Fünf Dinge, die anders besser wären

Status quo In Großbritannien versagt der Markt und hierzulande wandern die Jungen zur FDP ab. Sonst noch was? Ach ja: Dem DAX geht es hervorragend
Ausgabe 39/2021
Ein kleiner Reality-Check dank des Brexit-Großexperiments in Sachen „Der Markt wird es richten“? Dort ist nun, einen Monat nachdem die Supermarktregale immer leerer wurden, auch das Benzin an der Zapfsäule alle
Ein kleiner Reality-Check dank des Brexit-Großexperiments in Sachen „Der Markt wird es richten“? Dort ist nun, einen Monat nachdem die Supermarktregale immer leerer wurden, auch das Benzin an der Zapfsäule alle

Foto: Paul Ellis/AFP/Getty Images

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Wer den Schaden hat, braucht für den Spott nicht zu sorgen: Den liefert die Wirtschaftswoche postwendend und frei Haus. Die Linke hatte gerade erst damit begonnen, ihre am Sonntag vom Souverän geschlagenen Wunden zu lecken, da greift „Deutschlands führendes Wirtschaftsmagazin“ schon zum Salzstreuer und streut eine gehörige Portion Natriumchlorid dorthin, wo es wehtut: „Warum man in der City of London das schlechte Abschneiden der Linken bedauert“. Ach echt? Ja echt. Da darf ein „Chefvolkswirt“ einer Großbank erzählen, dass dem angelsächsischen Kapitalismus eine rot-rot-grüne Koalition durchaus gefallen hätte. Weil die eine „offensivere Fiskalpolitik“ geliefert hätte statt wieder mehr von der deutschen Sparsamkeit und Schwarzen Nullerei, unter der der Kontinent zu leiden hat. Die Linke hätte die Kräfteverhältnisse zum Besseren verschoben. Oy Veh!

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Es scheint also so, als sei die wahre Gewinnerin dieser Wahl die Marktgläubigkeit. Wie sonst ist zu erklären, dass Jungwählende in Scharen zur FDP überlaufen? „Hedgefonds for Future“: Na dann, gute Nacht! Oder, halt: Vielleicht könnte ein Blick ins Mutterland der Marktradikalität helfen, nach Großbritannien? Ein kleiner Reality-Check dank des Brexit-Großexperiments in Sachen „Der Markt wird es richten“? Dort ist nun, einen Monat nachdem die Supermarktregale immer leerer wurden, auch das Benzin an der Zapfsäule alle. Der Grund: Die Nachfrage an Lkw-Fahrern ist nicht mit dem Angebot in Einklang zu bringen. Oy Veh ...

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Was würde denn dagegen helfen, mag jetzt manch eine fragen? Nun, wie wäre es mit einem Staat, der mitdenkt? Mit einer öffentlichen Verwaltung, die was draufhat und eingreift, wenn dem Markt wieder mal was runterfällt und auf den Boden klatscht. Logisch darf so ein Staat sich selbst nicht kaputtsparen, er muss sich ertüchtigen, damit er seine Aufgaben erfüllen kann. Das sei ach dem baden-württembergischen Finanzminister Danyal Bayaz auf den Weg gegeben. Denn Bayaz (Bündnis 90/Die Grünen) erteilte einer Vermögensteuer neulich eine Absage: Sie sei nicht machbar. Weil er nicht genug Beamte habe, um das Vermögen der zu Besteuernden zu erfassen. Es sei zu viel Arbeit für zu wenig Leute, wenn man jetzt jedes Jahr die Picassos und Oldtimer der Reichen abzählen solle. Oy Veh!

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Viele hierzulande sorgen sich wegen der Inflation, die kürzlich deutlich angestiegen ist. Konsumgüter wurden teuer, Gemüsepreise zogen an. Doch das ist nichts im Vergleich zu dem Lebensmittelpreisschock, unter dem die Ärmsten dieser Erde derzeit zu leiden haben. Grundnahrungsmittel sind – auch wegen Corona – in Krisenregionen so teuer wie seit Langem nicht. In Ländern wie dem Libanon oder Myanmar stiegen die Lebensmittelpreise im letzten Jahr um 50 Prozent! Die Folge: Gesunde und ausreichende Ernährung können sich immer weniger Menschen leisten. Oy Veh.

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Zuletzt noch eine Randnotiz aus dem DAX. Der wurde – wegen der Milliardenbetrügereien des DAX-Darlings Wirecard – reformiert und erweitert, statt 30 sind jetzt 40 Firmen vertreten. Die Neuzugänge sind ein Spiegel dessen, was in der deutschen Wirtschaft derzeit so läuft: Automacher Porsche, Schuhmacher Puma, Corona-Testmacher Siemens Healthineers. Und dann sind da Firmen, die wir alle groß gemacht haben, obwohl wir es vielleicht gar nicht wollten. Zalando. Und der Lieferdienst Hellofresh. Oy Veh.

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Geschrieben von

Pepe Egger

Verantwortlicher Redakteur für das „Wochenthema“

Pepe Egger ist Redakteur für Wirtschaft, Grünes Wissen und Politik. Er hat in Wien, Paris, Damaskus und London studiert und sechs Jahre im Herzen des britischen Kapitalismus, der City of London, gearbeitet. Seit 2011 ist er Journalist und Reporter. Seine Reportagen, Lesestücke und Interviews sind in verschiedenen Zeitungen und Zeitschriften erschienen. 2017 und 2019 wurden seine Reportagen für den Henri-Nannen- bzw. Egon-Erwin-Kisch-Preis nominiert. 2017 wurde Pepe Egger mit dem 3. Platz beim Felix-Rexhausen-Preis ausgezeichnet. Seit 2017 arbeitet er als Redakteur beim Freitag.

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