Des Satans nackte Sklavin

Filmklassiker neu gesehen BRD 1959, von Victor Trivas, mit Horst Frank, Karin Kernke, Christiane Maybach, Dieter Eppler, Paul Dahlke und Michel Simon

Bei diesem Beitrag handelt es sich um ein Blog aus der Freitag-Community.
Ihre Freitag-Redaktion

In einer Reihe mit Filmen der jungen Bundesrepublik Deutschland und DDR zeigte das Deutsche Filmmuseum Ende April einen selten zu sehenden Filmklassiker, der aufgrund seiner Machart und seines Titels oft als Trash oder Schundfilm klassifiziert wird. Die Einschätzung ist nach genauerer Betrachtung ungerechtfertigt: DES SATANS NACKTE SKLAVIN – hier unter dem Alternativtitel DIE NACKTE UND DER SATAN.

Vor ca. 20 Jahren hatte ich den Film zum ersten mal im Kabelfernsehen gesehen und hatte nun die einmalige Gelegenheit, ihn in einer gut erhaltenem 35mm-Fassung mit sehr wenigen Filmrissen und Abnutzungsspuren zu bestaunen.

Handlung

Der mysteriöse Arzt und Wissenschaftler Dr. Ooth (Horst Frank) sucht das Haus des Wissenschaftlers Professor Abel (der Schweizer Filmstar Michel Simon) auf, um an Experimenten teilzunehmen, die Organ- und Körperteilexperimente umfassen. Bereits erfolgreich abgeschlossene Tierversucher sollen beim Menschen fortgesetzt werden. Die im Dialog erwähnten Experimente russischer Wissenschaftler mit lebenden Hundeköpfen gab es leider wirklich.

Der schwer herzkranke Professor Abel droht, bei einer missglückten Herztransplantation zu sterben. Doktor Ooth hält seinen Kopf mit der Vorrichtung am Leben, die vor der Filmhandlung für den bewussten Hundekopf verwendet worden war. Irene, eine schwer behinderte Krankenschwester mit deformierten Knochen und Gelenken, die wir zwischenzeitlich kennen lernten, soll mit Hilfe der erworbenen Kenntnisse von Professor Abel operiert und geheilt werden. Da nur noch sein Kopf lebt, führt Doktor Ooth die Operation durch, indem er Nachtclubtänzerin Lilly tötet und Irenes Kopf auf ihren Körper versetzt. Ooth kennt Lilly von früher; beide sind wegen fragwürdiger Experimente bzw. Mord vorbestraft, flüchteten und setzten ihr Leben mit veränderter Identität fort. Künstler Paul (Dieter Eppler, bekannt aus diversen Edgar-Wallace-Filmen) erkennt Monate nach Lillys Verschwinden ein Muttermal an der Schulter von Irenes neuem Körper und der Anfangsverdacht wird bestätigt. Zum finalen Höhepunkt vernichtet Dr. Ooth die Forschungsergebnisse, zündet das Haus an und stürzt sich mit letalem Ergebnis aus dem Fenster.

Verkannter Schmuddelfilm

Einen Film, der unübersehbar an die Menschenversuche in nationalsozialistischen Konzentrationslagern erinnerte, wollte damals wohl niemand finanzieren. So übernahm die Produktion der Filmproduzent Wolf C. Hartwig, der in diesen Jahren mit leichter und frivoler Unterhaltung punkten konnte. Mit leichten Mädchen und schweren Jungs – gerne an exotischen Orten – unterhielt er bis in die 70er das Kinopublikum, bevor er mit 13 Teilen „Schulmädchenreport“ den gefälschten Dokumentarfilm erfand. Die Filmemacher konnten sich frei entfalten, wenn ein bisschen Rot- und Blaulicht, ein bisschen Halb- und Unterwelt, ein bisschen Nachtclub, Nacktheit und Erotik gezeigt werden. Ein reißerischer Titel dazu und fertig war das gewisse Etwas, das gerne Schmuddelfilm genannt wird.

Je nach Genre habe ich im Kino bzw. im Heimkino gar nichts dagegen, wenn es ein bisschen krank, ein bisschen pervers und ein bisschen schmutzig wird. Aber darauf darf dieser Film nicht reduziert werden.

Es werden ernsthaft wissenschaftliche und ethische Themen filmisch bearbeitet – wie eben die Menschenversuchen der Nazis, der Wert menschlichen Lebens und die sehr früh gestellte Frage nach einem selbtbestimmten Leben und Sterben: Professor Abel, der als lebender Kopf das Äquivalent zu einem querschnittgelähmten Menschen ist, stellt die Frage, was das für ein Leben ist, und bittet mehrfach darum, getötet zu werden.

Fazit:

Der Film überzeugt durch eine großartige Ausstattung und Bildgestaltung in schwarz-weiß sowie durch eine gute bis sehr gute Besetzung, u.A. Paul Dahlke in einer Nebenrolle als Polizeikommisar. Hier ragt natürlich Horst Frank mit einer großartig-geisteskranken Darstellung als verrückter Wissenschaftler heraus, der sich nicht vor den Frankensteins und ihren Monstern der britischen Hammer-Filme verstecken muss.

Im Gegensatz zu den allermeisten aktuellen deutschen Filmen sehr sehenswert, danke Deutsches Filmmuseum.

Auf der Heimfahrt

Auf der Heimfahrt frage ich mich, ob Quentin Tarantino bei der Besetzung seines SS-Kommandeurs in INGLOURIOUS BASTERDS vielleicht den entfesselten Horst Frank in dieser Rolle vor den Augen und im Drehbuchschreiber-Hirn hatte. Wäre Horst Frank 2009 noch am Leben und ein paar Jahre jünger gewesen, hätte er die Rolle vielleicht bekommen.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Martin Betzwieser

Personifizierter Ärger über Meinungsmanipulation, Kino- und Kabarattliebhaber

Martin Betzwieser

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden