Die FDP sorgt selbst für ihren Ruf

Innenpolitik Die Liberalen gelten als Herrenclub. An diesem Image arbeiten sie seit Jahren konsequent
Ausgabe 38/2020
„Hat die FDP ein Frauenproblem?“ Diese Frage, mit der Lindner täglich konfrontiert wird, ist älter als der „Herrenwitz“ von Rainer Brüderle
„Hat die FDP ein Frauenproblem?“ Diese Frage, mit der Lindner täglich konfrontiert wird, ist älter als der „Herrenwitz“ von Rainer Brüderle

Foto: Revierfoto/Imago Images

Christian Lindner organisiert seine Partei als One-Man-Show, also braucht er ein umfangreiches Rollenrepertoire. Die Inszenierung als Frauenförderer dürfte dem FDP-Chef auf dem anstehenden Parteitag mehr abverlangen als bislang. Wobei die Messlatte dafür in dieser Partei ohnehin tief liegt. „Die Frauen, die die FDP hat, sind vielleicht nicht die besten Anwältinnen für die Frauen, die wir noch bekommen könnten“, gab Lindner vor zwei Jahren in einem Interview mit dem Stern zum besten. Schuld an der mangelnden Attraktivität seiner Partei für Frauen sind demnach die Frauen in der Partei. Weniger einnehmend kann ein Parteichef wohl kaum für seine frauenpolitische Agenda werben.

Derzeit geht es allerdings weniger um die Frauen, die die FDP bekommen könnte, sondern um Führungsfrauen, die die Partei verliert. Gleich drei FDP-Politikerinnen verlassen die erste Reihe. Generalsekretärin Linda Teuteberg, die unter anderem dem Image der FDP als Männerpartei entgegenwirken sollte, wurde von Lindner geschasst. Auf sie folgt ein Mann. Beim Parteitag am Samstag soll Volker Wissing, Wirtschaftsminister in Rheinland-Pfalz, zum Generalsekretär gekürt werden. Ria Schröder, die Chefin der Jungliberalen und erst die zweite Frau auf diesem Posten in der Parteigeschichte, kandidierte im August nach nur zwei Jahren im Amt nicht mehr für die Wiederwahl. Anfang September hat auch noch die stellvertretende Bundesvorsitzende der FDP, Katja Suding, ihren Ausstieg aus der Politik angekündigt. Kurz vor dem Parteitag kommt diese Nachricht für Lindner ungelegen. Die FDP rauscht in Umfragen gerade in Richtung fünf Prozent, die Kommunalwahlen in Nordrhein-Westfalen änderten nichts am Abwärtstrend. In solchen Momenten hat die FDP gerne in der Erinnerung an Sudings Wahlerfolge als Hamburger Landeschefin Trost gesucht. Wobei auch das als Ablenkung vom Trauma des Abstiegs in die außerparlamentarische Opposition nicht mehr funktioniert. Bei der Wahl in Hamburg scheiterte die FDP zuletzt am Wiedereinzug.

„Hat die FDP ein Frauenproblem?“ Diese Frage, mit der Lindner täglich konfrontiert wird, ist älter als der „Herrenwitz“ von Rainer Brüderle. Selbst zu Zeiten, in denen noch streitfreudigere Frauen mit Doppelnamen wie Hildegard Hamm-Brücher, Sabine Leutheusser-Schnarrenberger oder Cornelia Schmalz-Jacobsen reüssierten, hatte die FDP den Ruf einer Männerpartei. Jahrzehntelang regierte sie mit der Union im Bund, aber nur zwei FDP-Frauen schafften es jemals als Ministerinnen ins Bundeskabinett. Kaum Zuspruch bei den Wählerinnen, der drittniedrigste Frauenanteil unter den Mitgliedern nach AfD und CSU, das wollte Lindner ändern. Nicht, weil er plötzlich den Frauenrechtler in sich entdeckt hätte, sondern weil er in Frauen ein „ungehobenes Potenzial“ sieht.

Um mehr Wählerschichten als das männliche Mittelstandsmilieu zu erreichen, verordnete Lindner der FDP eine empathischere Rhetorik. Abgesehen davon, dass der Chef mit seiner schrillen Tonalität sich daran selbst kaum hält, wählt „die katholische Arbeitertochter vom Land“, die Ralf Dahrendorf erreichen wollte, heute die Grünen. Er brauche mehr „Hilfe und Unterstützung“, sagte Lindner zur Abberufung der Generalsekretärin. Dass Bremens FDP-Fraktionschefin zu Lindners Entlastung eine Doppelspitze ins Spiel brachte, dürfte dem Alleinherrscher aber kaum gefallen. Auch nach dem Tabubruch von Thüringen macht Lindner weiter mit dem Vokabular des neurechten Populismus. Passend zum damit einhergehenden Antifeminismus klagt Lindner denn auch über „Gender-Ideologie“. Hält der Schwund bei den Wählerinnen an, muss sich der FDP-Chef keinen Kopf mehr um falsches Regieren machen. Vielleicht reicht es dann nicht einmal mehr für das falsche Opponieren.

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