Zehn Jahre … und nicht länger!

Energiewende Die europäischen Klimaziele machen Erdgas bereits in wenigen Jahren unrentabel. Die EU-Kommission hat Erdgas trotzdem als „klimafreundlich“ empfohlen. Damit konterkariert sie alle Anstrengungen der EU zum Klimaschutz
Ausgabe 01/2022
Wer Klimaschutz will, muss aus der Verbrennung von Erdgas aussteigen
Wer Klimaschutz will, muss aus der Verbrennung von Erdgas aussteigen

Foto: Sean Gallup/Getty Images

Gaskraftwerke haben für die Energieversorgung einen wesentlichen Vorteil: Binnen weniger Minuten sind sie voll leistungsfähig und liefern verlässlich (und für die Netzbetreiber planbar) Strom. Beim Hochfahren von Kohlekraftwerken ist das erst nach Stunden der Fall. Atomkraftwerke ans Netz zu bringen kann gar mehrere Tage dauern. Deshalb eignen sich Gaskraftwerke perfekt als „Brückentechnologie“ für die Energiewende: Immer dann, wenn die Sonne nicht genügend scheint, zu wenig Wind bläst und die Biomassekraftwerke nicht hinter der Stromnachfrage herkommen, können sie einspringen.

Darüber hinaus trägt Erdgas weniger zum Treibhauseffekt bei als die Verbrennung von Braun- oder Steinkohle: Pro Kilowattstunde Strom verursacht die Braunkohle mehr als ein Kilogramm Kohlendioxid, bei Steinkohle sind es fast ein Kilo – und bei Erdgas nur etwa 500 Gramm. Aber das bedeutet eben: Wer Klimaschutz will, der muss mittelfristig auch dringend aus der Verbrennung von Erdgas aussteigen. In Industriestaaten darf diese „Mittelfrist“ nicht länger als zehn Jahre dauern. Deshalb ist es Unsinn, dass die Europäische Kommission Erdgas für ihre Klimapolitik jetzt via „Taxonomie“ als „klimafreundlich“ empfohlen hat und es dem Kapitalmarkt als Steuerungsinstrument an die Hand gibt. Denn wer heute in neue Erdgas-Infrastrukturen investiert, der will aus diesem Investment auch in 30 Jahren noch Rendite ziehen. Zu einem Zeitpunkt also, wenn die EU längst klimaneutral sein will. „Klimaneutral“, das bedeutet, nicht mehr Treibhausgase zu produzieren, als von der natürlichen Umwelt abgebaut werden können.

Langfristige Projekte wie die Erdgaspipeline Nord Stream 2 konterkarieren diese europäischen Anstrengungen zum Klimaschutz. Leider ist sie ein Lieblingsprojekt der Kanzlerpartei von Gerhard Schröder (SPD). Von ihm empfohlen, von Gazprom, Eon, Wintershall und Co. gebaut, soll sie Europa in jahrzehntelange Abhängigkeit von Russlands Erdgas treiben.

Das immerhin ist ein Lichtblick für Olaf Scholz, der schließlich „Klimakanzler“ sein möchte: Jetzt bietet sich für seine Sozialdemokraten die ideale Gelegenheit, sich auch in der Klima- und Energiepolitik von ihren Altlasten zu befreien und in der EU gegen die „Taxonomie Erdgas“ zu kämpfen.

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