Mieterkämpfe haben in Berlin eine Geschichte

Kämpfende Hütten Die Ausstelung widmet sich einer weitgehend unbekanntnme Geschichte von unten, den MieterInnenkämpen.

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„Kampf den Mieterhöhungen“ lautet die Schlagzeilen. Doch die Zeitung, in der sie zu finden war, ist 45 Jahre alt und war zu unrecht lange vergessen. Es handelt sich um die Märkische Viertel Zeitung (MVZ), die von Juni 1969 bis Juli 1973 existierte. Sie war das Sprachrohr der MieterInnenbewegung im Märkisches Viertel, die Ende der 60er Jahre berlinweit für Aufsehen sorgte und mehrere Jahre aktiv war. Über diese leider weitgehend Vergessenheit geratene MietrebellInnen informiert die Ausstellung „Kämpfende Hütten“, die am 1.10. um 19 Uhr im TheaterSpielRaum im Südflügel des Bethanien eröffnet wird Vorbereitet wurden sie von einem kleinen Kreis von Aktiven, die sich aus unterschiedlichen Gründen für das Thema Wohnen interessieren. Einige der Beteiligten kommen unter aktuellen MieterInnenkämpfen, andere waren in der InstandbesetzerInnenbewegung der70er Jahre in West- oder Anfang der 90er Jahre in Ostberlin engagiert. Andere haben sich als Studierende mit Miete und Wohnraum beschäftigt. Sie alle wollen die weitgehend vergessene Geschichte der Berliner MieterInnenbewegung einer größeren Öffentlichkeit bekannt machen. Die Bewegung im Märkischen Viertel ist dafür ein gutes Beispiel. Dass sie heute weitgehend unbekannt, erscheint schon deshalb besonders seltsam, weil es mehrere Filme über diese Kämpfe gibt. Schließlich haben sich im Zuge der 68er Bewegung auch Studierende mit den Bewohner_innen solidarisiert. Der Film „Der lange Jammer“ gibt über einen guten Überblick über den Widerstand. Der Emanzipationsprozess einer Mieterin wird in dem Film „Von wegen Schicksal“ ( https://www.freitag.de/autoren/peter-nowak/hommeage-an-irene-rakowitz) am Beispiel der Mieterin Irene Rakowitz gezeigt. Der Film wurde damals durchaus kontrovers diskutiert. In der Ausstellung ist er nicht zu sehen. Dafür ist ein Blatt mit handschriftlichen Notizen zu einem linken Strategiepapier über Stadtteilarbeit von Irene Rakowitz in der Ausstellung dokumentiert.

Der Kampf der Migrant_innen für billigen Wohnraum

Erfreulich ist auch, dass in der Ausstellung daran erinnert wird, dass in den 70er und 80er Jahren MigrantInnen in Kreuzberg und anderen Stadtteilen Häuser und Wohnungen besetzten. Es ging um Wohnmöglichkeiten, aber auch um die Einrichtung von sozialen Zentren und Treffpunkten. Oft waren es die türkischen und kurdischen Frauen, die bei den Besetzungen eine wichtige Rolle spielten. Hier wird das Bild der Besetzungen etwas zurecht gerückt. Oft hat man im Nachhinein fälschlicherweise den Eintritt, dass es eine rein deutsche Bewegung war. Die Beteiligung migrantischer Gruppen spielt auch in der Ostberliner HausbesetzerInnenbewegung in den 90er Jahren eine Rolle. So war die Antifa Genclik, eine migrantische Antifagruppe, in der Köpi beheimatet. Und auch im Kampf gegen Zwangsräumungen in den letzten Jahren hatten Menschen mit migrantischen Hintergrund einen besonders starken Anteil. Es wird Zeit, dass zumindest die linke Geschichtsschreibung diese Fakten zur Kenntnis nimmt. Die Ausstellung liefert hier gute Anregungen. .

Erst das Essen dann die Miete


Die Ausstellung erinnert auch an die als Blumenstraßenkrawalle in die Geschichtsbücher eingegangenen Aufstände von Teilen der armen Bevölkerung Berlins im Juli 1872. Auslöser war die die Räumung der Wohnung eines armen Schusters in der Blumenstraße wegen Mietschulden. Damals kamen Tausende Menschen oft aus ländlichen Gegenden nach Berlin in der Hoffnung auf ein besseres Leben. Sie landeten in oft dunklen Hinterhauswohnungen. Ständig gab es Räumungen. Oft gab es auch spontanen Protest von Bekannten und NachbarInnen der Geräumten. Damals wurde der Widerstand gegen Zwangsräumungen von Polizei und den meisten Medien „Exmissionskrawalle“ genannt. Die Quellenlage aus dieser Zeit ist schlecht. Meistens sind die Kämpfe in den Polizei- und Presseberichten dokumentiert. Es gab schließlich damals noch kein Archiv des Widerstands von unten. Schon besser ist die Quellenlage auch aus der Sicht der MieterInnen in der Zeit der Weimarer Republik. Vor allem in der Zeit der Wirtschaftskrise wuchs in vielen proletarischen Kiezen eine Bewegung, die mit der Parole „Erst das Essen dann die Miete“ zum Mietzahlungsboykott aufrief. Während die etablierten MieterInnenverbände, die in dieser Zeit viele Mitglieder verloren, die Aktion als ungesetzlich ablehnten, unterstützte die KPD sowie kleinere linke Gruppen und ihre Presse die Aktion.

Auf die eigenen Kraft vertrauen

Das Interesse an der Geschichte der MieterInnenbewegung ist in der letzten Zeit vor allem deshalb gewachsen, weil in Berlin seit einen Jahren wieder MieterInnen auf die Straße gehen und Zwangsräumungen zu verhindern versuchen. Dieses wachsende Interesse an der „Geschichte von Unten“ ist positiv. In den Veranstaltungen, die die Ausstellungen begleiten, wird es sicher um die Gemeinsamkeiten und Unterschiede in der über 150jährigen Berliner MieterInnenbewegung gehen. Aber damals wie heute, galt ein Grundsatz. Die MieterInnenbewegung war immer dann stark, wenn sie sich selbst organisierte und nicht auf Parteien und Großorganisationen vertraute.

Peter Nowak

Die Ausstellung „Kämpfende Hütten" wird am 1.10.2015 um 19 Uhr im TheaterSpielRaum im Südflügel des Bethanien eröffnet. Sie ist vom 1. – 18.10. von Donnerstag bis Sonntag von 16 – 19 Uhr geöffnet. Im Begleitprogramm gibt es Filme, Vorträge und Diskussionen zu Berliner MieterInnenkämpfen. Das vollständige Programm findet sich unter http://kaempfendehuetten.blogsport.eu/

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Geschrieben von

Peter Nowak

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