Der Abschied von Indiana Jones

Film + Kino INDIANA JONES UND DAS RAD DES SCHICKSALS ist etwas besser als befürchtet aber schlimmer als erhofft. Der Abschied ist traurig und entwürdigend.

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Sofort enttäuscht der Film mit dem Fehlen eines klassichen Indiana-Jones-Gags, nämlich dem Übergang vom Paramount-Motiv zum Bild eines Berges. Auch das Fehlen der Vorspanntitel enttäuscht.

Die lange Auseinandersetzung des digital verjüngten Indiana Jones und seines Kumpels Basil Shaw ist insgesamt spannend und gelungen, wobei der jüngere Indiana Jones optisch nicht überzeugt und die alte Stimme des alten Harrison Ford in der Originalfassung bzw. des alten Synchronsprechers Wolfgang Pampel irritieren.

Die Einführung des alten Indiana Jones in Unterhose an seinem letzten Arbeitstag ist dann auch der traurige und entwürdigende Anfang einer traurigen und entwürdigenden Handlung. Indy hat scheinbar ein Alkoholproblem und gönnt sich auf nüchternen Magen einen Whiskey. Wir sehen im Regal klein aber erkennbar ein Schwarz-Weiß-Foto von Indy´s Sohn Henry Jones III alias Mutt neben dem Foto des Vaters und aufmerksames Publikum weiß bescheid, lange bevor die kurze Geschichte von Mutt in einem kurzen Dialog erklärt wird. Die Ehe mit Marion steht kurz vor der Scheidung. Die Tochter von Basil Shaw und Patentochter von Indy, von der wir noch nie etwas gesehen, gehört oder gelesen hatten, taucht nach vielen Jahren ohne Kontakt auf, weil sie seine Hilfe braucht und das Verhältnis und die Chemie der Beiden stimmt nie richtig. Zwei wirklich interessante Filmfiguren wie der von Thomas Kretschmann gespielte Nazi-Offizier und die afroamerikanische Geheimdienstagentin scheiden früh aus der Handlung aus.

Entwürdigend ist auch, dass dem tattergreisigen Indiana Jones immer noch selbstmörderische Stunts wie die Sprünge zwischen den Fahrzeugen oder ein Absprung aus einem Flugzeug zugemutet wurden. So etwas wurde im 2008er KRISTALLSCHÄDEL, den ich im Gegensatz zu den Meisten Anderen übrigens sehr mochte, teilweise von Mutt erledigt und das funktionierte gut.
Viele Handlungselemente und Filmfiguren wirken auf mich wie Imitationen aus früheren INDIANA-JONES-FILMEN, ohne annähernd deren Qualität zu erreichen. Krabbelnde Insekten und eine Hängebrücke gab es schon bedeutend besser.

Das große Problem ist aber die Regie. James Mangold ist kein schlechter Regisseur, aber er ist kein Steven Spielberg. Er ist ein mittelmäßiger Auftragsregisseur. Steven Spielberg schafft es wie kaum ein anderer Regisseur im Hollywood-Blockbuster-Kino, aus einer Handlung und einer Szene das Maximum von Emotionenen heraus zu holen, von Romantik bis Ekel, von Glück bis Todesangst, von Humor und Klamauk bis Staunen. Und das schafft James Mangold nicht annähnernd.

Nach dem Verkauf von LUCAS FILM an den Disney-Konzern zog sich George Lucas aus dem aktiven Filmgeschäft zurück. Steven Spielberg zog sich nach seiner Mitwirkung am Entwicklungsstadium als Regisseur zurück. Beide tauchen im Abspann als Exetutive Producers auf. Der Rückzug von Steven Spielberg als Regisseur wäre auch für Hauptdarsteller Harrison Ford die richtige Zeit gewesen, sich zu verabschieden.

Wir treffen den ehemaligen Wüstenbewohner Sallah (John Rhys-Davis) in zwei Szenen wieder, der nun in New York lebt und an jedem Tag die Wüste und das Meer des Orients vermisst. Das ist so traurig.

Der dänische Weltstar Mads Mikkelsen ist einer der besten aktiven Schauspieler des Universums. Seine Darstellung als Nazi macht auf mich den Eindruck, als habe er keine Lust auf die Rolle und spiele sie wegen der Gage, von der Mikkelsen in Dänemark ein halbes Jahr Theater spielen oder zum Selbstkostenpreis in zwei dänischen Filmen mitspielen kann. Wahrscheinlich sollte er wie in fast allen seinen Hollywood-Rollen eine Variation seines Le Chiffre spielen und so sieht es aus. Und das nehme ich ihm nicht übel.

In der Abschlussszene treffen wir auch eine bekannte Persönlichkeit wieder, zu der ich nichts schreibe und die das Filmende immerhin etwas versöhnlich gestaltet.

Der allererste Indiana-Jones-Film JÄGER DES VERLORENEN SCHATZES kostete inflationsbereinigt übrigens 20 Millionen $ und sieht immer noch sehr gut aus. Der Zweite INDIANA JONES UND DER TEMPEL DES TODES kostete inflationsbereinigt 28 Millionen § und sieht immer noch sehr gut aus. INDIANA JONES UND DAS RAD DES SCHICKSALS kostete 300 Millionen § und sieht vergleichsweise gar nicht gut aus.

Möge Indiana Jones nun in Frieden ruhen.

USA 2022/2023, von James Mangold, mit Harrison Ford, Phoebe Waller-Bridge, Mads Mikkelsen, Ethann Isidore, Boyd Holbrook, Oliver Richter, Toby Jones, Thomas Kretschmann, Shaunett Wilson sowie John Rhys-Davies und Karen Allen

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Geschrieben von

Martin Betzwieser

Personifizierter Ärger über Meinungsmanipulation, Kino- und Kabarattliebhaber

Martin Betzwieser

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