Das richtige Lutherbild

Theologiegeschichte Von der Drohbotschaft zur Frohbotschaft - so ließe sich das theologische Hauptziel Martin Luthers zusammenfassen.

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Papst Johannes Paul II. nannte ihn einen großen Lehrer im Glauben, doch er hatte es nicht immer leicht mit seiner Kirche. Ein bekannter linker Denker bezeichnete ihn als bedeutenden Nationalökonom. Doch vor allem war er Theologe¹.

Gottesbild

Eine seiner schönsten Definitionen betraf die Gottesfrage, die Rede von Gott.

„Was heißt, einen Gott haben? Oder was ist das: ein Gott?“ Ein Gott ist eigentlich das, wessen sich der Mensch versieht, woher er sich Gutes, ja das Beste, erhofft. Also: Gott ist jeweils das, worauf man vertraut und sich verlässt, worauf sich das Leben gründet; was es motiviert (dessen Movens ist), worauf man hofft und sein Leben danach ausrichtet.

Oder noch kürzer:

„Woran Du nun dein Herz hängst, das ist eigentlich dein Gott.“

Bibel-Übersetzung

Eines seiner bekanntesten Veröffentlichungen ist die Übersetzung der Bibel. (Durch seine lebenslange Beschäftigung mit der Schrift konnte er sie meist auswendig zitieren.)

Ein Merksatz aus dem Lutherjahr 2017, das bewusst sehr ökumenisch begangen wurde – in einem ökumenischen Geist, einem auf Versöhnung angelegten Geist – lautete, dass das wichtigste Anliegen Martin Luthers war, die Kirche auf ihre biblischen Grundlagen zurückzuführen. (Daher die Bezeichnung Re-Formation.)

Geschichtliche Situation

Doch kurz einige Sätze zur geschichtlichen Situation. Zur Zeit als Luther (der Theologieprofessor, Mönch und Ordensvorgesetzter über mehrere Klöster war) auftrat, standen die Päpste von vielen Seiten in der Kritik. Es galt damals schon der Zölibat, aber die Päpste selbst hielten sich nicht daran. Es gab regelrechte Papstdynastien. Päpste wie Julius II. suchten mit eigenen Truppen dieses oder jenes Territorium zu erringen. Papst Paul II. hatte die Übersetzung und Verbreitung der Bibel in den jeweiligen Landessprachen verboten. Und so weiter und so fort.

Als weltlicher Herrscher war Luther mit Karl V. konfrontiert (Kaiser von 1519-1556). Also den Kaiser, der durch seine weltweiten „Besitzungen“ in Amerika, Peru, auf den Philippinen usw. – benannt nach seinem Sohn Philipp – der „Verwalter“ weit verstreuter Gebiete war. Als Gegenüber hatte Luther also diejenige europäische Macht, und deren Stil von Macht, von der manche heute sagen, dass sie (bei allem Guten, was man nicht unterschlagen sollte), auch durchaus „problematische“ Seiten hatte. Eine Konstellation, die noch selten ausführlicher beachtet und thematisiert worden ist.

Gerade diese „repressive“ Seite (Luther wurde 1518 wegen seiner Kritik am Ablassverkauf angeklagt, und war damit von Stund an bis an sein Lebensende von Verurteilung zum „Feuertod“ bedroht) kann vielleicht heute für ein besseres Verständnis (auch in einem wünschenswerten „healing of memory“) beitragen.²

Viele fragen heute z.B. in Afrika, Asien und Südamerika, ob man dort die Entscheidungen, Weichenstellungen und Setzungen des mittelalterlichen Europa in allem nachvollziehen muss. Und so mancher kann den von der staatlichen und kirchlichen Seite betriebenen Ausschluss Luthers und der Seinen vielleicht leichter nachempfinden, wenn man vergleicht, wie schmerzlich heute manche Katholiken in Amerika es empfinden, wegen z.B. ethisch-politischer Einstellungen von kirchlichen Vollzügen ausgeschlossen zu sein (auch wenn das ja noch einmal eine andere Kategorie ist als eine Gefängnisstrafe, oder mehr.)

Von der Droh-Botschaft zur Froh-Botschaft

Als weitere wichtige inhaltliche Themensetzungen Luthers lassen sich benennen:

Von der Angst zur Zuversicht

In einem Rückblick gegen Ende seines Lebens, schreibt er, worin für ihn das Wesentliche seiner theologischen Einsichten und Arbeit beschrieben werden kann: `Als ich verstand, dass die Gerechtigkeit Gottes in seiner schenkenden Barmherzigkeit besteht, da fühlte ich mich wie neugeboren.` Statt Angst zu verbreiten und mit Angstmachendem zu drohen (Drohbotschaft), bestehe die Botschaft der Bibel zuallererst in einem freimachenden Wort (Frohbotschaft).

(Rückblick auf seine reformatorische Wende, in der Vorrede zum 1. Band der lateinischen Werke)

Ein weiterer Schwerpunkt lag in einem betont spirituellen, auf persönliches Gebet, Meditation der Schrift und an der lebensweltlichen Erfahrung geprüften Zugang zum christlichen Glauben(sgut). (Als lateinische Formel gesagt, von ihm an prominenter Stelle publiziert: Ihm waren wichtig Oratio, Meditatio, Tentatio.)

Luther hat eine reichhaltige Musikkultur begründet.

Und schließlich war er ein fleißiger Ausleger der Psalmen. In seiner Psalmenvorrede von 1528 formuliert er:

„Ein menschliches Herz ist wie ein Schiff auf einem wilden Meere, welches die Sturmwinde von allen vier Himmelsrichtungen hin und her treiben: von hieher stößt Furcht und Sorge vor zukünftigem Unglück; von dorther fährt Gram und Traurigkeit über gegenwärtiges Übel; von da weht Hoffnung und Vermessenheit im Blick auf zukünftiges Glück; von dort bläst Sicherheit und Freude über gegenwärtigen Gütern. Solche Sturmwinde aber lehren mit Ernst reden und das Herz öffnen und es von Grund ausschütten. Denn wer in Furcht und Not steckt, der redet sehr viel anders vom Unglück, als wer in Freuden schwebt; und wer in Freuden schwebt, der redet und singt sehr viel anders von Freuden, als wer in Furcht steckt. Es kommt nicht von Herzen, sagt man, wenn ein Trauriger lachen oder ein Fröhlicher weinen soll; das will heißen: seines Herzens Grund steht nicht offen und kommt nicht heraus [ans Licht].

Was ist aber das meiste im Psalter anderes als solch ernstliches Reden in allerlei solchen Sturmwinden?“ So werden die Psalmen zu einer Sprachschule. „Da siehst du allen Heiligen ins Herz“. Luther entdeckte in seiner Beschäftigung mit den Psalmen, dass man verschiedene Arten unterscheiden kann: Dankpsalmen, Klagepsalmen, Bitt- und Hoffnungspsalmen, Lobpsalmen. Und legte damit einen wichtigen Grundstein, um die biblischen Schriften jeweils in ihren verschiedenen literarischen Formen zu bedenken und zu beachten.

1 Als einfachen Einstieg vgl.: Fabian Vogt, Luther für Eilige, Leipzig 2017, Paperback/e-Book; englisch: Luther on the fly, Paperback/e-Book, 2018, zu Luthers theologischer Regel „Oratio, Meditatio, Tentatio“ und der Verortung von Luthers Theologie zwischen Metaphysik und Mythologie: Oswald Bayer, Theology the Lutheran way, Fortress Press, Minneapolis 2017. Für einen Zugang zu lutherischer Ethik in der Vermittlung von Freiheit und Verantwortung: Oswald Bayer, Freiheit als Antwort, Tübingen 1995.

2 Mit seiner Kritik am käuflichen Ablass (Vergebung gegen Geld) hat Luther vorformuliert, was spätere Päpste in Gesetze gossen: Ablassverkauf gegen Geld wurde 1567/70 von Papst Pius V. verboten.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

m.schuetz

Hobby-Intellektueller, angehender Humorist, (jetzt auch Spaßblogger, Aktivist und Bürgerrechtler), twittert hier nicht

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