Einen Rückzug vom Rückzug konnte sich selbst Horst Seehofer dieses Mal nicht herausnehmen. Aber wenn es um die eigene politische Zukunft geht, setzt der Mann, der sich seit Jahren als kompromissloser Vertreter von Law-and-Order präsentiert, gern auf halbe Sachen. Das passt zu seinem Hang, Politik als persönliches Drama zu inszenieren. Den CSU-Parteivorsitz muss er abgeben, Bundesinnenminister möchte er bleiben. Dass ausgerechnet sein ewiger Rivale Markus Söder nun beste Chancen hat, ihn als Parteichef in Bayern zu beerben, dürfte Seehofer nur noch in der Entscheidung bestärkt haben, in Berlin weitermachen zu wollen. In einer anderen Rolle als der des rechten Oppositionspolitikers, der das eigene Kabinett vor sich hertreibt, kann man ihn sich dort allerdings kaum noch vorstellen. Den Zeitpunkt für einen Abschied in Würde hat Seehofer ohnehin längst verpasst.
Er wolle nicht der „Watschenbaum“ für das schlechte Ergebnis der CSU bei der Landtagswahl sein, das hat Seehofer in den vergangenen Tagen, als sich die Stimmung in seiner Partei – auch öffentlich wahrnehmbar – gegen ihn drehte, bekundet. Am Ende ist Seehofer doch derjenige geworden, den man zum alleinig Schuldigen auserkoren hat. Dabei wurde die Eskalation im Streit mit der Schwesterpartei, die populistische Rhetorik und die Entscheidung für die monothematische Ausrichtung auf die Asylpolitik von Seehofer nicht im Alleingang vollführt, sondern eifrig orchestriert. Ministerpräsident Söder rief das Ende des geordneten Multilateralismus aus, das war eine Attacke auf das Grundprinzip der EU. CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt forderte in Anlehnung an Armin Mohler bei einem Treffen mit Viktor Orbán die „Konservative Revolution“ und Seehofer beklagte die „Herrschaft des Unrechts“.
Angesichts der verheerenden Resonanz, die ihnen diese Agitation bescherte, stellten sie lediglich eine verbale Abrüstung in Aussicht. Das wirft die Frage auf, wie man sich die Erneuerung der Partei, von der seit gestern die Rede ist, vorstellen soll. Dass der Rückzug von Seehofer automatisch eine programmatische Änderung herbeiführt, ist zweifelhaft. Man kann nicht behaupten, die gemäßigteren Vertreter der CSU hätten mit lautstarken Protest auf sich aufmerksam gemacht, das gibt einen Einblick in die Kräfteverhältnisse. Und auch um die innerparteiliche Demokratie scheint es nicht allzu gut bestellt zu sein, selbst zahlreiche CSU-Spitzenpolitiker hatten überraschend lange keinen Schimmer, mit was genau Seehofers „Masterplan Migration“ aufwartete.
In den vergangen Monaten konnte man beobachten, wie die CSU am Diktum von Franz Josef Strauß, rechts neben ihr dürfe es „keine demokratisch legitimierte Partei geben“, irre zu werden droht. Von bürgerlichen Hemmungen war da kaum noch etwas zu spüren, Seehofers öffentlicher Schulterschluss mit Österreichs FPÖ-Innenminister Herbert Kickl von der extrem rechten FPÖ und Italiens Innenminister Matteo Salvini von der faschistischen Lega lieferte das Sinnbild dafür.
Als Seehofer vor zehn Jahren CSU-Chef wurde, schien er für die Rolle des rechten Scharfmachers nicht prädestiniert zu sein. Angesichts seines Widerstands gegen die Kopfpauschale und seiner Kritik an Hartz-IV galt er vielen in der Partei geradezu als verdächtig sozialdemokratisch. Der Wandel deutete sich spätestens an, als er 2011 bei einer Aschermittwochsrede verkündete, er werde sich gegen die Einwanderung in die Sozialsysteme bis „zur letzten Patrone“ wehren. Mit dem Aufkommen der AfD setzte die CSU auf die Strategie der Imitation, entsprechend driftete sie dabei immer weiter nach rechts. Das erklärte Idol von Markus Söder ist Franz-Josef Strauß, für einen Kurswechsel spricht das nicht. Aber immerhin hat der potenzielle Nachfolger den Ruf, ein Mann ohne Prinzipien zu sein.
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