Als die Corona-Pandemie im vergangenen Frühjahr das Leben vieler Menschen aus den Angeln hob, als die Leute unter dem Lockdown litten, setzte sich der Pianist Igor Levit ans Klavier und spielte. 52 „Hauskonzerte“ veröffentlichte er bei Twitter. Ausgerechnet bei Twitter, könnte man sagen. Denn wo sonst so viel gehasst, geschimpft und polarisiert wird, machte seine Musik die Welt ein Stückchen besser.
Jakob Augstein spricht mit Igor Levit über Kunst und Kultur in Corona-Zeiten und wie sehr das Publikum bei digitalen Konzerten fehlt. Doch es geht auch um Twitter, das Medium, in dem sich Levit seit Jahren bewegt, in dem er sich viele Male politisch zu Wort gemeldet hat. Überhaupt: Politik und Musik? Gehört das zusammen – und wenn ja wie? Es gibt also viel zu besprechen.
Diese Podcastfolge ist in Kooperation mit der Berliner Volksbühne und radioeins entstanden.
Die nächste Folge von „Augsteins Freitag“ erscheint voraussichtlich am 12. Februar 2021. Fragen und Anregungen können Sie an podcast@freitag.de schicken.
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Kommentare 16
Meiner Einer –und wie mir in Erinnerung ist, manch Anderer auch- mag keine Podcasts / wäre für Transkription dankbar.
Wem an möglichst vollumfänglicher Rezeption seines Inhalts gelegen ist, dem wird diesbezüglichen Vorteil von Geschriebenem ohnehin willkommen sein.
(Kenne Jemand, der neben seiner graphischen Arbeit täglich stundenlang Radioreportagen lauscht. Doch allzu viel hängen zu bleiben scheint da nicht. Eben wohl, da diese eher flüchtige Form der Aufnahme weder in Diffusionsgrad noch Einprägung dem Lesen gleichkommt.)
Ergo wäre wohl Beides nebeneinander trefflich. Audio für Adressaten, die im Vorbeiflug mitnehmen möchten. Text für mehr an Widmung.
So also, meine persönliche Assoziation zu vorhandenen Zeilen:
||Überhaupt: Politik und Musik? Gehört das zusammen – und wenn ja wie?||
Hirnforschung macht musikalische und mathematische Verarbeitung in selbem Areal aus. Wohl, da harmonische Struktur ebenfalls mathematischer Proportionierung entspricht. Beides also vordringlich Cortex logischer Spezifik beanspruchend.
Und da Stringenz politischem Verständnis nur zuträglich ist, liegt es nahe, daß sich unter Musikern eher solche mit politischem Selbstbewußtsein und häufiger progressivem finden.
Beachtenswert auch: Je infantiler die Musik, desto unpolitischer oder konservativ die Interpreten, und umgekehrt, je anspruchsvoller die Lala desto gesellschaftlich wacher deren Künstler.
Natürlich mit Regel bestätigenden Ausnahmen des klassischen Felds einschließlich dem der klassischen Gitarre, und von dort aus selbst noch des Flamenco unter Nicht-Gitanos.
Beides aus kulturellem Hintergrund zerebralem Prinzip entgegenstehend, da klassischer Vortrag in konservativer Tradition prestigeträchtigen Bekleidens mit Muse beheimatet ist. Fortgeführt bis in besagten Flamenco, dessen folkloristische Gitarre beim Übergang zu internationaler Anwendung sozialen Ursprung der Elegie und stützende Funktion für soziale Randgruppe verlor.
Äußerst hörenswert. Ich will es gar nicht kommentieren, nur empfehlen.
→hammer Sonate(, ey) – der ist gut!
Jetzt kenne ich auch den Musiker Igor Levit. Zum Glück.
Als der große Ingmar Bergman einmal gebeten wurde, einen seiner Filme zu erläutern, wies er das zurück mit dem Argument (an den Wortlaut kann ich mich nicht mehr erinnern), daß wenn er seinen Film erklären könnte, er wohl Essayist geworden wäre, nicht Regiekünstler. Nach meinen Erfahrungen mit Kunst gilt das für die meisten Künstler, wie hier zu erfahren auch für Igor Levit. Er ist ein sehr guter Pianist, und als solcher hat und erfüllt er die Aufgabe, Kompositionen deutlich zu artikulieren, die toten Texte so lebendig zu machen und uns vorzustellen, daß wir die Möglichkeit haben, das Kunstwerk so gut wir können zu verstehen und zu genießen.
Levit ist angenehm unverstellt, seine Haltungen und Betroffenheiten sind nachvollziehbar. Leider ist das Interview ein bißchen oberflächlicher Plausch geworden, zur Sache kam man erst in den letzten Minuten, da hätte wahrscheinlich mehr aus Levit herausgekitzelt werden können. Am besten, wenn man ihn mit einem Künstler gegensätzlichen Temperaments konfrontiert hätte. Dennoch möchte ich nicht das Verdienst schmälern, dieses Interview uns zugänglich gemacht zu haben.
Mir hat auch der Schlussteil am besten gefallen, aber da ich Igor Levit nicht kannte, war es schön, zuvor ein wenig den Menschen zu erspüren. Levit macht es sich nicht leicht und das finde ich gut, auch wenn er vielleicht stark mit sich/seiner Mitwelt ringt. Ich will aber keine zu abgeschmackten Künstlerklischees bemühen. Er macht es auch Augstein nicht leicht, anders als Kehlmann, der vielleicht auch nur aus Bequemlichkeit ein wenig zu viele Bälle gefangen hat, die Augstein ihm zu warf. Levit hält hier den Widerspruch und seine Spannung aus, das hat mir gefallen.
Etwas zu nehmen und die Form oder das Mittel der Beschränkung zu nutzen (ob twitter oder Noten) um etwas mit diesem Mittel in Freiheit zu transformieren oder durch dieses Mittel etwas in die Freiheit zu entlassen, dieses wiederkehrende Motiv hat mich beschäftigt.
Ich überlegte, ob Levit da nicht tatsächlich (auch) eine Form der Spiritualität beschrieben hat (auch hier abzüglich der Klischees darüber), vielleicht höre ich das aber auch nur dort hinein, was aber letztlich – darum geht es ja gerade – egal ist. Die die Freiheit bindende Form als Mittel zur Freiheit, das ist wie Zen. Formale Strenge, mit dem einzigen Sinn (außer vielleicht einer wohltuenden Erdung) eine unverstellte Freiheit und einen spontanen Zugang zu ihr finden … und beim nächsten Mal (und für einen anderen Menschen) ist es wieder eine ganz andere Form der Freiheit.
Aber – die irgendwie überdauernde Botschaft des Zen – es ist genau jetzt immer die richtige Form der Freiheit, wenn man zu ihr durchdringt. Das muss nichts Bombastisches sein. Etwas, was man angestoßen hat kippt um und noch bevor man überlegen kann, hat man es ergriffen und das Kippen verhindert. Man steckt den Schlüssel in die Haustür und er gleitet ohne Gestocher gerade hinein. Man ist durchgefroren und bekommt ein Tasse heißer Brühe mit Nudeln. Und noch die Beschränkung und das Scheitern des anderen an seiner Möglichkeit zur Freiheit kann genau jetzt richtig sein, kein Grund sich damit aufzuhalten, es geht ja weiter.
Das auf den Spruch zu reduzieren, dass ich immer die Wahl habe, erscheint mir zu eng, weil hier wieder versucht wird Freiheit in eine Form zu pressen und im Zen zudem bestritten wird, dass es auf das Ich ankommt. Es ist ja das, was verstehen will, was man nicht verstehen kann. Verstanden hat man, wenn man etwas in die Freiheit entlässt.
Ach, so viele Musiker haben überhaupt kein politisches Interesse (was nicht heißt, dass ihr Handeln nicht politisch ist). Besonders in der “Klassik“. Igor Levit fällt hier schon aus der Rolle; besonders unter den Stars der Branche. In der Popularmusik ist das Feld wohl deutlich aufgespaltener zwischen den Genres.
Der von Ihnen hergestellte Zusammenhang <Harmonik->Logik->progressives politisches Bewusstsein>, der also besagen soll, Musiker und Mathematiker seien am ehesten politisch progressive Geister, ist schon sehr assoziativ. Empirische Daten wären hier spannend. Korrelationen von logischem Denkvermögen mit politisch progressivem Denken halte ich für möglich.
||Korrelationen von logischem Denkvermögen mit politisch progressivem Denken halte ich für möglich.||
Wie ich annehme, in Gemeinschaft mit Abstraktions- und Assoziationsvermögen (welche dem Musiker als Transposition und Orientierung in Harmonieverlauf nicht fremd sind), zum Wahrnehmen von Zusammenhängen und Interpendenzen.
Auch Interessant, jenes überraschende Festhalten eines Drogenbeauftragten des Bundestags in den Achtzigern (meine ich), wie Studien ergeben hatten, daß Kiffer politisch bewußter seien, und sich weniger hinters Licht führen ließen.
Bewußtseinerweiterung, die Cannabis zugeschrieben wird, scheint sinnlich ja zunächst paradox, da es jeweilige Fokussierung auf Detail begünstigt, statt etwa Wahrnehmung eines Gesamten. (Weshalb es z.B. Manöver im Straßenverkehr gar nicht zuträglich ist.) So bspw. beim Hören von Musik das subjektive Hervorheben eines Instruments unter verschiedenen.
Allerdings ist mir aus der Audioverarbeitung vertraut, daß eine Hervorhebung hilfreich dazu ist, die Wirkung eines Klangkörpers im Arrangement zu verstehen.
Eine Differenzierung also, welche als Prinzip zur Analyse ja so grundlegend ist, daß sie im Zuge des Einlullens nach Kräften nichtig gemacht wird (‚Nicht ist eindeutig / Alles relativ‘, ‚Alles ist Kunst‘, ‚Über Geschmack läßt sich nicht streiten‘, ‚Mysteriöser Sinn des Lebens‘, etc.)
"Wie ich annehme, in Gemeinschaft mit Abstraktions- und Assoziationsvermögen (welche dem Musiker als Transposition und Orientierung in Harmonieverlauf nicht fremd sind), zum Wahrnehmen von Zusammenhängen und Interpendenzen."
Abstraktions- und Assoziationsvermögen allein lassen wenig konkrete Rückschlüsse zu etwa auf eine politische Orientierung. Vielleicht einmal ein Beispiel aus der Musik: Arnold Schönberg und Hanns Eisler. Ersterer hat sich sehr, wenn man so will, abstrakten kompositorischen Strukturen verschrieben. Er litt unter Verfolgung, die auch in dem Maße politisiert wurde, weil er Jude war. Selbst blieb er politisch bürgerlich-konservativ eingestellt. Eisler war eine zeitlang Schüler Schönbergs, erlernte dessen Zwölftonmethode und komponierte selbst einige Werke in dieser Methode. Bekanntermaßen wandte er sich von dieser aber wieder ab um sich unmittelbar funktionalerer Musik zuzuwenden, die er für geeigneter hielt, zu seiner politisch linken Überzeugung aufzuschließen. Künstlerisch hat der einen Spagat zwischen einfachen Liedern und auf Kampfmusik für die Straße und komplexeren Kompositionen gehobeneren künstlerischen Niveaus für Orchester und Kammerbesetzungen angestellt. Beide - Schönberg und Eisler - waren letztendlich mit der Machtergreifung der Nazis gezwungen, ihre Heimat Österreich zu verlassen - der eine als Jude, der andere als Kommunist - und fanden sich im amerikanischen Exil wieder. Schönberg blieb, wie gesagt, bürgerlich-konservativ, Eisler musste später vor dem McCarthy-Tribunal antreten und wählte schließlich die DDR als Lebens- und Wirkungsort. Das Beispiel soll jetzt zwar noch nichts beweisen, ist aber dennoch geeignet, Ihre These infrage zu stellen.
Korrektur: "Künstlerisch hat er einen Spagat zwischen einfachen Liedern und auch Kampfmusik für die Straße [...]"
Um es nochmal aufzugreifen: Levit ist nicht nur ein guter Techniker, sondern seine Einspielungen zeigen, daß er die Musik tief versteht. Aber eben wie viele Künstler das nicht in dem analytisch- expliziten Medium der Sprache ausdrücken kann. Man kann aber leicht einsehen, warum das eine objektive Schwierigkeit ist. Ich denke, Levit hat sich mit der „Freiheit“, die Musik sei, etwas vergaloppiert, ich gestatte mir eine Interpretation, die das zurechtrückt. Ja, Musik kann alles, muß nichts. Das ist aber nur die halbe Wahrheit. Musik ist nicht oder sollte nicht sein: belehrend. Richtig, und wiederum auch falsch. Die erste Unklarheit darin ist die fehlende Unterscheidung zwischen Musik und Kunst. Setzen wir den Begriff „musikalische Kunst“ an die Stelle von „Musik“, gilt nicht mehr, daß sie alles kann, nichts muß; im Gegenteil, wenn Busoni richtig sagt, es geht darum, Gesetze aufzustellen mit der Komposition, heißt das, daß das Komponierte nicht willkürlich, beliebig sein darf, sondern seine eigene Notwendigkeit behaupten muß, und die Freiheit liegt darin, daß dies eine Selbstbegründung ist, bei der du dich auf nichts Vorgegebenes berufen kannst. Das gilt dann allerdings auch für jede neue Komposition, insofern stimmt es auch, daß du diesem einmaligen Gesetz, ein schönes Oxymoron, nicht folgen kannst/darfst. Dieser Gedanke, dem sich ziemlich radikal Schönberg hingegeben hat, niemand hat das vor ihm so konsequent gemacht und gekonnt, hat schließlich mit der Dodekaphonie seiner eigenen freien Atonalität widersprochen, weil sie nicht wirklich praktisch realisierbar war. Und man übertrage sie auf den passiven Part, das Publikum: statt sich am Erkennen der Sonatenform zu erfreuen, müßte es das mehrmalige Hören der gleichen Komposition als Freiheitsberaubung empfinden. Nein, das Glück der Kunst liegt mehr in der Bindung als in der Freiheit. Oder ich zitiere hier immer wieder gern das leicht mißverständliche und provokant erscheinende bon mot Hegels von der Freiheit als Einsicht in die Notwendigkeit.
In einem anderen Sinn jedoch trifft die Aussage von der Freiheit zu, mehr noch, alle analytische Beschreibung der Kunst ist zu eng. Ich denke, das ist, was Du mit Spiritualität sagen willst. Wie geeignet dieser Begriff ist, darüber kann man streiten, und ich teile Levits Skepsis. Das liegt am fürchterlichen Mißbrauch des Begriffs, richtig aber ist, daß das Geistige mehr ist als das unmittelbare, materielle Sein. Schon Musik, vor allem aber die musikalische Kunst ist mehr als nur Töne*, und das nicht erst, wenn Kunst politisch wird. Musik ist eine Sprache, mit Syntax und Semantik. Und sie ist sowenig extensional-technische Sprache wie die natürliche, sogar auf eine besondere Weise für ein Sagen des Unsagbaren prädestiniert, denn sie vermag Gefühle und Intuitionen zu kommunizieren, das, was für eine explizite Darstellung zu komplex und zu unbestimmt ist. Die verbale Sprache versucht diesem Komplexen und unbestimmt Flüchtigen, Bewegten ebenfalls gerecht zu werden, im Roman und hochkonzentriert in der Lyrik. Das heißt aber, daß die Musik interpretiert werden muß und nie von allen identisch verstanden wird. Je integrierter das Kunstwerk, desto vielfältiger ist es auslegbar.
Sagen des Unsagbaren klingt wie Verstehenwollen, was man nicht verstehen kann. Dennoch sollte man das nicht falsch verstehen, es ist tatsächlich eine Art Metaverstehen von etwas, das man nur als Ganzes, Integriertes, nicht in Form seiner analytisch isolierbaren Konstituentien verstehen kann. Solches Verstehen ist kein abgeschlossenes, abschließbares Verstehen. Diese letzte Sicherheit des rationalen, dinglichen Verstehens ist nicht erreichbar, aber dadurch ist es auch nicht so banal wie das, was wir schwarz auf weiß getrost nach Hause tragen können. Und um bei Goethe zu bleiben, auch bei ihm findet man schon das eingangs thematisierte Problem, das Sontag mit „against interpretation“ zu umgehen suchte, das er so beantwortet: „Bilde, Künstler, rede nicht!“
* Busoni hat vom Klavier aus gedacht, Wagner vom Orchester aus. Da ist die Idee der absoluten Musik einerseits und der Programmmusik andrerseits naheliegend, das ist aber ein Mißverständnis Wagners, der ja ein großer Verehrer Beethovens war, und die Rede von der „tönenden Luft“ ist eher irreführend, weil sie die Musik verdinglicht, positiviert; und die Ausdrucksfreiheit der Musik heißt ja nur, daß ich alles mit Musik assoziieren kann, erreichen kann, nicht, daß jede Musik das erreicht.
Ganz klar hat sich Eisler entschieden gegen eine Musik, die für eine große Masse der Menschen nicht mehr erreichbar war. Aber in dem nicht unbeträchtlichen Teil der Musik, die nicht im engeren Sinn politisch war, sondern mehr persönlicher Reflex auf seine Zeit, hat er an den historischen Errungenschaften in der Musik immer noch ziemlich konsequent festgehalten. In seiner letzten Komposition, den sehr schönen ernsten Gesängen mit Streichorchester, steckt enorm viel Schönberg bzw Berg, natürlich muß man da an Brahmsens ernste Gesänge denken, es ist eine Musik knapp unterhalb der Radikalität des zweiten Streichquartetts von Schönberg, das für uns heute ja ein Klassiker ist.
Erneut ein sehr schöner, trotz der Länge dichter Text, der viel in mir zum klingen bringt. „Freiheit“ und „Verstehen“ sind immer wieder – hier auch bei Dir – zentrale Begriffe und eine Frage dahinter wohl, ob man Freiheit verstehen kann oder ob man sie nicht in dem Moment, wo man meint, sie verstanden zu haben, getötet hat.
Meinen Philosophie, Musik und Spiritualität eigentlich die gleiche Freiheit und wenn ja, worin oder wodurch drückt sie sich aus? Vor dem Hintergrund des philosophischen Wissens, dass Willkür keine Freiheit ist (und auch der Zufall ist es nicht), muss man in der Philosophie zu einer Form greifen, dem Argument, als Ausdruck des Rationalen.
Musik kann anderes, etwa Stimmungen, Emotionen ausdrücken. Und auch das muss man vielleicht irgendwie decodieren, interpretieren, also verstehen. Kann man sie eigentlich verfehlen, in dem Sinne, wie man an einem Argument scheitern kann? Mit der Philosophie wähle ich ja etwas Bestimmtes aus, einen Zugang. Dabei wird kein Reisgericht herauskommen, aber ist das ein Fehler?
Jede Form bindet notgedrungen (oder notwendig), aber was wäre die absolute Freiheit von aller Form? Wäre sie Freiheit oder überhaupt irgendwas? Irgendwas Greifbares, Darstellbares? Dazu muss sie vielleicht erst werden, wenn sie sich ausdrücken darf. In den Improvisationen des Jazz? Im Aufstand der Massen? Im Satori des Zen? Immerhin meint man sogar im Zen noch, sich vom Meister sein Satori bestätigen lassen zu müssen. Auch hier kann man also scheitern, ein Satori ist nicht alles, was ich dafür halte.
Und doch muss es um eine Selbstermächtigung gehen, denn wenn ich den Baustein – dass der Meister mir mein Satori bestätigt hat – in den Händen halte, muss ich etwas damit anfangen. Ich bin dann also der, der vielleicht die radikalste (oder eine weitere) Form der Freiheit ausdrückt, in und mit allem, was ich tue. Aber nicht nur Philosophie/Argument und Klavier sind bestimmte Formen und Arten oder Vehikel, dies zu tun, das Ich und oder Körper sind es auch. Ich kann erleuchtet sein, aber kein Kind zur Welt bringen. Ist das nun eine Freiheitsberaubung oder der abermalig verfehlte Vorwurf, dass man mit einer Hobelbank nicht fliegen kann?
Und Freiheit auszudrücken, ist nicht in jedem Moment etwas Bombastisches, das permanente Exempel, sondern das was genau jetzt gerade dran ist, wenn die Katze Hunger hat. Was gerade dran ist, kann und muss man vielleicht erkennen, verstehen. Die Koan Paradoxien des Zen drücken das aus, Meister Eckhart, wenn er den Alltagsdienst der Martha über den Sinn für das Besondere/Heilige der Maria stellt, die widerspruchsfreie Fusion von Freiheit und Dienst, die so leicht misszuverstehen ist. Ist das die Einsicht in die Notwendigkeit? Ist das das, woran Sartre irre wurde (als er betonen wollte, dass man in der radikalen äußeren Unfreiheit am besten(?) zur Freiheit findet)?
||Das Beispiel soll jetzt zwar noch nichts beweisen, ist aber dennoch geeignet, Ihre These infrage zu stellen.||
Das sollte es auch erst, wenn entweder Forschung am Hirn dem entgegenstünde, oder aber repräsentative Studien. Ausnahmen, wie ich sie ja etwa als gesellschaftlich bedingte auch schon umriß, widerlegen kein evtl. Prinzip.
Besonders Zerebrales ist ja von Haus aus kaum je total. Gerade auch am, sich nahezu 'quantenphysikalisch' ausnehmenden, Phänomen Intelligenz zu sehen, welches nur prinzipiell mit Kognition korrelieren will / am Individuum jedoch nicht selten auch als hohe Intelligenz, die mal so gar nicht Grundlegendes erfassen will, mal hilflos in der Planung ist, während einfaches Gemüt durchaus praktisch effizient zu sein vermag.
(Auch massenhaft, wie etwa bei Börsensimulation der Forschung an Universität, bei welcher die berühmten „dümmsten Bauern“ die „dicksten Kartoffeln“ holten. Oder zu Bewährung in einfältiger Bewandtnis des Kapitalismus, in dessen führenden Riegen von Amt, Armee und Wirtschaft unterdurchschnittliche IQs gemessen wurden. … Was wiederum Korrelation darstellt.)
Richtig, man darf Eisler nicht auf den funktional-politischen Komponisten reduzieren. Ich schreibe ja auch von einem künstlerischen Spagat. Ich wollte ja zunächst nur beispielhaft das ungleiche "Paar" Schönberg und Eisler in dem Sinne anführen, dass Vergeistigung im Musikalischen nicht unbedingt zu einer bestimmten politischen Orientierung aufschließt. Nicht zu vergessen, dass sie auch die Eigenschaft eines gänzlich unpolitischen Künstlers sein kann.
Gezwungenermaßen war Schönberg gar nicht so unpolitisch. Er schrieb das Meisterwerk „Ein Überlebender aus Warschau“. Und politisch in einem abstrakten Sinn ist auch „Moses und Aron“.