Klartext. Haltung. SPD - Teil 2

Sozialdemokratie Die SPD muss sich personell und strukturell erneuern. Ein Vorschlag

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Es geht um die Zukunft der SPD. Die Jusos kann man da nicht einfach mit Füßen treten
Es geht um die Zukunft der SPD. Die Jusos kann man da nicht einfach mit Füßen treten

Foto: Alexander Koerner/Getty Images

Wie geht es mit der SPD weiter? Nach meinem Aufruf direkt nach der Wahl wird es Zeit, konkreter zu werden. In einem ersten Teil habe ich diesbezüglich eine Positionierung vorgenommen. In diesem zweiten Teil folgen direkte Vorschläge zur personellen und strukturellen Erneuerung. Um die inhaltliche Neuausrichtung wird es in einem dritten Teil gehen. Die Debatte darf nicht durch aktuelle Entwicklungen ausgebremst werden.

Eine glaubwürdige, nachhaltige Erneuerung gelingt nur, wenn unsere Themen, unsere Visionen in dieser schnelllebigen Zeit modern aufbereitet und gesetzt werden. Wir brauchen einen „Idealismus ohne Illusionen“. Gleichzeitig muss aus dem hierarchischen Wahlverein wieder eine Mitmachpartei werden, bei der die Basis mitentscheidet und Menschen einen Sinn sehen, sich zu beteiligen. Dazu müssen die Strukturen und das Personal erweitert und verändert werden.

Personell: weiblicher, jünger, kritischer

Nur wenn die Spitze von Partei und Fraktion auch mit neuen Köpfen und mit konstruktiven Kritiker/innen des alten Kurses besetzt wird, kann man eine glaubwürdige Erneuerung einleiten. Dies gilt natürlich nicht nur für die Bundesebene und nicht nur für die Spitze. Wir leiden auch darunter, dass sich Parteifunktionäre und Mandatsträger/innen der zweiten und dritten Reihe – trotz teilweiser guter Arbeit – zu sehr anpassen und den vorgegebenen Kurs verteidigen oder abnicken. Dabei bräuchten wir eine konstruktiv kritische Mit- und Zuarbeit, durch die eine Weiterentwicklung möglich ist. Die Neuaufstellung muss sich durch die ganze Partei ziehen. Haben wir Mut zur Vielfalt und Auseinandersetzung!

Spitzenpositionen sollten deutlich weiblicher, vielfältiger und jünger besetzt werden. Trotz Geschlechterquote und obwohl es viele gute junge Leute gibt, die sich bei den Jusos engagieren, ist unser Mix bei den Mandaten und an der Parteispitze nicht zeitgemäß. Die SPD-Bundestagsfraktion ist beispielsweise die zweitälteste Fraktion im Bundestag. Wir müssen auch der Öffentlichkeit offenbaren, welch tolle Menschen aus den verschiedensten Bereichen wir in der Partei haben. Expertinnen und Fachmänner, die glaubwürdig ihre Themen innerhalb und außerhalb der Partei vertreten. Es wäre zeitgemäß, wenn wir sowohl in der Partei, als auch in der Fraktion eine Doppelspitze von Mann und Frau hätten, so könnten wir mehrere Köpfe und mehr Vielfalt präsentieren.

Die SPD darf Posten aber nicht mehr in erster Linie nach Proporz, nach Strömungen und Landesverbänden besetzen. Es sollte keine Vorgabe der Landesspitzen bei der Aufstellung geben, sondern gezielt mehrere Kandidaturen um die jeweiligen Listenplätze. Wenn wir eine lebendige Volkspartei sein wollen, dann müssen wir quer- und andersdenken ertragen und nicht jede Kritik an der Führung niederbeißen und bei Abstimmungen drohen, dass Abweichler/innen dann nicht mehr aufgestellt werden. Zudem sollten wir auch Führungspersonal nach der eigentlichen politischen Karriere nicht mehr mit Versorgungsposten versehen.

Stimmberechtigte Delegierte auf Parteitagen und vor allem auf dem Konvent dürften keine Mandatsträger/innen sein, die sowieso genügend Einfluss haben und zudem bei wichtigen Abstimmungen mit dem Entzug ihres Postens oder anderem unter Druck gesetzt werden können. Bei Abstimmungen um die Vorratsdatenspeicherung haben wir erlebt, wie mit dem Entzug des Listenplatzes bei der nächsten Aufstellung zur Wahl gedroht wurde. Nein, hier soll wirklich die Basis zum Zug kommen, sie soll ein wirkliches Korrektiv zu der Politik der Fraktionen darstellen. Genauso muss die Antragskommission entmachtet werden, nach deren Votum sich meist auch die Mehrheit des Parteitages richtet. Wir brauchen eine Sortierung, aber keine Bevormundung.

Die Urwahl sollte nicht nur in Ausnahmefällen angewendet werden, sondern zu einem wichtigen Prinzip werden. So käme es erst gar nicht dazu, dass nur im Hinterzimmer eine/r ausgeguckt wird, sondern wirklich ein demokratischer Wettstreit um ein Mandat oder Spitzenamt entsteht. Zudem sollte man dringend einen Kodex für alle einführen, die für die SPD ein Mandat anstreben. Darin sind Verhaltensregeln festzulegen, die u.a. ein gleichzeitiges Einkommen durch eine Nebentätigkeit beispielsweise für einen Konzern oder einen Lobbyverband verhindern.

Strukturell: Moderner, offener, transparenter

Die SPD muss moderner werden, neue Medien besser einsetzen und Menschen mitnehmen, die nicht den klassischen Weg bevorzugen. Die Mitbestimmungsmöglichkeiten müssen modernisiert und erweitert werden und dennoch sollten wir den Ortsverein als Keimzelle der Partei erhalten und stärken.

Gute Vorschläge kommen von der Initiative SPD++. Besonders wichtig ist, dass es einfacher wird sich in der SPD zu beteiligen, dass sie offener und digitaler wird. Es muss zudem möglich sein, ein Mitgliederbegehren schneller und online zu initiieren und zu unterzeichnen. Auch wissenschaftliche Untersuchungen zeigen, dass Parteien durch mehr Mitbestimmung ihrer Mitglieder attraktiver werden (http://www.innerparteiliche-demokratie.de/). Daneben sollte geprüft werden, inwieweit man auch Nicht-Parteimitglieder an einzelnen Punkten beteiligt. Es gibt immer mehr Menschen, die keine dauerhafte Mitgliedschaft in einer Partei wollen, an punktueller Mitarbeit aber Interesse hätten und mit ihrer Expertise die inhaltliche Arbeit bereichern könnten. Sicherlich muss sich auch im Ortsverein und Unterbezirk einiges ändern, aber nur wenn sich die SPD grundsätzlich wandelt, macht es Sinn die kleinteilige Debatte vor Ort zu führen.

„Rent-a-Sozi“ hat uns massiv geschadet und insgesamt sind wir nicht viel transparenter und offener als die konservativen Parteien. Mit dem Verein Demokratie+ habe ich Vorschläge für strukturelle Reformen von Parteien vorgelegt und z.B. einen Ethik-Kodex für Mandats- und Amtsträger/innen von Parteien entwickelt, der auch innerhalb der SPD diskutiert werden sollte. Zumindest Teile davon, z.B. die Beschränkung von Nebentätigkeiten oder die Offenlegung aller Lobbykontakte, wären für die Partei umsetzbar und würden sie deutlich transparenter und glaubwürdiger machen.

Grundsätzlich überdenken muss die SPD ihren Umgang mit Parteispenden und –sponsoring von Unternehmen. Ich bin der Überzeugung, dass wir hier Grenzen brauchen (z.B. auf 50.000 Euro pro Spender/in und Jahr) und viel stärker auf Kleinspenden setzen sollten. Auch Sozialdemokrat/innen sind zu sehr verflochten mit einigen Konzernen, lassen sich neben ihrem Mandat oder Ministerposten von Lobbyist/innen bezahlen. Vor allem schadet uns der Übergang von Parteigrößen nach ihrer Karriere ohne Karenzzeit in Konzernzentralen. Wenn wir glaubhaft vertreten wollen, dass wir für die Menschen da sind und nicht für die Interessen einiger Großunternehmen, müssen wir dies beenden Wir brauchen stattdessen neue und kreative Wege. Bernie Sanders hat es in den USA vorgemacht, dass es möglich ist hauptsächlich auf Spenden von Privatpersonen zu setzen.

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