In den Stürmen der Zeiten

Elfriede Brüning Eine eigenwillige Autorin ist gestern in Berlin gestorben. Sie war eine hellwache und kritische Zeitgenossin. Eine persönliche Erinnerung

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Mein Gott, die Zeit rennt. Das ist jetzt schon wieder sieben Jahre her. Da lud man mich ein, ein paar von meinen Alltagstexten bei Helle Panke Berlin zu lesen.

Ich war ein bisschen als „Pausenfüllerin“ gedacht. Der Hauptgast des Nachmittags war die Schriftstellerin Elfriede Brüning. Die war damals 96 Jahre alt und ging auf die 97 zu.

Sie sollte aus ihren „Gedankensplittern“ vortragen, die im gleichen Jahr erschienen waren. Das tat sie, aber sie schweifte auch sehr interessant ab. Ich sollte ihr eine kleine Atempause verschaffen, aber sie brauchte eigentlich die Schonung nicht, die ihr durch meine Zwischenleserei zugedacht war. Sie war lebhaft, sehr agil, der Geist beweglich wie nichts, Stütze und Hilfe brauchte nur der Bewegungsapparat.

Ich hatte Jahre zuvor schon ihre Biographie „Und außerdem ist es mein Leben“ gekauft und von ihr signieren lassen. Sie kommt aus dem Teil Berlins, der bis vor kurzem noch proletarisch war. Die Stargarder war die Straße ihrer Kindheit in Berlin. Sie ist hineingewachsen in die Kämpfe der Weimarer Zeit und bald wurde das Schreiben ihr Beruf.

Sie trat 1930 in die KPD ein und ab 1932 gehörte sie zum „Bund proletarisch – revolutionärer Schriftsteller“, den Johannes R. Becher leitete und zu dem auch Anna Seghers gehörte. Nach der Machergreifung blieb sie in Berlin, aber immer bedroht und in Gefahr, weil sie nach wie vor politisch aktiv war. 1935 kam sie ein halbes Jahr in Schutzhaft, weil sie an einem Treffen des „Bundes“ teilgenommen hatte.

Nach 1945 wurde sie Mitglied der SED und des Kulturbundes, auch später des Schriftstellerverbandes der DDR.

Ich kannte ihre Bücher, nicht alle gingen mir nahe. Ich muss sagen, zu DDR-Zeiten selbst las ich sie eher so nebenher. Aber, eines – „Gabriele“ – las ich als Heranwachsende und erinnere mich noch heute, dass ich das Tagebuch eines Mädchens, dessen Mutter sich neu verliebt, an einem Tage hintereinander gelesen habe. So lebensnah fand ich es und spannend. Elfriede Brüning war eine gute und solide Erzählerin. Und natürlich standen bei ihr Frauenschicksale im Vordergrund. So gewann sie, weil sie auch Konflikte nicht scheute, eine breite Leserinnenschaft. Partnerinnen war eines der Bücher, die die Probleme von Frauen zwischen Berufstätigkeit, Partnerschaft und Kindern schildert. Es wurde 1989 auch in Westdeutschland noch verlegt.

Im geschichtsträchtigen Jahr 1989 konnte sie endlich die Reportagen über Frauen, die in den Stalinschen Lagern lange Jahre Zwangsarbeit leisten mussten veröffentlichen.

Lästige Zeugen der Titel, der auf die weibliche Endung verzichtet, warum auch immer.

Sie schrieb und schrieb, auch nach der „Wende“, Biographisches, Kommentare zu Erlebtem und den Wirrnissen der Zeiten.Sie meinte, sie werde das 100. ganz sicherlich erreichen. Sie sei noch so neugierig auf das, was die Jahre brächten.

An diesem Nachmittag vor sieben Jahren war ich also gern an ihrer Seite.

Gestern ist Elfriede Brüning gestorben. 103 Jahre wurde sie alt.

http://www.elfriede-bruening.de/

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Geschrieben von

Magda

Immer mal wieder, aber so wenig wie möglich

Magda

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