Go and stop

USA/Afghanistan Donald Trump sagt die Verhandlungen mit den Taliban vorerst ab, obwohl ein Abschluss in Sicht war. Seine auf Effekte bedachte Außenpolitik stößt einmal mehr an Grenzen
Ausgabe 36/2019
Taliban-Kämpfer beim Nachladen eines Raketenwerfers im Afghanistankrieg 1996
Taliban-Kämpfer beim Nachladen eines Raketenwerfers im Afghanistankrieg 1996

Foto: Emmanuel Dunand/AFP/Getty Images

Die Taliban sind Überzeugungstäter, seit jeher fühlen sie sich dazu berufen, in ihrem Land ein Kalifat, sprich: einen Gottesstaat, zu errichten, um einer religiösen Mission zu genügen. Sie werden danach streben als Untergrundkämpfer wie als Unterhändler, als designierte wie direkte Regierungspartner. Sie stehen seit mehr als 40 Jahren in einem Guerilla-Krieg gegen das Militärrepertoire von Weltmächten. Den können sie so wenig gewinnen wie verlieren, aber stets von Neuem führen und führen können als Vollstrecker des selbst auferlegten Mandats.

Das sollte wissen, wer mit ihnen verhandelt, wie das die US-Regierung seit Monaten im Golfstaat Katar tut. Das Ergebnis sollte ein Vertragsfrieden sein, den man treffender hätte Waffenstillstand nennen müssen. Dabei war von vornherein klar, dass den die Taliban nur einhalten würden, wenn ihnen das nützlich erschien oder die Stärke der Gegner sie dazu zwingen sollte. Nur wer wird das künftig sein, sollte sich die US-Armee schrittweise zurückziehen, wie das Donald Trump bis vor Kurzem vorschwebte? Ihn nun aber nicht nur zaudern, sondern die Notbremse ziehen und die Verhandlungen bis auf weiteres stornieren lässt.

Es war nur eine Frage der Zeit, dass sich der US-Präsident der Risiken eines Agreements mit den Taliban bewusst werden musste, bei dem als Gegenleistung für eine Feuerpause und die klare Distanzierung der Aufständischen von al-Qaida und dem Islamischen Staat (IS) das US-Korps von derzeit 14.000 Soldaten merklich reduziert werden sollte. Natürlich schien die Aussicht für Trump verlockend, auf der Schwelle zum Wahljahr 2020 den Einstieg zum Ausstieg der USA aus einem Krieg zu verkünden, der im Oktober 18 Jahre alt wird. Kein Waffengang, zu dem man seit 1945 antrat, dauerte länger und kostete mehr – bisher über 1.000 Milliarden Dollar. Trump wollte wenigstens einen Teil der Soldaten endlich nach Hause holen, zumal seit geraumer Zeit kein Monat mehr vergeht, ohne dass die US-Armee Todesopfer zu beklagen hat.

War es das wert, dürfte Trump nun gefragt worden sein, falls dank seines Deals demnächst die Taliban mit oder allein regieren. Man denke an den September 1996, als sie Kabul eroberten. Diesem Vormarsch gingen ein Bürgerkrieg und der Versuch eines Vertragsfriedens voraus, den im April 1988 die damalige Besatzungsmacht Sowjetunion zu finden suchte, um ihre Truppen abziehen zu können. Was seinerzeit fehlte (und woran sich bis heute nichts geändert hat), ist innerer Frieden, die Bereitschaft der Konfliktparteien, auf die vereinnahmende, zerstörerische Ambition im Umgang miteinander zu verzichten. Lange genug waren die USA am Hindukusch selbst davon beseelt – als Gewalt- statt Friedensstifter, wovon sich die Taliban im Willen und Weg zur Macht stets bestätigt sahen. Dass sie auch während der jetzigen Verhandlungen weiter Attentate verübten und sich dazu bekannten, ist dafür Indiz genug.

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Geschrieben von

Lutz Herden

Redakteur „Politik“, zuständig für „Ausland“ und „Zeitgeschichte“

Lutz Herden studierte nach einem Volontariat beim Studio Halle bis Ende der 1970er Jahre Journalistik in Leipzig, war dann Redakteur und Auslandskorrespondent des Deutschen Fernsehfunks (DFF) in Berlin, moderierte das Nachrichtenjournal „AK zwo“ und wurde 1990/91 zum Hauptabteilungsleiter Nachrichten/Journale berufen. Nach Anstellungen beim damaligen ORB in Babelsberg und dem Sender Vox in Köln kam er Mitte 1994 als Auslandsredakteur zum Freitag. Dort arbeitete es von 1996 bis 2008 als Redaktionsleiter Politik, war dann bis 2010 Ressortleiter und danach als Redakteur für den Auslandsteil und die Zeitgeschichte verantwortlich.

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