Da fängt das Problem schon an: Ich habe eigentlich keinen direkten Kontakt zu Roma. Ich lese über sie, meistens in unguten Zusammenhängen, eine regelrechte Berichtflut gab es in der Lokalpresse über das sogenannte Horror-Haus in der Berliner Grunewaldstraße, ich höre das eine oder andere, auch hier geht es oft um Diebstahl, Verwahrlosung. Und neulich wollte ich zu einem Straßenfest, war aber verhindert, und, stimmt, ich wollte da auch hin, weil ich die Musik der Sinti und Roma mag, auch wenn ich damit möglicherweise ein "philoziganistisches" Klischee reproduziere.
Klischee und Vorurteil, diese Begriffe sind sofort da, wenn über – und nicht: mit – Roma gesprochen wird. Und ein Aber gesellt sich gleich dazu, auch ich denke oft, „das sind doch nicht alles nur Klischees“. Dazu unten mehr. Sprechen wir erst von denen, die Kontakt zu Roma haben in diesem Berlin: Sachbearbeiter in den Behörden, Vermieter von Wohnungen ... Sie benehmen sich wahrlich nicht immer gut.
118 antiziganistische Vorfälle hat der Verband Amaro Foro für 2015 dokumentiert, die Dunkelziffer ist viel höher. Es kann keinen Zweifel geben, dass Roma stark benachteiligt werden. Bei der Wohnungssuche, bei der Arbeitssuche, bei Sozialleistungen, ja selbst wenn sie ein Auto mieten wollen, kann es vorkommen, dass man es ihnen nicht gibt. Hier muss sensibilisiert werden. Die Roma sind die wohl am meisten diskriminierte Ethnie in Europa. Und ihr Ruf ist wirklich schlecht.
Identifikationsfiguren
So weit die Gegenwart. Meine Vision, sagen wir für 2037, sieht dagegen so aus: Ich habe recht viele Kontakte mit Roma, denn sie sitzen im Amt längst auch auf der anderen Seite des Schalters, manche von ihnen sind sehr freundlich, manche so nervig, wie Beamte nun mal sein können, bei der Polizei, wo man sie immer öfter antrifft, sind sie eigentlich eher die Freundlichen, denn mancher macht ja immer noch Diskriminierungserfahrungen, und Hertha BSC hat gerade Zlatan Ibrahimović als neuen Trainer geholt, der sich endlich zu seinen Roma-Wurzeln bekannt hat.
Zurück in die Gegenwart. Der Herausgeber der Studie zu den antiziganistischen Vorfällen ist eigentlich ein Jugendverein. Amaro Foro bringt junge Roma und Nicht-Roma zusammen. Und bringt die Kids an Orte in der Stadt, an die sie sonst nicht kommen, weil sie kein Geld für einen Eintritt haben oder weil sie erst darauf gebracht werden müssen. Eine Fotodokumentation über die Spree ist so zum Beispiel entstanden. Ziel ihrer Arbeit sei es, die Identität der Kids zu stärken, sagt Merdjan Jakupov, der Vorsitzende des Vereins. Jugendliche, die sich selbstbewusst als Roma verstehen, werden ja akzeptiert in diesem multikulturellen Berlin, es hat positive Effekte auf die Eltern. Und es ist eben kein „Klischee“ (oder ein Beleg dafür, dass Klischees nicht einfach „falsch“ sind): Viele Kids möchten Boxer werden, seit sich der Schwergewichtsweltmeister Tyson Fury als Sprössling von irischen Fahrenden ebenso selbstbewusst wie selbstironisch „Gipsy King“ nennt.
Es bräuchte mehr solcher Identifikationsfiguren. Mein Vorschlag, es wie Rosa von Praunheim zu machen, der vor Jahren prominente Schwule zwangsgeoutet hat, stößt bei meinem Gesprächspartner zu Recht auf Skepsis. So oder so: Roma müssen sichtbarer werden, dann wird die Mehrheitsgesellschaft differenzieren, zum Beispiel sind 90 Prozent von ihnen sesshaft und sie leben eben nicht nur in medial bis in den letzten Müllhaufen ausgeleuchteten „Horror-Häusern“. Aber wem sage ich das?
Was ist Ihre Meinung?
Kommentare einblendenDiskutieren Sie mit.