohne ihr Wissen gesagt haben).
"Die Frage lautet, was wird – was will diese Brüsseler Oberaufsicht mit solchen Interventionen bewirken?" Finanzminister Schäuble wird sie mit dem Hinweis auf demokratisch beschlossene Änderungen der Artikel 109,115 und 143d (n.F. ab 01.08.2009) des Grundgesetzes beantworten. Danach wird im Rahmen des Stabilitäts-und Wachstumspakts auch der Haushalt des Bundes und der der Länder nicht nur überwacht. Ein Stabilitätsrat ist berechtigt, Bund und Ländern Sanierungsmaßnahmen zu beauflagen, in deren Haushalte und Haushaltsdurchführung einzugreifen. wenn der Abbau von Finanzierungsdefiziten nicht gesetzlichen Bestimmungen entspricht.
Eine Art "Oberaufseher" über Parlament(e) und Regierung(en). Freilich nicht mit der Bezeichnung "Kommissar".
Die Frage lautet also nicht: "Fiskalunion oder -autokratie?", sondern, warum diese Frage gestellt wird trotz demokratisch beschlossener Bestimmungen (GG-Änderungen) und warum es für wem wichtig sei, zwischen den beliebig zu verstehenden Bezeichnungen "Fiskalunion" - "Fiskalautokratie" entscheiden zu können.
So müssen wir es machen, auch mit Schäuble. Ausgerechnet die Schwaben zeigen wie es geht:
http://cams21.de/12-10-12-angela-merkel-in-stuttgart/
Sie haben Turner (OB Kanditat für Stuttgart), sowie Merkel radikal ausgebuht und als "Lügenpack" beschimpft.
Merkel hat versucht dem neoliberalen Turner, einer der treibenden Kräfte hinter der INSM (Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft, ein Lobbyverband der AG Gesamtmetall
http://de.wikipedia.org/wiki/Initiative_Neue_Soziale_Marktwirtschaft
) den Rücken zu stärken.
Hier sein Werdegang:
http://www.lobbypedia.de/index.php/Sebastian_Turner
So ist sie die Merkel, noch neulich wollte sie die
http://www.news.de/wirtschaft/762582993/merkel-will-soziale-marktwirtschaft-exportieren/1/
heute macht sie es mit G und Co wahr. Natürlich meinte sie nicht unsere Aufassung davon, sondern die der INSM ;-)
Wir sind nur drauf reingefallen.
Die Frage im Titel erübrigt sich eigentlich
Worauf es hinausläuft, zeigt uns der jüngere Verlauf der EU-Politik:
In Griechenland läßt man wählen, bis eine willfährige Regierung entsteht, in Italien regiert ein Kabinett aus "eingesetzten" Experten ...