Lange war Party am Markt für Kryptowährungen. Tech-Nerds machten die Musik, Finanz-Influencer lockten Gäste – mit leeren Versprechungen vom anstrengungslosen Reichtum über Nacht. Während Libertäre noch diese Party ohne Türsteher bejubeln, herrscht längst der Kater. Exemplarisch ist die Kursflaute beim Bitcoin und die Implosion der Kryptobörse FTX.
Noch 2021 hatte dieses Mega-Start-up, das mit Kryptowährungen handelte und wie eine Bank Depots dafür anbot, ein tägliches Handelsvolumen von zehn Milliarden und wurde selbst auf 25 Milliarden Dollar taxiert. Der nerdige Gründer Sam Bankman-Fried, der angeblich nur reich werden wollte, um seine Milliarden zu spenden, galt als Good Guy auf dem hochspekulativen Kryptomarkt. Nun h
rkt. Nun hat sich alles in Luft aufgelöst – und den ganzen Markt in Misskredit gebracht. Selbst die größte und bekannteste Kryptoanlage, der Bitcoin, verlor ein Viertel ihres Wertes. FTX hat andere Börsen mitruiniert: Blockfi hat Insolvenz angemeldet, Genesis ist kurz davor. Zuvor waren 2022 mit Terra und Celcius schon zwei Krypo-Sterne vom Himmel gefallen. Noch ist nicht ganz klar, wie es dazu kam. Bankman-Fried weist Vorwürfe zurück, die Staatsanwaltschaft hat Anklage wegen Betrugs und Verschwörung erhoben. Anleger wurden um Milliarden geprellt. Einlagensicherungen wie bei klassischen Banken greifen hier nicht. Bei einer Pleite gehen Depots gleich an den Insolvenzverwalter – auf Nimmerwiedersehen.Von Strom über Sprit bis Sahne: Seit einem Jahr klagen wir in Deutschland über steigende Preise – wegen der gebrochenen Lieferketten in der Pandemie, wegen Putins Krieg und der preistreibenden Panik an Energiebörsen. Beim Kryptomarkt gilt das Gegenteil: Hier fallen die Preise. Nur ist das keine gute Nachricht für Anleger. Die Gründe sind schnell ausgemacht. Zum einen der Vertrauensverlust durch die vielen Pleiten. Zum anderen gibt es bei der Bank wieder Zinsen, seit die Europäische Zentralbank den Nullzins-Kurs beendet hat. Selbst öde Staatsanleihen bringen ein paar Prozent. Bei Kryptowährungen gab und gibt es dagegen weder Zins noch Dividende – sondern nur die riskante Wette auf Kursgewinne.Und dann ist da der Energiepreis-Schock. Kryptowährungen wie Bitcoin sind virtuell, aber nicht immateriell. Sie werden produziert – von „Minern“, die stromfressende Rechnerfarmen rödeln lassen, um die Blockchain fortzuschreiben, den Code, auf dem die Währung basiert. Belohnt werden sie dafür mit neuen Bitcoins. Doch jetzt gehen die Produktionskosten durch die Decke, während der niedrige Kurs die Erträge schmälert. Um steigende Kosten zu decken, verkaufen Miner immer schneller ihre Bitcoin-Bestände, selbst Branchenriesen wie Core Scientific. Die Mining-Firma machte im dritten Quartal eine halbe Milliarde Dollar Miese und kündigte an, dass demnächst das Geld ausgeht. Die Aktie notiert 98 Prozent niedriger als 2021.Zuletzt hatten die Krypto-Dealer die Gäste mit dem Versprechen auf die Tanzfläche gelockt, man sei dort sicher vor Inflation. Gestalten wie der Bestsellerautor und Crash-Prophet Marc Friedrich preisen den Bitcoin regelmäßig gar als Lebensversicherung für die Kaufkraft. Die Zahlen sprechen aber eine andere Sprache: Wer vor einem Jahr Euro gegen Bitcoin tauschte und diese heute ausgeben will, hat zusätzlich zur Inflationsrate von zehn Prozent noch über 60 Prozent Kursverlust zu verdauen. Nicht, dass das aus Anlegersicht optimal wäre – aber wer die Party ausgelassen und sein Geld schlicht auf dem Konto geparkt hatte, verlor trotz Inflation weniger Kaufkraft als die Bitcoin-Tänzer.Im einstweiligen Rückblick war der Krypto-Hype eine weltliche Erlösungsfantasie. Wie arm oder reich die Leute waren, deren Geld bei FTX und anderswo verpufft ist, weiß niemand. Klar ist aber, was hier platzte: die Hoffnung, sich den Mühen einer Gesellschaft per Mausklick-Zauber ein für alle Mal entziehen zu können, die konventionelle Auswege für viele immer schwerer macht. So mag man es zwar besser gewusst haben, sollte sich aber Schadenfreude verkneifen.Placeholder infobox-1