Alt und weiß oder „Ol' man river“

Männer Als ich ein Kind war, lebte ich mit meinem Bruder in einem vaterlosen Haushalt. Heute erinnere ich mich, dass ich mich vor alten Männern und „Hünden“ geängstigt habe

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In Mafiafilmen kommt er vor: der gefährliche alte weiße Mann
In Mafiafilmen kommt er vor: der gefährliche alte weiße Mann

Foto: imago images / Mary Evans

Gerade habe ich einen hervorragenden Beitrag in der „Welt“ über Shelagh Delaney, die britische Autorin – hier im Freitag schon vor einiger Zeit vorgestellt –, gelesen. Eigentlich lese ich dort selten, aber die schön abgeklärte Überschrift „Selbst alte weiße Männer finden sie gut“ machte deutlich, wie man eine Zuschreibung auch ironisch verarbeiten kann. Mir gab das zu denken. Denn eigentlich gibt es keine weibliche Entsprechung außer „alte Frau“ oder – früher und schon lange her – „alte weise Frau“, oder auch altes Weiblein, oder so. Na gut, bleiben wir mal bei den Männern.

Wenn jetzt diese Wendung überall auftaucht, erinnert mich das an meine Kindheit mit den merkwürdigen Ängsten vor „alten Männern“ und „Hünden“. Aber nicht nur das. Ich denke gerade darüber nach, wie schön und geglättet – und dann doch wieder entlarvend – das Bild des Patriarchen z.B. in Romanen und Filmen auftaucht.

Der Patriarch hat alles

Er hat alles: Die Schläue, das Machtbewusstsein, die grobe Fürsorglichkeit, aber nur für die „Seinen“, die Grausamkeit gegen feindliche Außenstehende – alles. In Mafiafilmen kommt er vor, die ich allerdings gemieden habe. Ich fand all diese Männerfiguren immer ängstigend, auch als ich kein kleines Mädchen mehr war. Und nun ist er ziemlich unter Beschuss. Ich frage mich: Wie kommt das? Haben andere Frauen und Mädchen auch Bilder im Kopf? Ist dieser merkwürdige teils beschützende und andere ausschließende Typus Mensch nicht schon lange „out“ oder lebt er doch – gerade in der gegenwärtig so bewegten und sich über Grenzen bewegenden Welt – immer noch weiter? Am Ende auch noch als bewahrenswerte Gestalt, als ein Prinzip, als eine Schutzgestalt?

Verdorbene Greise

Meine eigenen Bilder vom Niedergang sind natürlich verknüpft mit alten Männern oder auch „verdorbenen Greisen“, wie Wolf Biermann sie bezeichnet hat. Den alten Erich Mielke, der „doch alle liebte“, den tragisch glück-, humor- und einfallslosen Erich Honecker mit seinen Sprüchen von einer Mauer, die noch 100 Jahre steht.

Am anderen Ende, bei den scheinbaren Siegern der Geschichte werden immer, wenn es um Abgründe und Niedergänge geht, auch schon wieder alte Männer für den Niedergang der Welt bemüht. Im Internet kommt dreimal täglich der hoch in den Jahren stehende Zbiegniew Brzezinski zu Wort mit seinem „Chessboard“, oder auch Henry Kissinger mit seinen Strategien.

Alte Männer in machtvollen Positionen ängstigen. Dagegen helfen auch nicht die dämonisierte Madeleine Albright oder Hillary Clinton.

Nur bei solchen Männern, die zwar Kraft, aber eine gewisse Machtlosigkeit ausstrahlen, hat sich mein Blick gemildert. Es gab auch mal andere „zornige alte Männer, alle „weiß“. Heinrich Albertz z.B. – ehemaliger Bürgermeister von Berlin –, der aus den Entführungstragödien seiner Amtszeit gelernt hatte, Martin Niemöller, der in Ost und West Ansehen genoss mit seiner Frage „Was würde Jesus dazu sagen?". Oder auch Axel Eggebrecht, Heinrich Böll, Jean Améry und andere.

Das waren Männer, die jenseits der nie genossenen und nie erstrebten Macht etwas ausstrahlten, das mich an meine Vaterlosigkeit erinnerte und daran, was ich bei einem Vater gesucht hätte. Klugheit, Schutz und souveränen Umgang mit der Welt. Kluge Männer, die wussten, wie das Leben geht, die die Mächtigen anklagten, aber nicht, weil sie sich machtlos fühlten, sondern anders über die Welt dachten.

Wenn ich Paul Robesons „Ol man river“ höre, dann erschließt sich mir diese andere Seite. Aber: Der ist eben auch nicht alt und weiß und mächtig.

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Geschrieben von

Magda

Immer mal wieder, aber so wenig wie möglich

Magda

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