Die Lobby-Republik

Demokratie Ob Dieselgate, Cum-Ex oder Parteienfinanzierung: In Deutschland reiht sich ein Lobby-Skandal an den anderen. Die Politik muss endlich Konsequenzen daraus ziehen

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Die gläserne Kuppel des Bundestags war auch als Forderung nach mehr Transparenz gedacht
Die gläserne Kuppel des Bundestags war auch als Forderung nach mehr Transparenz gedacht

Foto: Barbara Sax/AFP/Getty Images

„Dieselgate“ zeigt eindringlich, wie stark am Ende die Kumpanei von Unternehmen und Politik die Verbraucher und die Umwelt belasten kann. Keine vernünftige Aufklärung, keine wirklichen Konsequenzen, aber am Ende zahlt die Zeche der Steuerzahler und notwenige Innovationen sind verschleppt worden. Aber die Liste der Beispiele ist lang, ob „Cum Ex“, der Wechsel vom Kanzleramt oder Ministerium in einen Lobbyjob, verdeckte Parteienfinanzierung oder Sponsoring. Eine Aneinanderreihung von Lobby-Skandalen, die kurz aufflammen, aber fast nie Konsequenzen nach sich ziehen, weil die ja von den Betroffenen selbst beschlossen werden müssten. Große Konzerne beeinflussen auch die Wahlen, weil sie vor allem an CDU/CSU und FDP immense Summen spenden, damit beispielsweise eine kleine Partei wie die FDP nicht nur bei den Plakaten omnipräsent ist. So wird sich Zugang oder zumindest die Aufmerksamkeit von potentiellen Regierenden erkauft.

Ein Beispiel ist die Stiftung Familienunternehmen, die von einigen wenigen großen, superreichen Familienunternehmen gefördert wird und nur einen marginalen Anteil der Familienunternehmen in Deutschland repräsentiert: Sie hat eine wirkungsvolle Erbschaftssteuer verhindert. Auch die Rüstungsindustrie lobbyiert fleißig und erfolgreich für eine Aufstockung des Rüstungsetats während Geld für Schulen und marode Infrastruktur fehlt. Merkel und die Union fordern jetzt auch eine Aufstockung des Rüstungsetats um 30 Milliarden Euro.

Geld regiert, Fortschritt wird blockiert

Im Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung steht, was wir schon länger wissen - auch wenn Merkel diese Passage im Nachhinein streichen lies: Wer viel Geld hat, kann in Deutschland großen Einfluss auf die Politik ausüben, wer mittellos ist, wird nicht gehört. Den allermeisten Bürgerinnen und Bürgern wird dadurch zunehmend vermittelt, dass uns Politiker/innen ihre Probleme im Zweifel nicht so wichtig sind und wir lieber auf einen Teil der Wirtschaftslobby hören. Obwohl sich aus genau diesen Gründen immer mehr Menschen resigniert von der Politik und der Demokratie abwenden, finden die Themen Lobbyismus und Transparenz in politischen Debatten und auch Talkshows fast nie statt. Eine Äußerung von Trump wird mehr analysiert als der Zustand unserer demokratischen Parlamente und Regierungen.

Es gibt zu wenig Druck und daher weiterhin keine wirklichen Konsequenzen, nicht mal ein Lobbyregister, keine legislative Fußspur, keine komplette Offenlegung der Nebentätigkeiten, keine Reform der Parteienfinanzierung. Keine Debatte über eine transparente, lebendige Demokratie, welche den ausufernden Lobbyismus begrenzt und die Menschen mehr an der Willensbildung beteiligt. Es bleibt bei der Stimmabgabe alle vier/fünf Jahre und dann wundert man sich am Rande, dass die Wahlbeteiligung sinkt oder verstärkt Populisten gewählt werden. Das ist beschämend.

Da die Union die SPD bei allen Vorstößen blockiert hat, gab es nur kleine Veränderungen. So wurden lediglich mehr Stufen bei der Veröffentlichung der Nebentätigkeiten eingeführt. Es wurde eine Regelung zur Karenzzeit beschlossen, die aber nur ein Jahr beträgt und trotzdem Ausnahmen zulässt.

Die Bevölkerung ist unser Chef

Für mich ist klar, dass wir viel mehr Transparenz und Kontrolle bei Parteispenden und –sponsoring, ein verbindliches Lobbyregister, die komplette Offenlegung der Nebentätigkeiten, eine exekutive Fußspur, eine wirkungsvolle Karenzzeit und Verhaltensregeln für Abgeordnete benötigen. Wir brauchen insgesamt eine breite Debatte über die Zukunft unserer Demokratie und Regeln für Abgeordnete und Regierungsmitglieder. Wir müssen endlich begreifen, dass wir kein Unternehmen sind, das seine Geheimnisse abschottet, sondern dass die Bevölkerung unser Chef ist. Wir sind die Entscheidungsmitte, nicht die Konzerne und auch nicht die Regierung.

Die Bekämpfung des ausufernden Lobbyismus und die Weiterentwicklung unserer Demokratie sind für mich seit vielen Jahren Schwerpunkte meiner Arbeit und werden dies auch in Zukunft bleiben. Deshalb habe ich einen Kodex entwickelt, mit dem ich und über 40 weitere Abgeordnete sich zu deutlich mehr Transparenz verpflichten, wir Nebentätigkeiten deutlich eingrenzen und uns festlegen nicht direkt in eine Lobbytätigkeit zu wechseln.

Beauftragte für Lobbyismuskontrolle

Konkret und neu schlage ich auch eine/n Beauftragte/n im Bundestag und eine/n Staatssekretär/in im Innenministerium für Transparenz und Lobbyismuskontrolle vor. Dies würde sicherstellen, dass es sowohl im Parlament als auch in der Regierung Personen gäbe, die sich ausschließlich mit diesem Thema beschäftigen, Vorschläge erarbeiten und auf Verstöße gegen die Verhaltensregeln aufmerksam machen.

Sollte die SPD nach den Wahlen in Koalitionsverhandlungen gehen, muss das Thema Lobbyismus ganz nach oben auf die Agenda und es muss Druck ausgeübt werden auf etwaige Koalitionspartner. Wir sind es unseren Wählerinnen und Wählern schuldig, nun endlich für mehr Transparenz und echte Regulierung des Lobbyismus‘ zu sorgen.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
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