Die Bundesregierung wird von ihrem eigenen Zweckoptimismus bloß gestellt. Und das nicht zu Unrecht. Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel muss die Wachstumsprognose für 2014 und das nächste Jahr deutlich nach unten korrigieren – ja fast halbieren, geht man vom ursprünglich kalkulierten Zuwachs um die zwei Prozent aus.
Das ist nicht nur – aber eben auch – das Ergebnis einer priesterlichen Versessenheit auf Haushaltssanierung und limitierte Staatsausgaben, die inzwischen fernab jeder ökonomischen Rationalität wie ein religiöses Dogma behandelt werden. Damit wird auf den Index gesetzt, was der Kapitalismus braucht wie die Kirche Psalm und Weihrauch – den Konjunkturmotor Staat mit seiner finanziellen Potenz und unternehmerfreundlichen Erbötigkeit. Diesen Motor abzuschalten, birgt Risiken. Sie werden zu Gefahren, wenn – wie im Augenblick – eine Rezession heraufzieht.
Wo, wie und wann?
Kanzlerin Merkel, Finanzminister Schäuble und mit Abstrichen auch der sozialdemokratische Wirtschaftsminister haben nicht nur geschwärmt, die schwarze Null bei der Neuverschuldung lasse die anderen Euroländer vor Neid erblassen – sie haben zudem versprochen, dadurch würden zugleich Konjunktureffekte ausgelöst. Wo, wie und wann sind die eingetreten?
Die Investitionstätigkeit der Unternehmen bleibt schlaff und zurückhaltend, als sollte die Botschaft vermittelt werden: Wenn sich der Staat zu keiner konjunkturellen Eigenleistung aufrafft, warum dann wir? Das Institut der deutschen Wirtschaft Köln vermerkt bei seiner Herbstanalyse in vornehmer Umschreibung: „Die anhaltende Schwäche bei den Investitionen in Maschinen und Geräte verweist auf eine deutlich eingetrübte Neigung zur Kapitalbildung in Deutschland.“
"Eingetrübt" heißt, nicht zu größerem Tatendrang animiert. Eine solch mobilisierende Wirkung bleibt der ausgelaugte Staatshaushalt ebenso schuldig wie die Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) mit einem bis auf die Nullmarke gesenkten Leitzins (derzeit 0,05 Prozent). Dieser Kurs hat zwar Kredite verbilligt, doch daraus nicht wie erhofft Investitionen werden lassen.
Das bleibt seit mehr als zwei Jahren eine vergebliche Hoffnung, denn solange schon treibt EZB-Präsident Marion Draghi die Zinsen nach unten und hat inzwischen einen toten Punkt erreicht, von dem kein konjunkturelles Leben ausgeht.
Stattdessen wird wieder einmal die Spekulation angeheizt. Anleger gehen an den Kapitalmärkten wegen der geringen Renditeerwartungen immer höhere Risiken ein, das treibt die Aktienkurse nach oben, weil sich darin die Erwartungen spiegeln, die freilich nicht zu halten sind, wie die Kursverluste an den Börsen während der vergangenen Tage deutlich zeigen. Das billige Geld bringt allein und wieder einmal vor allem die Immobilien-Spekulation auf Trab. Die Banken dürfen sich jetzt schon darauf einstellen, en masse über faule Kredite zu verfügen, wenn sich die Geldschwemme wieder legt. Und dies wird garantiert geschehen, weil der Deflationstrend der zurückliegenden Monate alles andere als eine Verheißung für das produzierende Gewerbe und seine Gewinnbedürfnisse ist.
Hinterher sparen
Und noch eines steht hinter Sigmar Gabriels Zahlen, angesichts einer stagnierenden Weltwirtschaft bleiben die deutschen Außenhandelsperspektiven für den Rest des Jahres und für 2015 gleichfalls moderat bis mau. Bislang sorgt der Konsum auf dem Binnenmarkt für einen gewissen Ausgleich, doch sollte sich die Rezessionstendenz verstärken und von den meisten Euroländern endgültig auf Deutschland übergreifen, wird es auch damit vorbei sein.
Der stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Carsten Schneider hat bereits einen kurzfristig zu vereinbarenden Nachtragshaushalt für 2015 ins Gespräch gebracht. Es klingt fast wie ein Schwur, wenn er meint. „Was wir auf keinen Fall machen werden, ist, dem Abschwung hinterher zu sparen, und so die Lage noch zu verschlimmern.“
Eine Verunsicherung der Verbraucher vor Weihnachen wäre alles andere als günstig. Doch die heute von Sigmar Gabriel vorgelegten Zahlen lassen annehmen, dass es genau dazu kommt. Der Arbeitsmarkt im Winter hat seine Tücken.
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