Keine Boni für Nationalisten

Kyrylo Tkachenko -Alida Bremer Diese beiden Namen stehen für viele, die anlässlich des Ukraine-Kriegs den Bruch mit einer Linken zelebrieren, mit der sie nie zu tun hatten. Ihre Statements kann man nur als Warnung vor der Position der Vaterlandsverteidigung lesen.

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Schon 2014 sorgten die politischen Ereignisse in der Ukraine für Auseinandersetzungen auch in der Linken in Deutschland. Schließlich haben führende deutsche Politiker*innen von FDP bis Grünen den Maidan-Protest angefeuert und wollten die organisierten Nazis, die dort mitmischten, nicht sehen. Da war ich als Linker, der sich nie auf Seiten eines Vaterlandes stellen, natürlich auf der Suche nach anderen Stimmen. Zufällig stieß ich auf eine Galerie in Berlin-Wedding, die damals Werke von jungen ukrainischen Künstler*innen präsentierten und sie mit einer Diskussionsveranstaltung über die politische Situation in der Ukraine beendeten. Ich kam mit einigen Künstler*innen und ihren Freund*innen ins Gespräch. Dort lernte ich damals auch Kyrylo Tkachenko kennen, der mich nach linken deutschsprachigen Publikationsmöglichkeiten über ukrainische Themen fragte. Ich verwies auf die Wochenzeitung Jungle World. Ich freute mich, dass die Vermittlung wohl geklappt hat als ich einige Artikel von ihm in der Zeitung las. Doch es war nur eine kurze Zeit, dann hörte ich nichts mehr von ihm. Bis Ende Mai, da veröffentlichte Tkachenko unter der Überschrift "Genug von der germanischen Linken" eine Abrechnung mit der deutschen Linken in der Jungle World und begründete auch, warum er dort nichts mehr schreibt.


„Sieben Jahre ist es her, dass ich das letzte Mal für die Jungle World geschrieben habe. Da glaubte ich noch daran, die radikale Linke sei im Grunde progressiv, die linksdeutsche Reaktion auf die sogenannte Ukraine-Krise sei nur ein temporärer Irrtum und es lohne sich, die Linke in Deutschland über die Ukraine aufzuklären. Am Ende bin ich aber selbst teilweise zum Opfer der vom Kreml ausgehenden reflexive control geworden, mittels derer der Gegner ­bestimmt, worauf man reagiert – oder womit man sich beschäftigt.“

Kyrylo Tkachenko, Jungle World

Nun verschweigt Tkachenko, dass er insgesamt höchstens sechs Artikel für die Jungle World geschrieben hat. Damals hat er noch informiert über die mörderischen Konsequenzen auch des ukrainischen Nationalismus. Er wußte auch über die Rolle des ukrainischen Parlaments bei der Stärkung dieses Nationalismus, auch wenn die offen faschistischen Parteien klein blieben. Deren Themen waren längst im Mainstream des ukrainischen Nationalismus angekommen, wußte er damals. Nur, warum sollen diese Fakten, die er in den Jahren 2014/15 in der Jungle World veröffentlichte, heute nicht mehr gelten? Darüber schweigt Tkachenko. Dann müsste er sagen, er ist heute selber ein ukrainischer Nationalist geworden. Stattdessen baut er wortgewaltig eine "germanische Linke" als Feindbild auf, der er kaum angehörte. Er schreibt, er sei einige Male auf deren Demonstrationen mitgelaufen, was er heute bereut. Denn, so seine Kritik, die Linken wollten Aufklärung auch über die ukrainischen Faschisten, über ihre Rolle während deutschen Besatzung im NS, aber auch ihre aktuelle Funktion in der Ukraine. Aber wer über den ukrainischen Nationalismus und Faschismus redet, betreibt Kreml-Propaganda, bedient Tkachenko heute den klassischen rechten Spin. Der Höhepunkt des nationalistischen Furor gegen die germanische Linke lautet:

„Der Dreck unter einem einzigen Fingernägel des allerletzten Asow-Kämpfers ist mehr wert als die germanische Linke in ihrer Gesamtheit.“

Kyrylo Tkackenko, Jungle World

Nun wäre ja gegen Kritik an der deutschen Linken nichts einzuwenden, doch hier kommt sie eindeutig von einen ukrainischen Nationalisten, der von Rechten nicht mehr reden will, weil er selber wieder in dem Milieu angekommen ist, aus dem er sich mal befreien wollte. Tkachenko hat mir erzählt, dass seine Angehörigen sich in dem nationalistischen Milieu Münchens bewegten, in denen der Antisemit und NS-Kollaborateur Stepan Bandera noch immer als Held gefeiert wird. Banderas Todestag, er ist wohl 1959 in München einem Mordanschlag des KGB erlegen, wird noch immer als Gedenktag begangen. Als ich Tkackenko kennenlernte wollte er sich eindeutig aus diesen nationalistischen Milieu lossagen. Doch der Versuch scheint schnell beendet.

Tkachenkos Buchprojekt im Unrast-Verlag scheitete an nationalistischen Positionen

Martin Schüring vom Unrast-Verlag hat die Rechtswende von Tkachenko früh erkannt. Dort sollte sein Buch „Wem gehört der Maidan? Kritische Betrachtungen zur ukrainischen und deutschen Linken“ herauskommen. Es war schon im Verlagsprogramm angekündigt, aber wurde dann nicht gedruckt, weil Tkachenko eben keine klare Distanz zu den ukrainischen Rechten hatte. Nun ist es nicht selten, dass Menschen aus nationalistischen Elternhäusern nach ihren Gehversuchen in linken Zusammenhängen zurück Staat und Nation regredieren. Ausnahmen gab es meist nur da, wo es eine starke linke Bewegung gab. Man denke beispielsweise an Hans Jürgen Krahl, der in einem Jahrzehnt den Weg von rechten Burschenschaften zum SDS gefunden hat. Nur sollte man zu einen ukrainischen Nationalisten wie Tkachenko, der nicht mehr von Rechten und Antisemit*innen in der Ukraine reden will, ebenso Abstand halten, wie zu jeden anderen Rechten. Es gibt keinen Bonus für irgendeine Nation. Die Jungle World hat Tkachenko diesen Bonus gewährt, denn sie ist eben nicht gegründet worden, damit dort jemand schreibt, dass ihm ein Asow-Kämpfer, also das Mitglied einer antisemitishen Nazi-Kameradschaft, viel näher ist als ein deutscher Linker. Diese Bonus aber widerspricht dem universalistischen Anspruch der Zeitung, politische Positionen zu kritisieren, unabhängig von der Herkunft derjenigen, die sie äußern. In der Jungle World konnte man immer wieder gute Polemiken gegen regressive Linke in aller Welt lesen, die Menschen aus bestimmten Religionen, Ethnien etc. einen Bonus bei Nationalismus und Antisemitismus zubilligen. Genau diesen Bonus hat aber Tkachenko mit seinen Beitrag bekommen.

Alida Bremer - eine kroatische Nationalistin auf Natolinie

Nun war noch jeder Krieg der Lackmustest, wo aus manchen Linken, egal ob er sich Kommunist oder Anarchistin nannte,zum Nationalisten mutierte. Ein Beispiel dafür ist Alida Bremer, die in ihrem Beitrag in der Wochenzeitung Freitag auf die antifaschistischen Aktivitäten ihrer Verwandten verwies, die wohl als Partisanen gegen die deutsche NS-Volksgemeinschaft und ihre kroatischen Unterstützer gekämpft haben. Alida Bremer selber aber geriert sich in ihren Freitag-Beitrag als kroatische Nationalistin, die die Verantwortung für den Zerfall Jugoslawien lediglich beim serbischen Regime sieht. Kein kritisches Wort kommt von ihr über die Politik des kroatischen Staates, der mal gemeinsam mit dem serbischen Nationalismus mal gegen ihn an Zerschlagung Jugoslawiens beteiligt war. Dass im wieder unabhängigen Kroatien die Ustascha, die ehemaligen Verbündeten der NS-Volksgemeinschaft, wieder verehrt wurde, ist für die Tochter von Partisanenkämpfer*innen ebenso wenig ein Thema wie der Umgang mit dem ehemaligen Ustascha-Konzentrationslager Jasenovac, das eine Hölle für Jüdinnen und Juden und alle Gegner*innen der kroatischen Nationalisten war. Natürlich ist aktuell Alida Bremer ganz auf Natolinie und fordert noch mehr Waffen für die Ukraine gegen Russland. Da könnten sich die Nationalisten aller Länder die Hände reichen. Nach der Niederlage der NS-Volksgemeinschaft migrierten viele Mitglieder der Ustascha und der Bandera-Bewegung nach München und wurden dort für im kalten Krieg als Verteidiger des Abendlandes reaktiviert. Damals ging es noch die Sowjetunion, die aber schon kurz die Russen genannt wurden. Es ist Zeichen für eine Rechtswende, wenn in linken Zeitungen die Bremers und Tkachenkos die regressivsten nationalistischen Bewegungen ihrer Länder verteidigen können. Anderseits sind ihre Texte auch Dokumente einer Regression, die in Kriegszeiten immer wieder vorkommt. Es sind traurige Beispiele, wie mal ganz vernünftige Menschen zu ordinären Nationalist*innen werden.

Wie ein kommunistischer Widerstandskämpfer instrumentalisiert wird

Auch in der aktuellen Ausgabe von nd Commune, einer monatlichen Beilage der Tageszeitung Neues Deutschland hat ein Leser mt der Reputation seines antifaschistischen Großvaters für Waffen an die Ukraine geworben. Es handelt sich um den Enkel von Peter Florin, der als Stellvertretender Außenminister und Ständiger Vertreter der DDR bei der UNO bekannt wurde. Er hatte als Freiwllliger der Roten Armee und später als Partisan in Belarussland gegen den Nationalsozialismus gekämpft. Der Enkel schreibt nun vor dem Hintergrund dieser Biographie seines Großvaters:

"Aber wir dürfen nie vergessen, dass dieses Glück (die Niederlage des NS P.N.) mit Waffen erkämpft wurde, dass Grausamkeiten notwendig waren, um das Morden zu beenden. Und am gerade am 8. oder 9. Mai, an einen Tag, an ddem wir uns an die Niederlage des deutschen Faschismus erinnern, (....) und das in einer Zeit, in der ein neuer großrussischer Faschismus versucht, die Ukraine als selbstständigen Staat zu vernichten, in einer Zeit zudem, in dem ein Dieb und Gauner vom Kreml aus die Welt mit Atomwaffen bedroht, an so einem Tag dürfen wir nicht vergessen, dass Europa nicht mit Verhandlungen vom deutschen Faschismus befreit wurde".

Hier wird Geschichtsrevionismus betrieben, in den ein Krieg zwischen zwei bürgerlichen Staaten mit dem Vernichtungskrieg des NS gegen die Sowjetunion gleichgesetzt wird. Das wird dann mit der Autorität eines antifaschistischen Großvaters verkündet, der sich nicht mehr dagegen wehren kann, weil er 2014 gestorben ist.

Peter Nowak

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Geschrieben von

Peter Nowak

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