Geben Sie es zu: Wenn Sie in den Himmel schauen und ein Flugzeug sehen, denken Sie an Absturz. Sie wollen das nicht, und Sie wollen natürlich auch nicht, dass es wirklich abstürzt, und natürlich wünschen Sie sich, dass niemals mehr ein Flugzeug abstürzt. Am besten sollten die gar nicht mehr fliegen – oder weniger fliegen, die Gründe sind bekannt. Aber Mist, der Gedanke war kurz da.
Kein Problem, alles gut, Sie sind ein Mensch. Und die Grünen für Sie da. Sie sind die Partei der Vernunft. Und bekanntlich der Ansicht, dass es zur Durchsetzung dieser Vernunft der lenkenden Hand des Staates bedarf. Das Etikett der Verbotspartei klebt ihnen an. Denn oft betreffen diese Verbote Dinge, die einer Menge Leute Spaß machen. Schnell Auto fahren oder überhaupt Auto fahren, Junkfood essen, Computerspiele, dreckige Witze machen, rauchen, Biergarten, oder noch besser: rauchen im Biergarten (Verbot 2007 von Hiltrud Beyer gefordert), Missionarsstellung (kommt noch), solche Dinge. „Guilty Pleasures“, könnte man sagen. Im Internet gibt es eine Liste aller Verbote, die ein Politiker, eine Politikerin dieser Partei je gefordert hat.
Dort sieht man auch, dass die Forderung nach einem Böllerverbot nicht neu ist. Schon 2015 plädierte Hans-Christian Ströbele für ein Verbot, allerdings nur „von größeren Feuerwerkskörpern mit der drei- bis zehnfachen Knallkraft normaler Böller“. Im Volksmund „Polen-Böller“ genannt. Aber die waren damals schon verboten. Ströbeles Appell verpuffte. Interessant ist die Begründung, die er damals lieferte. Durch die latente Terrorgefahr würden viele Menschen in „Schrecken“ versetzt. Genau das ist natürlich das Ziel der Böllerei: Schrecken zu verbreiten. Oder zumindest thrill. Das Verbot erhöht dabei den Reiz. Man kann das nicht gutheißen. Schon gar nicht als Partei. Aber man könnte sagen: Vielleicht besser so als anders.
Aber so ticken weite Teile der Grünen leider nicht. Feuerwerk sollte dieses Jahr bekanntlich komplett verboten werden. In Pandemie-Zeiten müssten die „Krankenhäuser von Feuerwerks-Verletzten entlastet werden“, fand die Berliner Grünen-Fraktionschefin Antje Kapek. Ja, da war doch was. Zugegeben, gerade in Berlin kommt es jedes Jahr zu Verletzungen durch „unsachgemäßen Umgang“ mit Feuerwerk. Aber es sind ja gar nicht nur die „unnötigen Verletzten“, wie wiederum die Grünen-Landtagsabgeordnete Imke Byl meinte: Feuerwerk führt auch zu „teuren Sachschäden, einer gesundheitsbedenklichen Luftverschmutzung, Müllbergen und einer Gefährdung sowohl von Menschen als auch von Haustieren, Wildtieren und der Natur“.
Grüne Apokalyptik in Reinform. Wer jetzt noch Einwände formuliert, hat einfach nicht kapiert, in welcher Lage sich unser Planet befindet! Ein Trumpist, ein Merzianer. Zumindest ein CDU-Anhänger. Denn die sieben unionsgeführten Länder haben sich gegen ein Verkaufsverbot ausgesprochen. Und der Bund hat nun eingelenkt. Es wird dieses Jahr kein generelles Verbot von Feuerwerk an Silvester geben, nur auf öffentlichen Plätzen und Straßen darf nicht gezündelt werden. Und das, obwohl laut aktueller Umfrage 75 Prozent der Deutschen für ein generelles Verkaufsverbot sind.
Ich bezweifle, dass im Restviertel alle unionsnah sind. Vielleicht sind sogar ein paar aufgeklärte Altlinke darunter, die gewisse Sympathien für die Grünen haben, aber schon auch der Meinung sind, dass eine Gesellschaft ihre Ventile braucht, die vielleicht schon mal von der Funktion von Grenzüberschreitungen in Ritualen gehört haben, wie sie die Ethnologie erforscht hat. Es verlangt ja von einer Partei wie den Grünen keiner, dass sie aktiv für die Böllerei ist. Es wäre der großen Sache doch schon Genüge getan, wenn sie einfach mal nicht ein Verbot forderte. Man könnte ja in diesem besonderen Jahr auch so argumentieren: Verzichte, wer kann. „Als solidarisches Zeichen an alle Infizierten und die Menschen, die sich um sie kümmern.“ Leider formuliert so die Gewerkschaft der Polizei, nicht die Grünen.
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