Niemand hat mich zu Leaks angestiftet

Chelsea Manning Die Whistleblowerin und WikiLeaks-Informantin hat kürzlich erstmals nach ihrer Entlassung aus dem US-Militärgefängnis ein ausführliches Interview gegeben

Chelsea Manning, Whistleblowerin und WikiLeaks-Informantin, hat erstmals nach ihrer Entlassung aus dem US-Militärgefängnis am 17. Mai ein ausführliches Interview gegeben. Darin betonte sie, dass das WikiLeaks-Team sie keineswegs aufgefordert habe, geheime Dokumente weiterzugeben. Dies habe sie vielmehr aus eigenem Antrieb getan. Anders lautende Gerüchte, die immer wieder aufgebracht und auch von der US-Regierung zitiert wurden, sind somit wahrscheinlich ein Versuch, WikiLeaks zu diskreditieren und seinen Status als journalistische Publikation in Zweifel zu ziehen.

Erstes Interview seit der Haftentlassung

Manning gab dem US-TV-Sender ABC ein Interview, das aufgezeichnet und am Freitag, den 9. Juni, im Rahmen der Sendung „Good Morning America“ ausgestrahlt wurde. Es handelt sich um ihr erstes großes Interview seit ihrer Entlassung aus der Haft am 17. Mai. Zuvor hatte die Whistleblowerin allerdings bereits per Twitter und Instagram der Öffentlichkeit einige Einblicke in ihr Leben in Freiheit gegeben.

„Niemand hat mich aufgefordert“

In politischer Hinsicht besonders wichtig und interessant ist Mannings Aussage, dass sie die Geheimdokumente, unter anderem das als ‚Collateral Murder‘ bekannt gewordene Video eines US-Helikopterangriffs, bei dem mehrere Zivilisten zu Schaden kamen, Dokumente über die US-Militäreinsätze im Irak und in Afghanistan sowie eine Vielzahl diplomatischer Telegramme der USA aus mehreren Jahrzehnten, nicht auf Aufforderung des WikiLeaks-Teams weitergegeben habe. „Alles, was ich getan habe, das bin ich. Es gibt niemand anderen. Niemand hat mich aufgefordert, das zu tun. Niemand hat mich angewiesen, das zu tun. Das bin ich. Es ist meine Verantwortung,“ erklärte die 29-jährige Ex-Militäranalystin.

Eine perfide Kampagne der US-Regierung

Die US-Regierung unter Donald Trump hatte WikiLeaks, insbesondere dessen Chefredakteur Julian Assange, zuvor vorgeworfen, die später veröffentlichten Geheimdokumente von Manning aktiv angefordert zu haben. WikiLeaks habe „Chelsea Manning bei ihrem Diebstahl spezifischer Geheiminformationen angeleitet“, erklärte CIA-Direktor Mike Pompeo im April. Über WikiLeaks sagte Pompeo: „Das sind Leute, die aktiv Agenten rekrutieren, um amerikanische Geheimnisse zu stehlen, mit dem einzigen Ziel, die amerikanische Lebensweise zu zerstören.“

Abgesehen von der konservativen bis nationalistischen Rhetorik – leider Standard bei der aktuellen US-Regierung – ist diese Behauptung auch faktisch falsch. Das haben Mannings Aussagen im ABC-Interview noch einmal bestätigt. Manning handelte auf eigene Faust und – wie sie immer wieder betont hat – aus idealistischen Motiven heraus. Die Behauptung, WikiLeaks habe sie angestiftet oder angeworben, ist schlichtweg ein Versuch, WikiLeaks zu kriminalisieren und eine Strafverfolgung seiner Aktivistinnen und Aktivisten zu ermöglichen. Obwohl Donald Trump WikiLeaks vor der Wahl sogar ausdrücklich lobte, ist es seit seinem Amtsantritt ein erklärtes Ziel seiner Regierung, WikiLeaks strafrechtlich zur Rechenschaft zu ziehen. Das ist der Hintergrund der wiederholten Versuche, WikiLeaks die Legitimität als journalistische Publikation abzusprechen.

Verlogen und undemokratisch

Mannings Aussagen haben noch einmal bewiesen, was von der aktuellen Kampagne der US-Regierung zu halten ist: Es handelt sich schlichtweg um eine ebenso verlogene wie undemokratische Taktik, die einer Strafverfolgung von WikiLeaks den Weg bereiten soll. Ein derartiges Vorgehen gegen Vertreter der investigativen Presse ist ein weiteres Indiz dafür, wie verlogen, undemokratisch und autoritär die Trump-Regierung ist.

Dieser Beitrag erschien zuerst auf netzpiloten.de

Annika Kremer schreibt regelmäßig über Netzpolitik und Netzaktivismus. Sie interessiert sich nicht nur für die Technik als solche, sondern vor allem dafür, wie diese genutzt wird und wie sie sich auf die Gesellschaft auswirkt

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Annika Kremer | Netzpiloten

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