Vergrabene linke Geschichte

Mariano Pensotti Der argentinische Regisseur hat im HAU 1 nicht nur Tiefenbohrungen in die linke Vergangenheit seines Landes sondern der modernen Gesellschaft unternommen.

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Junge Theatermacher_innen aus Lateinamerika beschäftigten sich in letzter Zeit wieder verstärkt mit der linken Geschichte der 70er Jahre ihrer Länder, als dort große Teile der Bevölkerung eine nichtkapitalistische Gesellschaft aufbauen wollten. Beim diesjährigen Theaterfestival F.I.N.D in der Schaubühne sorgte La Imagination del Futoro des chilenischen Theaterkollektivs La Re-Sentida sorgte unter Publikum und Kritiker_innen für viele Diskussion. Auch auf Freitag-Online wurde das Stück sehr kritisch besprochen (https://www.freitag.de/autoren/peter-nowak/wie-allende-unter-die-kreativdeppen-geriet).

Jetzt hat sich der argentinische Regisseur Mariano Pensotti im Hebbel am Ufer mit dem Theaterstück „Wenn ich zurückkomme, bin ich ein Anderer“ mit der linken Geschichte seines Landes gewidmet. Wie seinen chilenischen Kolleg_innen geht es auch Pensotti um einer kritischen Auseinandersetzung mit linker Mythenbildung und mit der Frage, was von einer linken Utopie in einer Zeit bleibt, in der alle Menschen viele Identitäten haben.

Doch Pensotti hat nicht nur einen klugen Gedanken, er versteht es in den 90minütigen Stück auch, sie in Bilder zu fassen.

Der rätselhafte Fund

Gleich im ersten Kapitel besteht die Bühne aus einer Wand mit Safarimotiven, bald kommt auf einem Fließband ein Fotostativ angesaust, dann folgen zwei Männer, Vater und Sohn und dann sind wir schon in der Geschichte. Der Vater war in den 70er Jahren ein linker Revolutionär, der aus Angst vor dem Terror der Militärjunta alle Gegenstände, die ihn als linken entlarven könnten, im Garten vergräbt. Auf dem Band sehen wir linke Literatur, natürlich darf ein Che-Konterfei nicht fehlen, aber auch eine Waffe. Schließlich sympathisierte der junge Mann mit einer linken Guerillagruppe. Anfangs dachte er immer an die vergrabenen Gegenstände, als die Militärs endlich abtreten mussten, grub er den Garten um und könnte die Gegenstände nicht mehr finden. Die Jahre vergingen, der Mann hatte längst mit der Vergangenheit abgeschlossen und war in der argentinischen Gesellschaft angekommen, rief der Nachmieter des Hauses an und berichtete, dass er beim Graben eines Swimming Pools auf Gegenstände gestoßen sei, die wohl ihm gehörten. Sie waren ihm mittlerweile so fremd, dass er die Utensilien erst mal in der Garage lagerte. Als er sie doch begutachtete, wieder wird alles schön augengerecht am Band aufgebaut, traute er seinen Augen nicht. Nicht die Waffe sondern eine simple Kassette mit gar nicht mal revolutionärer Musik raubte den Mann den Schlaf. Schließlich konnte er sich überhaupt nicht erinnern, wie die Kassette überhaupt zu diesen Sachen kam. Auch, wer der Sänger war, blieb ihm rätselhaft und ließ ihm keine Ruhe. Es entwickelte sich dann ein richtiger Krimi um die Kassette. Am Ende wird nicht nur der Musiker identifiziert, zwischenzeitlich gelangte das Stück auch zur Wahlkampfhymne eines Kandidaten, der viel von Wechsel redete, aber mit den Utopien der 70er Jahre nichts zu tun hatte. Die Tochter des Musikers, der in den Kerkern des Militärregimes umgekommen ist, erkennt sofort die Stimme seines Vaters und macht sich auf die Suche, nach den Grund, warum der nun zum Gegenstand einer Wahlhymne wurde. Ein Theaterregisseur muss erfahren, dass sein mäßig erfolgreiches Theaterstück ohne sein Wissen und seine Zustimmung wieder aufgeführt wird und sogar Erfolg hat. Da wird wohl jemand im Internet kopiert haben, sagt er noch, eher sich auf der Suche nach dem Plagiator machte. Am Ende gehen sie aneinander vorbei und erkennen sich nicht. Der Gesuchte landet schließlich in einem Club von Transvestiten, die die Beatles covern. Auch dort hat er gleich Erfolg.

Was bleibt von den linken Utopien?

Wie die unterschiedlichen Storys zusammenhängen und sich schließlich miteinander verbinden, soll hier nicht verraten werden. Schließlich besteht die Möglichkeit, dass das Stück noch einmal aufgeführt wird. Oder der Stoff gibt die Vorlage für einen Krimi. Klar ist jedenfalls, dass Stück in eine Welt führt, in der alles kopiert, in denen Menschen Identitäten öfter wechseln wie die früher die Menschen ihre Hemden. Dass dann eine Transvestitengruppe ins Spiel kommt, kann als doch etwas arg klischeehaft betrachtet werden. Insgesamt aber ist es ein sehr unterhaltsamer Theaterabend mit Tiefgang, auch wenn sehr viele Themen in den 90 Minuten verhandelt werden und das ursprüngliche Motiv, die vergrabene linke Geschichte dann doch etwas verschüttet bleibt. Andererseits ist der linke Song bei einer Wahlkampfveranstaltung der Gegenwart auch ein Fingerzeig an den geborgen Identitäten vieler Wahlkampfmanager. Da wildert man im gesamten politischen Fundus von links bis recht. Das schon erwähnte Bühnenbild sollte am Ende noch einmal ein Lob erfahren. Alles spielt sich auf dem Fließband ab, auf einem Monitor werden die einzelnen Kapitel angekündigt und kurz vorgestellt. Auch komplexe Themen können im Theater so dargestellt werden, dass sie auch noch verständlich sind, wie sich im HAU 1 zeige.

Link zum Stück:

http://www.hebbel-am-ufer.de/programm/spielplan/pensotti-cuando-vuelva-a-casa-voy-a-ser-otro/

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Geschrieben von

Peter Nowak

lesender arbeiter

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