Die Geige überstand die Barbarei

Deutsche Täter Die Vorführungen des Films "Die Geige aus Cervarolo" soll daran erinnern, dass deutschen Mörder italienische Gerichte ignorieren.

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Theaterstücke, Filme und Kunstinstallationen können eine wichtige Rolle dabei spielen, das Erinnern an die deutschen Verbrechen im Nationalsozialismus in einer Zeit wachzuhalten, in der es keine Zeitzeug_innen mehr gibt. So hat der Regisseur Günther Baby Sommer mit dem Theaterstück „Songs für Kommeno“ die Massaker der deutschen Wehrmacht während des 2. Weltkriegs in Griechenland auf den Spielplan des diesjährigen Berliner Jazzfestes gesetzt (https://www.freitag.de/autoren/peter-nowak/eine-verbeugung-vor-den-deutschen-opfern ). An die deutschen Massaker in Norditalien erinnert nun der Film „Die Geige aus Cervarolo“, der auf den ersten Blick nicht im klassischen Sinne politisch zu nennen ist. Die Regisseure Matthias Durchfeld und Nico Giudetti thematisieren dort das Schicksal des jungen Geigers Virgilio Rovali, dessen Familie Opfer des Massakers der deutschen Wehrmacht wurde. Die Geige aber wurde nach Jahrzehnten zufällig in dem Mauervorsprung gefunden, in dem sie die Angehörigen versteckt hatten, als die Wehrmacht anrückte. Rovalis Mutter wusste wie wichtig ihrem Sohn diese Geige war und sie versteckte sie besonders gut, so dass sie selber von den deutschen Mördern verborgen blieb. Die Menschen aber konnten sich nicht verbergen. 24 Männer, Frauen und Kinder sind dort im März 1944 ermordet worden, bevor die Fallschirm-Panzerdivision Hermann Göring den Ort in Brand setzte. In dem Film werden die Überlebenden und die Nachkommen in ihrem Alltag gezeigt. Feste werden gefeiert, die Menschen werden bei der landwirtschaftlichen Arbeit. Nichts scheint mehr an die Massaker vor mehr als 65 Jahren zu erinnern. Doch bald zeigt sich, dass nicht nur die unmittelbaren Überlebenden, die die deutsche Mordaktion als Kinder noch erlebten, sondern auch deren Kinder und Enkel von dem Geschehen geprägt sind. Es wird gezeigt, wie viele Menschen aus dem Dorf eines Morgens in einem Bus steigen, um zum Prozess nach Mailand zu fahren, wo gegen die noch Lebenden deutschen Verantwortlichen verhandelt wird. Mehrere der Überlebenden sind als Zeug_innen geladen. Die Täter sind allerdings nicht anwesend, sie ignorieren den Prozess und wissen dabei nicht nur die deutschen Gesetze und Politiker_innen auf ihrer Seite, die schon längst einen Schlussstrich unter die NS-Vergangenheit ziehen wollen. Von dieser Tatsache sollte man sich auch nicht von der regen Gedenkkultur täuschen lassen, die es in der neuen deutschen Republik gibt. Sie soll die Vergangenheit eher in Beton einlagern, damit sich niemand mehr damit auseinandersetzen muss.

Keine Versöhnung mit den deutschen Tätern

Es sind nur kleine Gruppen in verschiedenen deutschen Städten, die den Prozess gegen die deutschen Täter und deren Ignoranz im letzten Jahr bekannt machten (http://ns-prozesse.blogspot.de/). Mehr noch, sie gingen zu den Wohnungen der abwesenden Angeklagten, um deutlich zu machen, dass sie zumindest öffentlich markiert werden, wenn sie schon mit Unterstützung der Gesetzgeber das italienische Gericht und dessen Urteile ignorieren. Mit den Vorführungen des Films „Die Geige aus Cervarolo“ versuchen die Aktivist_innen jetzt auch die Kunst für eine linke Erinnerungspolitik zu nutzen. Dabei hat der Film bei der Premiere im Berliner Kino Moviemento bei den Besucher_innen auch kritische Fragen ausgelöst. Warum endet er nicht mit den Namen der Toten, wurde gefragt. Tatsächlich wird danach noch eine Filmfrequenz eingeblendet, die einen der Überlebenden im Hühnerstall bei der Suche nach den frischen Eiern zeigt. Tatsächlich wirkt es im ersten Moment irritierend, doch die Filmemacher betonten, dass sie vor allem die Geschichte der geretteten Geige in den Mittelpunkt ihrer Arbeit stellen wollten und deshalb haben sie auch am Ende noch einmal das heutige Leben im Dorf gezeigt. Das ist natürlich auch im Sinne der Dorfbewohner_innen, deren Leben nach dem Massaker weitergehen musste. In Deutschland hat eine solche Herangehensweise aber auch etwas Befremdliches. Wenn dann als Fazit herauskommt, die Geige wurde gerettet, und die Barbarei überstanden, könnten sich auch Töne einer falschen Versöhnung einschleichen, wenn der Film in Deutschland gezeigt wird. Doch die Initiativen, die gegen eine solche falsche Versöhnung ankämpfen und betonen, dass es mit den deutschen Tätern, die bis heute keine Entschuldigung an die Opfer und die Überlebenden ausgesprochen haben, sorgen mit dem Begleitprogramm dafür, dass diese Inhalte nicht zu kurz kommen. So kann der scheinbare Widerspruch zwischen Film und Intension der Veranstalter_innen für interessante Diskussion mit dem Publikum führen.

Peter Nowak

Infos zum Film "Die Geige aus Cervarolo:

http://www.rosalux.de/event/46897/die-geige-aus-cervarolo.html

Link zum Freitag-Artikel über die Prozesse in Italien:

https://www.freitag.de/autoren/peter-nowak/die-spate-gerechtigkeit

Am Dienstag, den 4.12. um 20 Uhr wird der Film im K-Fetisch in der Wildenbruchstraße 86 in Berlin-Neukölln gezeigt.


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Geschrieben von

Peter Nowak

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