Die Qualitätsblockierer

Öffentlich-Rechtliche »Tatort«: Anstalts-Hinterzimmer. Tatwaffen: Parteiproporz, Konsens-Dogma, fragwürdige Quoten. Die Öffentlich-Rechtlichen hängen qualitätstechnisch am Tropf.

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Preisgekrönte Serien wie »Game of Thrones«: Für das Publikum von ARD und ZDF unerreichbare Perlen.

Soll man sich über öffentlich-rechtliches Fernsehen »made in Germany« (noch) ärgern? Einerseits wird der Ärger immer vernehmlicher zum Ausdruck gebracht. Programmkritische Publikationen füllen mittlerweile Buchregale. Ein Beispiel von vielen: die im Sommer erschienene Schmähschrift I Have A Stream von Berthold Seliger. Ein anderer Ausdruck aktiven Zuschauerverdrusses sind die zahlreichen Beschwerden im Zug der – stark als einseitig und parteiisch empfundenen – Ukraine- und Griechenland-Berichterstattung. Eine Zustandsbeschreibung, der sich 2014 sogar der ARD-Programmrat anschließen mußte. Darüber hinaus stehen ARD und ZDF vor allem wegen ihrer biedermeierlichen, risikoscheuen sowie auf fragwürdige Quoten und ein entsprechend überaltertes Stammpublikum fokussierten Kultur- und Unterhaltungs-Grundversorgung unter Dauer-Kritik. Neue Entwicklungen, so die Anwürfe, gingen an den Fernsehmachern nicht nur vorbei. Teilweise würden wegbereitende Impulse seitens der Anstalten aktiv blockiert, abgewürgt und auf bürokratische Weise abgemeiert.

Fernsehen als Zuschauerabschottung, als mediale Käseglocke? Speziell die Lage an der Unterhaltungsfront lässt sich mittlerweile nur noch als desaströs klassifizieren. Angesichts der Tatort-, Traumschiff- und Florian-Silbereisen-Dauerberieselung haben zwischenzeitlich ganze Milieus und Generationskohorten die Flucht ergriffen – entweder in die neuen Social Medias des Internets oder aber hin zu Streaming-Diensten wie HBO, Netflix oder Sky Atlantic (respektive das Pendant in der DVD-Box). Stirbt den Sende-Dinosauriern perspektivisch die Zuschauerschaft unter den Fingern weg? Die Lebensrettung – nötigenfalls per künstlicher Beatmung – ist mitterweile zur Staatssache avanciert. Einerseits pumpt die 2013 verordnete Zwangsabgabe zwar neue finanzielle Mittel in die Adern des maladen Patienten. Andererseits steht zu befürchten, dass auch diese in altbewährtem Mehr desselben versenkt werden – mehr Traumschiff, noch mehr Sportrechte und noch mehr Mörderhonorare für Talk-Superstars, die man in Eigenregie zuvor zu solchen hochgehypt hat. Pointiert könnte man den aktuellen Zustand wie folgt beschreiben: Die Jungen finanzieren mit ihrer Zwangsabgabe die Verdummung der Alten.

Biedermeier-TV gegen Qualitätsserien

In keinem Bereich äußert sich die Qualitätsblockade der Öffentlich-Rechtlichen so frappierend wie in dem der sogenannten Qualitätsserien. Ob Erfolgsserien wie Game of Thrones und Breaking Bad oder neue Produktionen wie Orange Is The New Black – der aktuelle Qualitätsserienboom findet in ARD und ZDF nicht nur nicht statt. Vielversprechende Eigenentwicklungen haben die Entscheider bei den Staatsanstalten zeitig über die Klinge springen lassen. Beispiel eins: das preisgekrönte Russenmafia-Epos Im Angesicht des Verbrechens von Dominik Graf. Grafs Miniserie von anno 2010 wurde nicht nur im Spätprogramm zielsicher versteckt. Eine mögliche zweite Staffel, so dieser Quotenmeter-Bericht, war zwar im Gespräch. Allerdings nur unter der Bedingung, dass Graf seinen Stoff kompatibler gestalte für den Premium-Sendeplatz 20:15 Uhr.

Desgleichen das Pendant beim ZDF. Die 2007 aufgegleiste Krimireihe KDD – Kriminaldauerdienst wurde zwar allerorten als deutsches Pendant zu den innovativen US-Serien The Wire und The Shield gepriesen. In der Praxis kam die Serie mit Ach, Krach und Geholper hinter den Kulissen bis Season drei. Es kam noch schlimmer. Offensichtlich angefressen über den Grimme-Preis für eine outhouse konzipierte Serie, wollten die ZDF-Planer den nächsten Coup direkt am sendereigenen Reißbrett konzipieren. Aufgabe: die Quadratur des Kreises – eine zielgruppengenau geplante Serie, jugendlich gestylt, aber keinesfalls aneckend, authentisch, aber ja nicht zu authentisch. Das Ergebnis: Die letzte Spur – eine Serie, über die – trotz zeitgeistiger Optik – lediglich zu sagen war, dass sterilere Spannungsplots kaum möglich sind.

Die Konkurrenz beim Ersten hat der Innovation seit dem selbstproduzierten Graf-Desaster zur Gänze abgeschworen. Der Serien-Dienstag ist bereits seit x-Jahren Jahren Nonnen, Weinbauern und ähnlichen Figuren aus der provinziellen Gartenzwerg-Ödnis vorbehalten. Aktuelle Highlights: die zwischen bieder-brav und yuppiehaft-gelackt changierende Anwaltsserie Die Kanzlei und die gleichfalls jede Menge heile Fernsehwelt verbreitende Krankenhausserie In aller Freundschaft. Nicht viel besser sieht es beim Flaggschiff der ARD-Sendergruppe aus, der Renommierreihe Tatort. Bis in die Neunziger hinein durchaus ein innovatives Format (mit Sub-Highlights wie zum Beispiel der Schimanski-Reihe), sind auch beim Tatort mittlerweile sämtliche Sünden sichtbar, die die verbeamteten Spin Doktoren in den Fernsehredaktionen angerichtet haben: pädagogisierender Impetus, unverständliche, weil am Reißbrett entworfene Plots, selbstgefällige Selbstreferenzialität sowie als Posing aufgesetzte (und offensichtlich als Zielgruppenwerbung mißverstandene) Blockbuster-Optik gängiger amerikanischer Filmproduktionen.

Zugunsten der Öffentlich-Rechtlichen ins Feld zu führen wären die Nischen – konkret: die assoziierten Sender 3sat, arte und ZDFneo. Gerade der Experimentiersender neo ist an der Stelle jedoch ein Komplettausfall. Von sich reden macht die ZDF-Experimentierspielwiese für neuere, jugendlichere Formate vor allem aufgrund ihrer stetig vom Sender abgeänderten Schreibweisen. Aktuell wahlweise ZDFneo geschrieben oder, mit Unterstrich, zdf_neo, weiß eigentlich kein Mensch, wofür dieser Sender eigentlich steht. 3sat und arte hingegen haben es durchaus geschafft, im Bereich Qualitätsserie einiges an Renommée aufzubauen. Dies gilt insbesondere für die deutsch-französische TV-Kooperation in Straßburg. arte verstrahlt nicht nur regelmäßig preisgekrönte Qualitätsserien wie zum Beispiel Borgen, die gleichfalls aus Dänemark stammende Fiktion Occupied oder die britische Straßengang-Serie Peaky Blinders. Auch innovative Formate von ARD/ZDF – Beispiel: Im Angesicht des Verbrechens – dürfen, so viel Konzilianz muß sein, von der arte-Zuschauerschaft regelmäßig vorgetestet werden.

Die Crux: 3sat und arte reißen das Trostlos-Angebot der Öffentlich-Rechtlichen zwar ein Stück weit raus aus dem Keller. Allerdings: Beide Sender sind keine öffentlich-rechtlichen Angebote im strengen Sinn. Medienpolitisch handelt es sich bei ihnen vielmehr um Zugeständnisse, welche deutsche Kulturpolitiker im Zug der diversen EU-Erweiterungen gemacht haben. Profan gesagt: Das (vergleichsweise) überdurchschnittsqualitative Angebot der beiden Sender findet nicht statt, weil sie Teil des öffentlich-rechtlichen TV-Komplexes sind, sondern vielmehr aufgrund ihrer weitgehenden Unabhängigkeit. Pointiert formuliert können Serienfans bei arte Borgen & Co. goutieren, weil die Programmchefs der ARD-Sender und des ZDF da eben wenig hereinzureden haben.

Mit Jauch und Silbereisen gegen den Rest der Welt

Weiterhin wegweisend sind die Öffentlich-Rechtlichen vor allem in einem Bereich: dem der Sportübertragungen. Dies gilt vor allem für die ARD, deren Bundesliga-Berichterstattung zwar etwas altbacken daherkommen mag, informationstechnisch jedoch solide Grundversorgung abliefert. Weil die großen Sportveranstaltungen ziehen, buttern die großen Sender gerade hier auch das Gros ihrer finanziellen Mittel hinein. Überbietungs-Wettkämpfe beim Einkauf neuer Übertragungsrechte inklusive. Insbesondere bei den großen Events – WM, EM und Olympia – mögen die Zuschauer zwar davon profitieren. Allerdings hat die Verquickung von Sport und Medium Nebenwirkungen. Auffällig sind die anstaltsinternen Synergieeffekte vor allem im Bereich der weiterhin mit viel Elan unterhaltenen Talkformate. Boulevardtalker Markus Lanz etwa moderierte diverse Personality-Formate bei den Privaten – beispielsweise das RTL-Boulevardmagazin Explosiv. 2009 tauschte er den Moderatoren-Sessel mit Ex-sportstudio-Moderator Johannes B. Kerner. Einen ähnlich sportiven Background haben auch der scheidende ARD-Superstar Günther Jauch sowie die ebenfalls ARD-bekannte Dauertalkerin Anne Will.

Sicher ist etwas Publikumserfahrung nicht verkehrt bei der Moderation publikumsträchtiger Talk-Sendungen. Seit Jahren in der Kritik steht allerdings die politische Ausrichtung – genauer: die Dauerbestrahlung mit lediglich minimal akzentuierten, dafür durch die Bank wirtschafts- und/oder regierungsnah ausgerichteten Agendas. Trotz insgesamt fünf Polittalks hatten die Zuschauer(innen) bis November lediglich die Wahl zwischen knuffig in Szene gesetztem CDU-Tiefschwarz (Jauch), wirtschaftsliberal knallhart (Will) und einer undefinierbaren Mischung aus grünem und schwarzgelb-braun eingefärbtem Wohlstandschauvinisten-Stammtisch (Plasberg). Komplettiert wird der regierungsnahe Talk-Overkill der Öffentlich-Rechtlichen von Sandra Maischberger und ihrer ZDF-Kollegin Maybrit Illner – zwei Moderatorinnen, die zwar nicht ganz so offensichlich Meinungsmache betreiben, ihre Agenda jedoch ebenfalls stark am Konsens der einschlägigen Mainstreammedien ausrichten.

Auch bei den Politikformaten lassen sich Gegenbeispiele aufführen. Allein auf weiter Spur beispielsweise steht das NDR-Medienmagazin ZAPP. Anderslautender Kritik ungeachtet hat sich zwar auch ZAPP mitnichten unter die Fittiche der Russlandfreunde und Putinversteher begeben. Allerdings thematisierte das Magazin zumindest offen die Widersprüche, die sich zwischen Bevölkerungsmehrheits-Meinung und Medienmeinung im Zug der Ukrainekrise ergaben. Nach Meinung manch Verantwortlicher sicher eine Unbotmäßigkeit, die in der staatlich gelenkten Fernsehen-Einheitslandschaft nicht angeht – so daß man um die (weiterhin kritische) Zukunft des Formats durchaus bangen kann. Ein weiteres Highlight ist zweifelsohne das ZDF-Kabarett-Format Die Anstalt (Sendung vom 8. Dezember: hier bei YouTube). Die ZDF-Anstaltsversorgung ist vorerst zwar weiter gesichert. Allerdings sah sich die Konkurrenz vom BR zwischenzeitlich dazu bemüßigt, mittels eines Gegen-Formats zu zeigen, wo in Bayern satiremäßig der Bartl den Most holt. Ergebnis: Dritter Stock links – eine dröge Kabarett-Sitcom, die selbst der ansonsten stark CDU-nahe Berliner Tagesspiegel als inhaltlich peinsam und handwerklich schlecht gemacht kritisierte.

Die Hybris der Programmmacher

Was tun? Sicher ist es ungerecht, TV-mäßig Äpfel mit Birnen zu vergleichen und den Öffentlich-Rechtlichen etwa vorzuhalten, dass sie Highlight-Serien wie etwa Breaking Bad nicht hinbekommen. Ungerecht ist der Vergleich nicht nur aufgrund der Tatsache, dass die neuen Autorenserien großteils Auftragsproduktionen gutkapitalisierter Pay-TV-Unternehmen sind, die ihre Produktionen mittels einer Mischkalkulation aus Zuschauerabos und Weiterverwertungen finanzieren. Umgekehrt macht es allerdings wenig Sinn, mit Leuten über die Vorzüge von Filmen zu diskutieren, die der Errungenschaft von Lichtspielhäusern strikt ablehnend gegenüberstehen. Entsprechend hat sich in Deutschland eine veritable Doppelmoral entwickelt. Einerseits bejubeln insbesondere Print-Leitmedien wie SPON, Zeit und FAZ den Siegeszug der US-amerikanischen Qualitätsserien. Andererseits tun deutsche Programmverantwortliche nahezu alles, um die als neue, zeitgemässe Erzählformen gelobten Formate von öffentlich-rechtlichen Durchschnittskonsumenten fernzuhalten.

Die Lösung des Problems läge dabei gar nicht mal beim Blick in die fernen USA. Ein Brainstorming mit alten Fernsehkonserven aus dem Archiv würde möglicherweise Wunder bewirken. Was Programmverantwortliche heutzutage gern vergessen: Bis in die Neunziger hinein haben ARD und ZDF durchaus bewiesen, dass sie Innovation »können«. Die ARD etwa bestellte ihre Stoffe bei Koryphäen wie Jurek Becker. Ergebnis: die Serie Liebling Kreuzberg – sicher alles andere als ein Blockbuster amerikanischer Machbart. Rückblickend allerdings ein Produkt, dass Anspruch und Unterhaltung auf eine genial leichte Weise miteinander verband. Weitere Produkte besserer Fernsehtage: die Krimiserie Der Fahnder, oder auch das bereits erwähnte Tatort-Destillat Schimanski.

In Sachen Musik verfolgten ARD und ZDF zu besseren Zeiten ebenfalls Agendas, die meilenweit entfernt waren vom spießbürgerlichen Fünfzigerjahre-Flair heutiger Programmstaffeln. Erinnert sei etwa an den Beat-Club (Hommage im Freitag: hier), den Rockpalast, Klimbim oder auch innovative Showformat-Konzepte wie etwa Wünsch dir was mit Dietmar Schönherr und Vivi Bach. Auffällig im aktuellen ARDZDF-Programm ist vor allem das Fehlen von Formaten, die im Lauf der Jahre klammheimlich eingeschrottet wurden. Etwa die einst vielgerühmte Institution des Vierteilers – wie es vor allem in den Produktionen des Ausnahme-Regisseurs Dieter Wedel zelebriert wurde. Man kann den historischen Blick noch weiter zurückrichten – in die Sixties, von vielen als die Geburtsstunde des modernen Fernsehens betrachtet. Zu sehen, ohne Ausflüchte, und nicht bei RTL, ProSieben oder einem (damals noch nicht existenten) Streaming-Kanal: sämtliche aktuellen Highlights angelsächsischer Serienproduktion – von Bezaubernder Jeannie bis hin zu Mit Schirm, Charme und Melone oder High Chaparall.

Die üblichen TINA-Gründe (TINA, von: There is no Alternative, Margaret Thatcher) werden von den programmverantwortlichen Bedenkenträgern stets wortreich ins Feld geführt. Die Wichtigsten: nicht genug Geld, die Jungen wandern sowieso ab, das Publikum WILL es so. Begründet wird das (angebliche) Wollen fast stets mit der gottähnlichen, wie eine Monstranz vorgehaltenen Quote – einem Etwas, dass man selbst zwar ebenfalls ziemlich bescheuert findet, dem man sich aber nun mal beugen müsse. Angesichts des (nur mal so angemerkt) Verfassungsrang einnehmenden Bildungsauftrags der betroffenen Anstalten wird bereits diese Ausrichtung zu Recht kritisiert. Rein mit dem gesunden Menschenverstand allerdings kann man fragen, wieso das Sich-Zurückziehen hinter die Quote bei den Öffentlich-Rechtlichen noch innovationsfeindlicheren Schrott zur Folge hat als bei den Privaten – die dem gleichen Gott noch viel extensiver frönen.

Beispiel: die RTL-Serie Deutschland 83. Sicher kein Meilenstein. Allerdings: ein passables Produkt – und in Auftrag gegeben, wohlgemerkt, nicht von einer öffentlich-rechtlichen Anstalt, sondern einem Privatsender. Geht man ans Eingemachte, kann man sich allerdings fragen, inwieweit die ins Feld geführte Quote überhaupt dazu taugt, die Zuschauerrealität angemessen wiederzugeben. Zumindest mir persönlich ist kaum jemand bekannt, der sich freiwillig dieser Form flächendeckender Marktforschung unterziehen würde. Profan gesagt: Quotenrelevant messbar sind sowieso lediglich jene Zuschauersegmente, die auf Traumschiff & Co. abonniert sind. Diejenigen hingegen, die Vorbehalte gegenüber dem versendeten Programm haben (oder die insgesamt mit dem Medium nichts anfangen können), fallen bei dieser Art Ergebung zwangsläufig unter den Tisch. In etwa ist diese Form der Erfolgsmessung so, als ob ein Kinobesitzer bei Blockbuster XY eine Umfrage tätigt und sein künftiges Programm ausschließlich an Ergebnis dieser Umfrage ausrichtet. Herauskommen werden da aller Wahrscheinlichkeit nach nur: weitere Blockbuster.

Fazit

Lässt sich das Elend des öffentlich-rechtlichen Fernsehens noch auf eine positive Weise auflösen? Nach Meinung nicht Weniger ist die Selbst-MDRisierung von ARD und ZDF mittlerweile irreversibel – bei der ARD mehr, beim ZDF bislang noch nicht ganz so stark fortgeschritten. Springender Punkt dabei sind allerdings erst in zweiter Linie die ausbleibenden frischen Formate. Aufdocken müssten diese nämlich auf eine Struktur, die in hohem Maß von Bürokratie, personeller Inzucht und anstaltsinternen Tunnelblicken bestimmt ist. Hinzu kommt: Aufgrund struktureller Verbundenheiten ist der negative Ferneinfluss der Öffentlich-Rechtlichen längst auch in der Filmbranche zum veritablen Qualitäts-Hemmschuh geworden – wenn auch hier der Raum für Innovationen und Neues noch deutlich größer ist. Hauptkritikpunkt dürfte so die Struktur sein – konkret: die Hybris der Programmverantwortlichen, via Aufgleisen senderinterner Spins sowie Hereinreden in die Produktionen der diversen Auftragsgesellschaften jeden kreativen Impuls von außerhalb abzutöten.

Zugespitzt formuliert: die Programmverantwortlichen wollen sich – unangemessenerweise – selbst ein Denkmal setzen. Keine Idee, so das unausgesprochene Dogma, darf ohne ihr Zutun stattfinden. Das ein derartiges Feudal-Selbstverständnis nur in die Hose gehen kann, zeigen nicht zuletzt aktuelle Entwicklungen im Qualitätsserien-Segment: Während der Mediengigant amazon, von der Grundhaltung hier vergleichbar mit ARD und ZDF, sämtliche Piloten von seiner Käuferschaft vortesten lässt (mit dem Ergebnis, dass das aktuelle Highlight The Man in the High Castleso jedenfalls Spiegel Online – allenfalls Blockbuster-Erwartungen entspricht), setzen Netflix und HBO (nahezu) grenzenloses Vertrauen in ihre Autoren und Kreativteams. Mit dem Ergebnis, dass sie nicht nur Preise in Serie abräumen. Sondern sich auch als führende Anbieter im Segment einen festen Platz erkämpfen.

Ein Wagemut und ein Vertrauen, von dem die Macher des öffentlich-rechtlichen Beamten-TVs »made in Germany« Lichtjahre entfernt sind.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Richard Zietz

Linksorientierter Schreiber mit Faible für Popkultur. Grundhaltung: Das Soziale ist das große Thema unserer Zeit.

Richard Zietz

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