Das war’s dann wohl

AfD Nach Bernd Luckes herber Niederlage mit Austritt ist die Alternative für Deutschland jetzt das Projekt ihres rechten Flügels und die Partei damit wohl am Ende
Ausgabe 28/2015
Wenn zwei sich streiten: Frauke Petry (rechtes) hat Bernd Lucke an der Spitze abgelöst
Wenn zwei sich streiten: Frauke Petry (rechtes) hat Bernd Lucke an der Spitze abgelöst

Foto: Volker Hartmann/Getty Images

Nun ist eingetreten, wovor Bernd Lucke warnen wollte, indem er den Verein „Weckruf 2015“ gründete: Die Alternative für Deutschland ist jetzt das Projekt ihres rechteren Flügels. Nach Luckes herber Niederlage auf dem Parteitag in Essen haben viele Weckruf-Mitglieder die Partei bereits verlassen, darunter eben Lucke und der frühere BDI-Präsident Hans-Olaf Henkel. Nach dessen Worten hat sich die AfD zur „NPD im Schafspelz“ entwickelt. Lucke selbst hat eine Umfrage im Weckruf gestartet, die offenbar auf den geordneten Austritt des ganzen Vereins zielt. Hält doch die Vereinsvorsitzende Ulrike Trebesius der neuen Parteichefin Frauke Petry vor, sie habe sich „mit den Rechten ins Bett gelegt“. Wenn solche Worte fallen, dann geht gar nichts mehr.

Da der Weckruf etwa 40 Prozent der Partei repräsentiert, ist die AfD damit wohl am Ende. Denn die starke Parteiminderheit repräsentiert ihrerseits Wähler, die sich abwenden werden, so dass der Sprung über die Fünfprozenthürde bei Wahlen nicht mehr gelingen kann. Eigentlich ist das frühe Scheitern des AfD-Projekts zum Staunen. Denn was ist hier geschehen? Es hatte ein Thema gegeben, die Kritik am Euro, um das sich Rechte sammeln konnten. Egal ob man meint, die Eurokritik sei vorgeschoben oder sie sei mindestens für Lucke selbst und einige andere wirklich das Wichtigste gewesen: mit ihr wurde eine Sachfrage ins Zentrum gestellt, die niemand als unseriös abtun konnte. Und nun hätte sich die AfD ähnlich entwickeln können wie die frühen Grünen in den 80er Jahren. Auch die Grünen hatten ein sachlich-seriöses Thema, die Ökologie. Es war in diesem Fall eine linke Partei, die sich darum sammelte. Doch nie fiel es den linken Parteiführern ein, das Thema in den Hintergrund treten zu lassen, wie jetzt in der AfD der Flügel um die neue Parteivorsitzende Frauke Petry die Eurokritik in den Hintergrund treten lässt.

Dieser Flügel bildet sich offenbar ein, er könne die Partei allein mit diffuser Deutschtümelei stark machen. Bei den Grünen konnte man sich keine noch so verbiesterten Linken vorstellen, die etwa geglaubt hätten, sie könnten mit einer abstrakt antikapitalistischen Partei punkten – so realitätsblind war niemand. Alle wussten vielmehr, die Konzentration aufs aktuelle Thema tat dem linken Ansatz gut, konkretisierte und stärkte ihn. Zwar wurden einzelne Personen herausgedrängt (zum Beispiel Herbert Gruhl oder Baldur Springmann). Aber diejenigen, die blieben, hörten nicht auf, vor der Klimakatastrophe zu warnen. Nur deshalb konnte die ganze Partei stark werden. Es gab eben gute, sehr aktuelle Gründe, ihnen zuzuhören. Doch der AfD-Mehrheit fehlt die vergleichbare Intelligenz. Sie hat einen Pyrrhussieg errungen. Und mehr noch, sie verschlechtert die Bedingungen für einen neuen rechten Anlauf zur Parteigründung. Denn Luckes Versuch, die Rechte um ein wichtiges aktuelles Thema zu sammeln, so zukunftsträchtig er war, lässt sich nach diesem Scheitern so schnell nicht wiederholen.

Die neue Alternative für Deutschland glaubt vielleicht, sie könne sich an Marine Le Pen orientieren. Doch auch die französischen Rechtspopulisten wären wohl politisch so stark nicht geworden, wenn nicht ein aktuelles Thema Wasser auf ihre Mühlen geleitet hätte: der verbreitete Unmut über die westliche Ukraine-Politik. Wer soll jetzt aber Frauke Petry zuhören, wenn sie fordert, eine deutsche Familie müsse drei Kinder haben?

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Geschrieben von

Michael Jäger

Redakteur „Politik“ (Freier Mitarbeiter)

Michael Jäger studierte Politikwissenschaft und Germanistik. Er war wissenschaftlicher Tutor im Psychologischen Institut der Freien Universität Berlin, wo er bei Klaus Holzkamp promovierte. In den 1980er Jahren hatte er Lehraufträge u.a. für poststrukturalistische Philosophie an der Universität Innsbruck inne. Freier Mitarbeiter und Redaktionsmitglied beim Freitag ist er seit dessen Gründung 1990. 1992 wurde er erster Redaktionsleiter der Wochenzeitung und von 2001 bis 2004 Betreuer, Mitherausgeber und Lektor der Edition Freitag. Er beschäftigt sich mit Politik, Ökonomie, Ökologie, schreibt aber auch gern über Musik.

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