Man kann es sich kaum noch vorstellen, aber es gab tatsächlich mal eine Zeit, da wurde Klaus Wowereit als kommender Kanzlerkandidat gehandelt. Aus heutiger Sicht klingt das natürlich reichlich absurd und alleine das zeigt schon, in welche Richtung sich die politische Karriere des Berliner Regierenden Bürgermeisters in den vergangenen Jahren entwickelt hat. Da braucht man keinen Großflughafen. Eine so reife Entscheidung wie diejenige zu seinem Rücktritt im Dezember, nach 13 Jahren im Amt, hätte man ihm zuletzt gar nicht mehr zugetraut.
Doch es wäre ungerecht, Wowereit auf die Rolle des gelangweilten, leicht genervten Dauerregenten zu reduzieren, der einen immer öfter an seinen Amtsvorgänger, den längst untergegangenen Eberhard Diepgen, erinnerte. Dass Klaus Wowereit am Ende so gar nicht mehr zu dem Berlin passen wollte, das er doch in großen Stücken mit erfunden und zeitweise auch ziemlich perfekt verkörpert hatte, lag an etwas anderem: Seine Mission war erfüllt. Inzwischen ist die Stadt längst viel weiter, als sie mit Wowereit je kommen konnte. Nur hat er das nicht gemerkt.
Es ist schon erstaunlich, dass Wowereit in seinen vielen Regierungsjahren nur einmal für wenige Monate mit der Partei zusammengearbeitet hat, die nach landläufiger Meinung doch eigentlich als der naturgegebene Partner der SPD gilt. Aber mit den Berliner Grünen hatte er es nicht so, sie waren ihm gerade gut genug, 2001 die damals regierende CDU vor die Tür zu setzen. Danach hielt er sich lieber an die PDS, was politisch nicht nur klug, sondern auch noch ziemlich mutig war. Vor allem das Westberliner Establishment schrie auf, das werde die Stadt nun endgültig zerreißen. Das Gegenteil trat ein, kaum eine politische Entscheidung hat mehr zum Zusammenwachsen der damals noch ziemlich geteilten Stadt beigetragen. Nebenbei garantierte das Bündnis mit den Linken den Sozialdemokraten über viele Jahre eine stabile Regierungskonstellation, der nicht nur Gregor Gysis gescheiterter Ausflug in die Niederungen der Landespolitik nichts anhaben konnte. Das Bündnis überstand auch heftige Sparmaßnahmen in einer Stadt, in der es vieles doppelt (Verwaltungen) und einiges sogar drei- bis vierfach gab (Opern, Universitäten). Rot-Rot kam sogar mit einem Finanzsenator zurecht, der heute mit ähnlichem Eifer krude Bücher schreibt, wie er damals die Etats zusammenstrich. Und es ist bezeichnend, dass Wowereit sich nach der letzten Wahl wieder für eine Große Koalition entschied und damit zu den Verhältnissen zurückkehrte, die zu zerstören er am Anfang angetreten war. Stabilität ging ihm eben über alles.
Man kann darüber streiten, welches der Satz sein wird, der im Rückblick am ehesten mit Wowereit verknüpft sein wird: „Ich bin schwul, und das ist auch gut so“ oder „Berlin ist arm, aber sexy“. Beide Sätze sind jedenfalls typisch Wowereit: Selbstbewusst homosexuell und selbstbewusst berlinerisch. Unser Wowi eben. Es lässt sich nicht genau feststellen, wann er aufgehört hat, unser Wowi zu sein. Politische Ideen hatte er ja ohnehin nie viele, geschenkt. Aber irgendwann ist jede Party mal vorbei und dann möchte man, dass der Alltag funktioniert. Dass es genügend Lehrer gibt. Dass die S-Bahn fährt. Dass Jobs entstehen. Dass der Flughafen fertiggebaut wird. Und die Oper. Daran ist Wowereit gescheitert. War offenbar einfach nicht sein Ding. Und so sei es ein letztes Mal erlaubt, den einen der beiden ewigen Wowereit-Sätze zu verwenden: Es ist vorbei. Und das ist auch gut so.
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