Mashup Vol. 1: Hardrock versus Country

Rockmusik Zwei Songs, zwei Bands, zwei Konzepte: Warum ein Led-Zeppelin-Song die Siebziger einleitete, Creedence Clearwater Revival jedoch zeitbeständigere Musik machten

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Die amerikanische Rockband Creedence Clearwater Revival, Großbritannien, 7. April 1970; hier zu sehen John Fogerty, Tom Fogerty, Stu Cook und Doug Clifford
Die amerikanische Rockband Creedence Clearwater Revival, Großbritannien, 7. April 1970; hier zu sehen John Fogerty, Tom Fogerty, Stu Cook und Doug Clifford

Foto: Evening Standard/Hulton Archive/Getty Images

Erst kam die »2«, als LP-Anschaffung Nummer zwei dann die »1«: Abgespielt auf einem Erstlings-Plattenspieler der Marke ITT Schaub-Lorenz, war »Led Zeppelin 2« die erste Langspielplatte, die ich mir als jugendlicher Rockmusik-Eleven gönnte. Auf den Geschmack gebracht war ich schon vorher. Ein Älterer aus unserer Hunsrückdorf-Clique war, wie sich später herausstellte, in Sachen British Pop der absolute Crack. Allerdings kamen die Animals, Burdon, Them und der Rest etwas zeitversetzt bei mir an – nach Led Zeppelin und zu einer Zeit, als ich mich (mitsamt dem kleinen, überschaubaren »Wir« darum) bereits mittenmeng in meiner persönlich-biografischen Selbstfindungsssuche befand. »Led Zeppelin 2« erschien im Oktober 1969. Absolutes Highlight der Platte: »Whole Lotta Love« – ein wilder, gitarrenlastiger und mit psychedelischen Einsprengseln aufgetunter Rocksong, der so ganz dem Stil der neuen Zeit entsprach.

Whole Lotta Love

Gitarrenheroes – und Sänger, die sich die Seele aus dem Leib schrien – waren Anfang der Siebziger das neue musikalische Erfolgsmodell. Dass Led-Zeppelin-Sänger Robert Plant unentwegt über etwas so Banales wie »Poppen, bis der Arzt kommt« schrie, säuselte und schluchzte, dürfte wohl den wenigsten von uns werdenden Progrock-Enthusiasten richtig bewusst gewesen sein. Wie auch immer: »Whole Lotta Love« erwies sich auch im geläuterten Rückblick als der passende Song für den Übergang: aus einem Jahrzehnt, das wilder als erwartet geendet hatte, in eines, dass noch wilder zu werden versprach. Für Led Zeppelin erwies sich der Opener vom »Volume 2«-Album als das Ticket in den Götterhimmel der Rockmusik. An zeitüberdauernden Songs gelang der Band noch ein einziger Coup: 1971, mit der Allzeit-Ballade aller zugekifften Freaks am Lagerfeuer, »Stairway to Heaven«.

Dass der Led-Zep-Kracher vom Herbst 69 ein lupenreines Bluesstück war, hätte keine(r) von uns damals so gesehen. Als Band bewegten sich Led Zeppelin zwar stringent in dem Kanon, welcher vom britischen Zweig der Rockmusik vorgegeben war. Blues war in dem Modell allerdings eher ein kreativ-frei adaptierter Part denn ein puritanisch-streng nachgespielter Stil. Bedeutsam innerhalb der Generallinie »weg vom vergleichsweise zahmen Merseybeat – hin zu Rock grenzenlos« war der Ende der Sechziger vollzogene Wechsel hin zu mehr Elektrik sowie einem druckvolleren, freier-»unangepassteren« Gitarrensound. Einerseits waren Led Zeppelin mit ihrem Schwermetall-Blues getreuliche Epigonen dieser damals als »fortschrittlich« (ergo: »progressiv«) geltenden Richtung. Allerdings zeigte sich erst im Rückblick, dass sie durchaus etwas Neues vorwegnahmen. Zusammen mit der (gleichfalls britischen) Formation Black Sabbath bildeten sie den Referenzpunkt für eine Stilistik, die Ende der Sechziger noch in den Sternen stand, mittlerweile in der Rockmusik jedoch den Status einer eigenständigen Marktrichtung innehatt: Metal, oder, puritanischer ausgedrückt: Heavy Metal.

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Ob »Paranoid« von Black Sabbath der »Ur-Song« des Metal war, Led Zeppelins »Whole Lotta Love« oder aber die melancholischen Biker-Elogien der kanadischen Band Steppenwolf (wie etwa das »Easy Rider«-erprobte Stück »The Pusher«), lässt sich wohl kaum einvernehmlich klären. Was geklärt werden kann ist, dass Led Zeppelin mit Metal-ähnlichen Stilfragmenten ausgiebig experimentierten. Der schwere Bass, das exzessive Maträtieren der Gitarre, der kreischende Gesang – man kann es wahlweise als frühen Metal ansehen oder aber als künstlich auf schwer getrimmten, aufgebohrten Blues. Dass Led Zeppelin sich am Blues-Oeuvre auch in urheberrechtlich grenzliniger Form vergriffen, ist mittlerweile ebenfalls Teil der Ruhm & Schändliches mit enthaltenen Rockmusik-Annalen. Ursprünglich behauptete die Band, »Whole Lotta Love« ginge zurück auf ein ähnliches Thema der Small Faces – das Stück »You Need Loving«. 1985 schließlich strengte der Bluessänger Willie Dixon eine Urheberrechtsklage an: »Whole Lotta Love«, so Dixon, sei ein direktes Plagiat seines 1962 für Muddy Waters geschriebenen Stücks »You Need Love«. Der Streit wurde schließlich gütlich beigelegt. Allerdings zeigt sich beim Hören der Dixon- und der Waters-Version deutlich, wie nah Plant, Page & Co. am Original angebaut hatten. Umgekehrt ließe sich zu Gunsten der Zeps jedoch anmerken, dass der Sound des Stücks bereits auf der Vorgänger-LP vorbereitet worden war – etwa in Form des Titels »Dazed and Confused«, gleichfalls ein Bluestitel der etwas psychedelisch-schwermetalligen Richtung. Allerdings: Auch der in Marke Eigenbau entwickelte Sound macht den Klau kaum ungeschehen – speziell auch in Anbetracht des Umstands, dass sich bereits die Small Faces bei Dixon bedient hatten.

Wie auch immer: Der »heißeste Scheiß’« blieben Progrock, Hardrock, Bluesrock (oder wie immer man das Rockmusik-Destillat der Anfangs-Siebziger nennen will) nur ein paar wenige Jahre. Die Kiffer-Schwaden über den – immer schlechter organisierten – Festivals wurden immer dichter, die Eintrittspreise immer höher und die Musik bombastischer, schließlich auch immer artifizieller. Politisch folgte auf die Aufbruchszeit der Anfangssiebziger die Bleierne Zeit der Terroristenjagd, die Toten von Stammheim und schließlich ein neuer Durchstart-Versuch mit einer alternativen Kultur. Letztere gründete einerseits zwar stark auf den lebensreformerischen Konzepten der 68er. Musikalisch-lebensweltlich vollzogen jedoch vor allem die jüngeren Kohorten einen deutlichen Bruch mit dem Hippie-Ambiente der Älteren. Angesagt waren nicht mehr die Progrock-Dinosaurier der frühen Siebziger, sondern neue Bands und Stile: kurzangebundener, treibender Gitarrenrock der Marke Pretenders, Police und Dire Straits, Punk, Reggae und, die politische Ansage war auch damals schon wichtig, »Rock gegen Rechts«. Zusammengefasst im historischen Rückspiegel: In der Rockmusik erfolgte zu jener Zeit der zweite, in der Kulturgeschichte der 68er-Linken der erste Generationsbruch.

Entsprechend verschwanden auch »Led Zeppelin 2« und der Rest meiner Platten aus jener Zeit in der Kiste, bei unterschiedlichen WG-Mitbewohnern oder auf dem Fohmarkt. Was – rückblickend – vielleicht das Kind mit dem Bad ausgeschüttet war. Der erste Led-Zep-Klassiker verblasste erinnerungstechnisch zwar bald neben der zwei Jahre später veröffentlichten Allround-Kifferballade. Allerdings merkt man erst beim Hören diverser Cover-Versionen, wie renitent der Song gegen falsche Vereinnahmungen ist. Eine der wenigen, die hier nichts falsch gemacht haben, ist die kalifornische Rockmusikerin Beth Hart. Sofern überhaupt möglich, überröhrt sie das Original noch ein gutes Stück, und auch die Begleitung – ob als Voll-Band auf der Bühne oder unplugged anlässlich einer Einspielung für einen französischen Radiosender – gibt ihr Bestes. Von den diversen Metal-Versionen gefällt mir die von Scream Inc. am besten: Die Einspielung ist – was bei »Whole Lotta Love« zugegeben schwerfällt – nicht vollkommen übertunt, und der Akustik-Part als Konter passt geradezu in Vollendung.

Have You Ever Seen The Rain?

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Wenigstens bei CCR hielt ich mich (einigermaßen) an die Reihenfolge: »Pendulum«, die fünfte Studio-LP von Creedence Clearwater Revival, war Langspielplatte-Anschaffung Nummer fünf; zuvor kam »Cosmos Factory«, CCR-Album Nummer vier. Anders als bei Led Zeppelin, bei denen es zumindest nach meinem Dafürhalten stets Aussetzer und Hänger gab, war bei CCR jeder Song ein Schlag auf die Zwölf – zielsicher im musikalischen Thema, kurz angebunden in der Message und stücklängentechnisch meist dem altbackenen Single-Format verhaftet. Led Zeppelin mochten experimentieren; bei CCR war jeder Titel exaktes songwritertechnisches Handwerk. Das Motto, dass in der Kürze die Würze liegt, trieben CCR manchmal bis hinunter an den absoluten Minimal Point: der Rock’n’Roll-Schweißtreiber »Travellin’ Band« benötigte inklusive Schlussakkord gerade mal zwei Minuten.

Das beste Stück der Gruppe ist in meinen Augen »Have You Ever Seen The Rain?« Die Message ist, wie bei allen CCR-Stücken, hundssimpel – hier: der wohlgemeinte Ratschlag, dass alles keinen Sinn hat, wenn man nicht den harten Platzregen an einem Sommertag kennt. Zugegeben – ein Stück von CCR als das Beste hinzustellen unter Dutzenden, die qualitativ ungefähr gleichwertig sind, ist vermessen. In den drei Jahren, in denen die Band groß war, folgte Album auf Album, und fast jeder Song war auf die ein oder andere Weise ein Knaller. Musikalisch war CCR stets die Band für diejenigen, die karogemusterte Flanellhemden kleidsamer fanden als elaborierte Hippie-Klamotten. Die Geringschätzung 150prozentiger Progrock-Enthusiasten war den vier nordkalifornischen Normalos so so gut wie sicher. Anders als bei Bob Dylan waren die Roots, aus denen sich Frontman John Fogerty und die Seinen bedienten, nicht nur alt im honorablen (genauer: musealen) Sinn. Sie wurden zudem als altmodisch gebrandmarkt. Auf den stilistischen Punkt gebracht war CCR schließlich nichts anderes als Rock’n’Roll & Country der Sun-Ära – exakt die Drei-Minuten-Single-Musik, von der sich die Protagonisten des Progressive Rock zu emanzipieren trachteten.

War Creedence Clearwater eine Nostalgie-Veranstaltung – eine Reminisenz an eine Popmusik-Ära, die mit den Fünfzigern bereits an ihrem innovativen Ende angelangt war? Oberflächlich spricht einiges dafür. In Sachen Innovation geht man allerdings fehl, wenn man CCR und ihren Frontman John Fogerty mit Elvis, Chuck Berry und ähnlichen Epigonen vergleicht. Gruben Led Zeppelin in den Stil-Referenzen der britischen Beat- und Rockmusik, erarbeiteten sich CCR und ihre Vorläuferbands einen Stil, der deutlich näher am Gitarrensound eines Link Wray angesiedelt war als an den Popharmonien der Beach Boys. Rauh, unverwechselwar, geradlinig – das sollte nicht nur das Markenzeichen von CCR werden. Gleichzeitig setzte die Band auch einen bewusst gewählten Gegenpunkt zum ausufernden Progrock. Das bleibende Vermächtnis: Musik muß einen Gebrauchswert haben, sonst taugt sie nichts.

Das Gute, dass bleibt

Aus Sicht der damaligen Zeit war »Whole Lotta Love« zwar sicherlich der »revolutionärere« Song – »Have You Ever Seen The Rain?« hingegen eher brav, auf Harmonie getrimmt und etwas bieder. In Sachen Renitenz allerdings konnten sich die (Möchtegern)-Wilden der Siebziger an CCR eine gute Scheibe abschneiden – zumindest im Rückblick. 1972 verschwand die Band in der Versenkung. Grund: Geldstreitigkeiten mit dem Label, mit dem Management. CCR löste sich auf; Frontman John Fogerty, die treibende Kraft der Band, war bei den Musikbossen plötzlich »out in bad standing«, oder, anders gesagt, karrieretechnisch am Punkt »Edeka« angelangt. Die alten Verträge untersagten ihm das Spielen der eigenen Stücke. Erst in den Achzigern, nach jahrelangen Auseinandersetzungen, war dieser Part beigelegt, und Fogerty konnte sich einschränkungslos seiner weiteren Karriere als Rockmusiker und Singer-Songwriter widmen.

Ihr politisches Engagement haben CCR nie offensiv nach außen getragen. In Sachen Bescheidenheit, gäbe es eine solche Ranking-Liste, dürfte John Fogerty bis heute ungekrönter König des Metiers sein. Um Spenden für indigene Besetzer der kalifornischen Gefängnisinsel Alcatraz machte er ebensowenig groß Aufhebens wie um Auftritte zugunsten demokratischer Präsidentschafts-Kandidaten oder Aktivitäten etwa zugunsten der Farm-Aid-Kampagne. Anders als das eigene Oeuvre, dass über Achtungserfolge in Insiderkreisen nicht substanziell herauskam (darunter: der Anti-Irakkrieg-Song »All Over Again«), wurde das seiner ehemaligen Band ab den Neunzigern immer angesagter. Coverversionen gab es schon zu CCR-Zeiten; präsenter in der musikinteressierten Öffentlichkeit sind allerdings Fogertys Team-Aktivitäten: etwa beim musikalischen Sich-auf-die-Schippe-nehmen mit Billy Gibbons von ZZ Top, anlässlich gemeinsamer Konzerte mit Bruce Springsteen oder Country-Acts wie Wynonna Judd.

Auch Led Zeppelin haben sich mit der Zeit neu erfunden. Musikalisch Furore machten sie – nach dem Ableben ihres Schlagzeugers John Bonham 1980 – vor allem durch Solo-Aktivitäten ihrer noch verbliebenen Mitglieder. Hervorzuheben ist vor allem Robert Plants Zusammenarbeit mit der amerikanischen Bluegrass-Musikerin Alison Krauss. Persönlich zugeben muß ich schließlich, dass mir auch meine CCR-Platten irgendwann verschollen gegangen sind. Allerdings: nicht ohne vollwertigen Ersatz – einem mittlerweile so gut wie lückenlosen Komplett-Oeuvre, erst in Box-Form, mittlerweile in (noch lückenloserer) Volldigital-Variante. Ein Beweis für Qualität mögen die Jagen-und-Sammeln-Leidenschaften eines in die Jahre gekommenen Rock’n’Roll-Enthusiasten erst mal kaum sein. Serien und Movie-Soundtracks hielten den Sound von CCR allerdings ebenso im kollektiven Gedächtnis – so dass ich mit meiner Einschätzung, dass CCR zeitunabhängig geeignet sind, gar nicht so alleine stehen kann.

Vielleicht sind CCR auf eine ähnliche Weise Wertkonservative wie Altmeister Bob Dylan. Die guten alten Sachen schmeißt man nicht weg. Vielleicht geht aber um mehr. Etwa die message, dass wir uns gegenseitig nicht aus den Augen verlieren sollen. Der aktuelle Clip zu »Have You Ever Seen The Rain?« wurde zwar vor der aktuellen Pandemie-Krise aufgenommen. Die in Szene gesetzten Bilder jedoch appellieren an Werte, die auch und gerade in heutigen Zeiten dringender benötigt werden als je. Um mit dem musikalischen Band-Vergleich abzuschließen: Led Zeppelin verhalfen dem Individualismus in der Rockmusik zur allgemeinen Akzeptanz. Creedence Clearwater Revival hingegen waren stets die großen Skeptiker. Mit dem, wofür sie stehen, sind sie das bis heute geblieben.

Mashups (siehe Wikipedia) sind Samplings, bei denen zwei oder mehr Musikstücke zu einem zusammengesamplet werden. Die Textreihe hier will sich auf Schlüsselsongs kaprizieren – wobei in jeder Folge zwei vergleichbare Popmusik-Stücke im Mittelpunkt stehen. Den Anfang machen Led Zeppelins »Whole Lotta Love« und »Have You Ever Seen The Rain?« von Creedence Clearwater Revival.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Richard Zietz

Linksorientierter Schreiber mit Faible für Popkultur. Grundhaltung: Das Soziale ist das große Thema unserer Zeit.

Richard Zietz

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